DIE KÜRBISTHEORIE
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nungen im östlichen Mittelmeergebiet, von denen hier wenigstens einige wenige
kurze Erwähnung finden mögen.
Die neolithischen Gefäße Kanaans tragen eine geradlinige, eingeritzte Ver-
zierung. Die erst später einsetzende Gefäßmalerei übernimmt zunächst die geo-
metrischen Muster, dann aber geht sie zum Tier- und Pflanzenornament über
und zwar, wie Vincent annehmen möchte, unter Anlehnung an die elamitische
Kunst1. Troj a besitzt in der ersten Ansiedlung eine Keramik mit eingeritztem,
meistens weiß ausgefülltem, selten aufgemaltem Muster, es herrscht der alt-
europäische Stil. Auch das Gefäßornament der II.—V. Stadt ist zum großen
Teil eingeritzt und geradlinig; Übereinstimmung mit nordeuropäischen For-
men — schnurkeramischen Amphoren — kann vorkommen. Erst in der V. An-
siedlung erscheint ein eingeritztes Spiralornament und zwar, wie H. Schmidt,
der übrigens für die mitteleuropäische Provenienz der Spiralmäanderornamentik
eintritt, ausdrücklich betont, unter dem Einfluß des ägäischen Kulturkreises2.
Von großer Bedeutung ist für uns die Entwicklung der ornamentalen Kunst
auf Kreta. Die 6 m starke neolithische Kulturschicht von Knossos enthält
nur eine geradlinige eingeritzte und mit weißer Füllung versehene Gefäßorna-
mentik. Die mit der Bronzezeit (Early Minoan I) auftretende Vasenmalerei
übersetzt zunächst nur diesen Stil in die neue Technik, dann aber erscheinen
krummlinige Muster, darunter die laufende Spirale3. Es folgt die erste mittel-
minoische Periode mit gut entwickeltem, zum Teil verästeltem Spiralornament,
dazu naturalistische Tierformen, dann der glänzende Stil der Kamaresgefäße
mit dieser eigentümlichen Mischung vegetabilischer und geometrischer Formen,
auf die ich noch zurückkomme (vgl. Taf. VIII, 3), endlich die unerschöpflich
reiche, naturalistische Formenwelt der kretischen Blütezeit. Die entscheidende
Wendung in dieser Entwicklung liegt zweifellos in der frühminoischen Kunst,
als der Bann der struktiv-gebundenen, abstrakt-geometrischen, eingeritzten
Ornamentik der Steinzeit gebrochen wurde und die Gefäßbemalung mit ihren
krummlinigen, „freien" Zierformen einsetzte. Welche Rolle der asiatische oder
ägyptische Orient bei der Geburt der minoischen Kunst gespielt hat, wird noch
sehr verschieden beurteilt, darüber aber, daß der Bruch mit dem, durch die
Jahrtausende gepflegten, „alteuropäischen" Stil nur durch, seien es nun eth-
nische oder bloß kulturelle, Beziehungen zu den alten südöstlichen Kulturzentren
erklärt werden kann, wird kaum mehr Zweifel bestehen4.
Diese Beispiele aus der prähistorischen Ornamententwicklung im westlichen
und östlichen Mittelmeergebiet mögen genügen zu folgenden Feststellungen:
das uns bekannte Formprinzip der nordischen neolithischen Kunst, welches
nichts anderes ist als das Bekenntnis zum reinen Ornament, ist zum Teil bis
im südlichsten Europa und darüber hinaus alleinherrschend gewesen und zwar
1. Pere H. Vincent, Canaan.
2. Hub. Schmidt in W. Dörpfeld, Troja und Ilion. 1902.
3. E. Reisinger, Kretische Vasenmalerei usw. 1912. Duncan Mackenzie rechnet die
Gefäße mit Spiralornament schon zur mittelminoischen Zeit.
4. Vgl. S. 44.
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nungen im östlichen Mittelmeergebiet, von denen hier wenigstens einige wenige
kurze Erwähnung finden mögen.
Die neolithischen Gefäße Kanaans tragen eine geradlinige, eingeritzte Ver-
zierung. Die erst später einsetzende Gefäßmalerei übernimmt zunächst die geo-
metrischen Muster, dann aber geht sie zum Tier- und Pflanzenornament über
und zwar, wie Vincent annehmen möchte, unter Anlehnung an die elamitische
Kunst1. Troj a besitzt in der ersten Ansiedlung eine Keramik mit eingeritztem,
meistens weiß ausgefülltem, selten aufgemaltem Muster, es herrscht der alt-
europäische Stil. Auch das Gefäßornament der II.—V. Stadt ist zum großen
Teil eingeritzt und geradlinig; Übereinstimmung mit nordeuropäischen For-
men — schnurkeramischen Amphoren — kann vorkommen. Erst in der V. An-
siedlung erscheint ein eingeritztes Spiralornament und zwar, wie H. Schmidt,
der übrigens für die mitteleuropäische Provenienz der Spiralmäanderornamentik
eintritt, ausdrücklich betont, unter dem Einfluß des ägäischen Kulturkreises2.
Von großer Bedeutung ist für uns die Entwicklung der ornamentalen Kunst
auf Kreta. Die 6 m starke neolithische Kulturschicht von Knossos enthält
nur eine geradlinige eingeritzte und mit weißer Füllung versehene Gefäßorna-
mentik. Die mit der Bronzezeit (Early Minoan I) auftretende Vasenmalerei
übersetzt zunächst nur diesen Stil in die neue Technik, dann aber erscheinen
krummlinige Muster, darunter die laufende Spirale3. Es folgt die erste mittel-
minoische Periode mit gut entwickeltem, zum Teil verästeltem Spiralornament,
dazu naturalistische Tierformen, dann der glänzende Stil der Kamaresgefäße
mit dieser eigentümlichen Mischung vegetabilischer und geometrischer Formen,
auf die ich noch zurückkomme (vgl. Taf. VIII, 3), endlich die unerschöpflich
reiche, naturalistische Formenwelt der kretischen Blütezeit. Die entscheidende
Wendung in dieser Entwicklung liegt zweifellos in der frühminoischen Kunst,
als der Bann der struktiv-gebundenen, abstrakt-geometrischen, eingeritzten
Ornamentik der Steinzeit gebrochen wurde und die Gefäßbemalung mit ihren
krummlinigen, „freien" Zierformen einsetzte. Welche Rolle der asiatische oder
ägyptische Orient bei der Geburt der minoischen Kunst gespielt hat, wird noch
sehr verschieden beurteilt, darüber aber, daß der Bruch mit dem, durch die
Jahrtausende gepflegten, „alteuropäischen" Stil nur durch, seien es nun eth-
nische oder bloß kulturelle, Beziehungen zu den alten südöstlichen Kulturzentren
erklärt werden kann, wird kaum mehr Zweifel bestehen4.
Diese Beispiele aus der prähistorischen Ornamententwicklung im westlichen
und östlichen Mittelmeergebiet mögen genügen zu folgenden Feststellungen:
das uns bekannte Formprinzip der nordischen neolithischen Kunst, welches
nichts anderes ist als das Bekenntnis zum reinen Ornament, ist zum Teil bis
im südlichsten Europa und darüber hinaus alleinherrschend gewesen und zwar
1. Pere H. Vincent, Canaan.
2. Hub. Schmidt in W. Dörpfeld, Troja und Ilion. 1902.
3. E. Reisinger, Kretische Vasenmalerei usw. 1912. Duncan Mackenzie rechnet die
Gefäße mit Spiralornament schon zur mittelminoischen Zeit.
4. Vgl. S. 44.