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UMKEHRUNGSERSCHEINUNGEN
dieser unmittelbar als das eigentliche, sternförmige Muster erscheint. Besonders
dann, wenn die Spitzen der Sternstrahlen den Rand nicht mehr berühren, ist
das Umschlagen von Grund in Muster, Muster in Grund entschieden (c. d); in e
hat sich die Fläche der Randlappen so sehr ausgedehnt, daß man ohne Kenntnis
der Übergangsformen nie dazu kommen würde, in den schmalen, harzausge-
füllten Armen des Kreuzes die Reste des alten Grundes zu sehen, um so weniger,
als an den Basen der nicht mehr erkennbaren Randlappen ein neues Randbogen-
ornament erscheint.
Bei diesem, in der M. III-Stufe äußerst beliebten Sternmuster verschwindet
das lineare Ornament; die Linie ist nur noch da als Kontur des Sterns, der nun
seine Strahlenspitzen mehr oder weniger einziehen kann, ihre Zahl vergrößern
oder verringern, ohne neue Gestaltungsmöglichkeiten in sich zu enthalten.
Von ungleich größerer Bedeutung für die Entwicklung der Form mußte es daher
sein, als die Aufmerksamkeit sich nicht mit der umrahmten Grundfläche be-
faßte, sondern auf das lineare Muster als solches gerichtet blieb.
Schon in der zweiten Montelius-Stufe ist die Tendenz zu beobachten, die
Elemente der Randbogenreihe straffer zusammenzufassen und der von der Mitte
der runden oder ovalen Fläche ausgehenden Anziehungskraft nachzugeben.
Die auf dem Rand stehenden Rundbogen werden gestelzt (Abb. 24b), sie ver-
wachsen seitwärts miteinander und zugleich vervielfachen sich die Scheitel-
linien : es ist als ob aller Saft in diesen der Mitte der Grundfläche zugekehrten
Teilen zusammenfließt. Dann folgt, bei den Schwertknaufen anscheinend noch
in der zweiten, bei den nordischen Schmuckdosen in der dritten Montelius-Stufe,
die entscheidende Wendung: die Bogenstelzen verlassen den Rand, es bleibt
ein breites, aus den Bogenscheiteln hervorgegangenes Wellenband mit spitzen
Wellenbergen, also wiederum ein sternförmiges Muster, diesmal aber als lineares
Ornament (Abb. 24c, d).
Diese ganze Entwicklung erinnert stark an jenen Vorgang der „Konzen-
tration", dessen wir bei der Erklärung des Kreisornaments gedachten, bei dem
sich aus der fortgesetzten Wiederholung der zum Kreise geschlossenen Rand-
linie mit immer kleinerem Radius ein zentrales Kreisornament ergeben mußte.
Indem sich aber auch beim Randbogenornament die Aufmerksamkeit von der
Peripherie, von der abtastbaren Grenze, d. h. von der äußeren Erscheinung des
Trägers auf dessen Kern zurückzog, trat zugleich eine eingreifende Wandlung
der Form ein: das Randornament wurde nicht nur Kemornament, sondern
aus der Reihe vieler, isolierter Elemente entstand ein einziges, in der
Mitte der Grundfläche zentralisiertes, nach außen differenzier-
tes Individuum. Statt der Vielheit der zu einer Reihe addierten, tektonisch
— durch den Rand — begründeten Elemente, sehen wir die Einheit eines radial
gebauten Wesens, das kraft einer inneren, unfaßbaren Energiequelle seine Or-
gane, die Sternstrahlen, aussendet. Hiermit ist zugleich der Unterschied zu den
in sich beschlossenen Zellen der früheren Bronzezeit bezeichnet: konnten wir
dort vergleichsweise von Keimzellen oder Samenkörnern sprechen, so ist dieses
neu entstandene ornamentale Individuum nur mit komplizierten, organisierten
UMKEHRUNGSERSCHEINUNGEN
dieser unmittelbar als das eigentliche, sternförmige Muster erscheint. Besonders
dann, wenn die Spitzen der Sternstrahlen den Rand nicht mehr berühren, ist
das Umschlagen von Grund in Muster, Muster in Grund entschieden (c. d); in e
hat sich die Fläche der Randlappen so sehr ausgedehnt, daß man ohne Kenntnis
der Übergangsformen nie dazu kommen würde, in den schmalen, harzausge-
füllten Armen des Kreuzes die Reste des alten Grundes zu sehen, um so weniger,
als an den Basen der nicht mehr erkennbaren Randlappen ein neues Randbogen-
ornament erscheint.
Bei diesem, in der M. III-Stufe äußerst beliebten Sternmuster verschwindet
das lineare Ornament; die Linie ist nur noch da als Kontur des Sterns, der nun
seine Strahlenspitzen mehr oder weniger einziehen kann, ihre Zahl vergrößern
oder verringern, ohne neue Gestaltungsmöglichkeiten in sich zu enthalten.
Von ungleich größerer Bedeutung für die Entwicklung der Form mußte es daher
sein, als die Aufmerksamkeit sich nicht mit der umrahmten Grundfläche be-
faßte, sondern auf das lineare Muster als solches gerichtet blieb.
Schon in der zweiten Montelius-Stufe ist die Tendenz zu beobachten, die
Elemente der Randbogenreihe straffer zusammenzufassen und der von der Mitte
der runden oder ovalen Fläche ausgehenden Anziehungskraft nachzugeben.
Die auf dem Rand stehenden Rundbogen werden gestelzt (Abb. 24b), sie ver-
wachsen seitwärts miteinander und zugleich vervielfachen sich die Scheitel-
linien : es ist als ob aller Saft in diesen der Mitte der Grundfläche zugekehrten
Teilen zusammenfließt. Dann folgt, bei den Schwertknaufen anscheinend noch
in der zweiten, bei den nordischen Schmuckdosen in der dritten Montelius-Stufe,
die entscheidende Wendung: die Bogenstelzen verlassen den Rand, es bleibt
ein breites, aus den Bogenscheiteln hervorgegangenes Wellenband mit spitzen
Wellenbergen, also wiederum ein sternförmiges Muster, diesmal aber als lineares
Ornament (Abb. 24c, d).
Diese ganze Entwicklung erinnert stark an jenen Vorgang der „Konzen-
tration", dessen wir bei der Erklärung des Kreisornaments gedachten, bei dem
sich aus der fortgesetzten Wiederholung der zum Kreise geschlossenen Rand-
linie mit immer kleinerem Radius ein zentrales Kreisornament ergeben mußte.
Indem sich aber auch beim Randbogenornament die Aufmerksamkeit von der
Peripherie, von der abtastbaren Grenze, d. h. von der äußeren Erscheinung des
Trägers auf dessen Kern zurückzog, trat zugleich eine eingreifende Wandlung
der Form ein: das Randornament wurde nicht nur Kemornament, sondern
aus der Reihe vieler, isolierter Elemente entstand ein einziges, in der
Mitte der Grundfläche zentralisiertes, nach außen differenzier-
tes Individuum. Statt der Vielheit der zu einer Reihe addierten, tektonisch
— durch den Rand — begründeten Elemente, sehen wir die Einheit eines radial
gebauten Wesens, das kraft einer inneren, unfaßbaren Energiequelle seine Or-
gane, die Sternstrahlen, aussendet. Hiermit ist zugleich der Unterschied zu den
in sich beschlossenen Zellen der früheren Bronzezeit bezeichnet: konnten wir
dort vergleichsweise von Keimzellen oder Samenkörnern sprechen, so ist dieses
neu entstandene ornamentale Individuum nur mit komplizierten, organisierten