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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0231
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313

1891.

ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

311

Elfenbein-Medaillon des XV. Jahrh. als Spiegelkapsel.

Mit Abbildung.

«in späteren Mittelalter bildete der
Handspiegel ein sehr beliebtes, da-
her sehr häufig angewendetes Toi-
lettenstück, zumal bei den Frauen.
Er wurde entweder in der Tasche getragen, was
die Regel war, oder am Gürtel. In letzterem
Falle hatte er irgend eine kleine Vorrichtung zum
Hängen, einen Haken oder eine Oese. Der Hand-
spiegel bestand in der Regel aus einer ganz
flachen Kapsel, deren Vorderseite allerlei bild-
lichen Schmuck, deren Rückseite eine seichte
Vertiefung hatte für
die Aufnahme des,
sei es aus polirtem
Metall, sei es aus
einem mit Folie
hinterlegten! Glase
gebildeten Spiegels.
Seine Form ist ge-
wöhnlich rund,nicht
selten aber wird sie
quadratisch durch
die Anbringung von
vier Blattornamen-
ten oder phantasti-
schen Thierfiguren,
welche den Kreis
zum Viereck erwei-
tern. Seltener sind
diese Kapseln aus
Metall, zumal aus
Gold und Silber,
öfters aus Buchs, zumeist aus Elfenbein gebildet.
Aus letzterem Material geschnitzte haben sich
in verhältnifsmäfsig sehr grofser Anzahl erhalten
und im Laufe der Zeit ihren Weg in die öffent-
lichen oder privaten Sammlungen genommen, in
denen ihnen, als mittelalterlichen Profangegen-
ständen von durchweg reicher und sorgfältiger
Ausstattung, eine grofseWerthschätzung beigelegt
wird. Die meisten weisen durch ihr Bildwerk
auf das XIV. Jahrh. als Ursprungszeit und auf
Frankreich, namentlich auf den nördlichen Theil
desselben als Ursprungsland hin. Beliebt war
eine architektonische Einfassung, zumal in Ge-
stalt von Pässen, nicht minder die Verwendung
architektonischer Formen zur Darstellung von
Burgen etc.; aber auch an landschaftlichen Mo-
tiven, Bäumen u, dergl. fehlte es nicht. Biblische,

überhaupt religiöse Darstellungen kamen seltener
zur Anwendung und wenn sie erschienen, hatten
sie in den meisten Fällen einen weltlichen Cha-
rakter. Die Verherrlichung des Minnedienstes
bildete ihren Hauptgegenstand, junge Paare, die
sich mit Blumen schmücken, miteinander kosen,
Schach spielen u. s. w. Am häufigsten begegnet
die Belagerung einer Burg, welche von Rittern
bestürmt, von Edeldamen vertheidigt wird mit
Blumen, die hin- und hergeworfen werden, bis
endlich die Eroberung gelingt und Belagerer wie

Belagerte gemein-
same Sache machen.
Als Ausnahme
erscheint die hier
nahezu in natürli-
cher Gröfse abgebil-
dete Spiegelkapsel,
welche sich bis vor
Kurzem in kölni-
schem Privatbesitze
befand und dem Be-
ginne des XV. Jahrh.
zuzuschreiben sein
dürfte. Sie stellt in
ganz flachem Relief
die Kreuzigungs-
szene vor. Diese ist
in den durch den
stark ausgebildeten
Vierpafs sehr ein-
geschränkten Raum
höchst geschickt hineinkomponirt. Die einzel-
nen Gestalten sind gut bewegt und drapirt, ihr
Ausdruck recht ernst und ergreifend, die ganze
Gruppe sehr ansprechend, obwohl die Durch-
führung gerade nicht den höchsten Grad der
Feinheit aufweist. Sie hatte an dieser Stelle
wohl den Zweck, den Anfechtungen der Eitel-
keit ein Gegengewicht zu bieten durch Anre-
gung ernster Gedanken. Sie scheint also eine
den bis dahin geläufigen Darstellungen ganz ent-
gegengesetzte Wirkung beabsichtigt zu haben
und damit den Uebergang zu bilden zu den
Wandspiegeln des XVI. und XVII. Jahrh., die
vielfach aus mit Quecksilber hinterlegten Glas-
platten bestehen, denen auf der Rückseite ein die
Vergänglichkeit des Irdischen stark betonendes
Bild aufgemalt ist (verre e'glomise'). Schnütgen.
 
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