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DER KÖRPERSCHMUCK

Selbstverzierung vor dem eigentlichen Ornament. Und weil der Körperschmuck
die begriffliche Voraussetzung für den Geräteschmuck ist, muß erwartet
werden, daß er auch die Geschichtliche Vorstufe bildet: ein Gedanke, der
sowohl durch die Ergebnisse der ethnologischen wie die der archäologischen
Forschung eine willkommene Stütze erhält.
Der Körperschmuck als geschichtliche Vorstufe des Geräte Schmucks. „Die
Entwicklung der Gerätverzierung“, sagt Grosse1, „bleibt auf der nied-
rigsten Kulturstufe weit hinter der Entwicklung des Körperschmucks zurück.
Selbst der armseligste Stamm des Feuerlandes besitzt schon einen verhältnis-
mäßig reichen Körperschmuck; und selbst die höchstentwickelten Jägervölker
des Nordens haben es nur zu einem sehr dürftigen Geräteschmuck gebracht.
Wenn man unter Geräteschmuck die Verzierung durch Ornamente versteht, so
ist er bei mehreren primitiven Gruppen überhaupt noch nicht vorhanden. Es
ist uns niemals gelungen, auf einem Grabstock oder auf einem Bogen der Busch-
männer ein Ornament zu entdecken, und ein ornamentiertes Erzeugnis der
Feuerländer gehört zu den größten Seltenheiten.“ Und umgekehrt: „Die
Sitte der Körperbemalung herrscht auf der niedrigsten Kulturstufe fast all-
gemein2.“
Aber auch die prähistorische Kunst scheint mir mit großer Wahrscheinlich-
keit das gleiche Verhältnis zwischen Körper- und Geräteschmuck zu bezeugen,
wenn auch genauere Untersuchungen in diesem Zusammenhang sehr erwünscht
wären. Die Tatsache, daß der geschmückte Körper verloren ging, erschw’ert
natürlich die Untersuchung ganz erheblich; das ganze, für die Anfänge des Kör-
perschmucks offenbar hervorragend wichtige Gebiet der Körperbemalung und
-tätowierung bleibt uns so ziemlich verschlossen. Dennoch ist die Beigabe von
Farbmösern, Reibsteinen und besonders von Farbresten (Ocker, Rötel) und die
Lagerung der Leichen auf Schichten von pulverisiertem Rötel in Italien (Grot-
ten von Grimaldi beiMentone), wie Frankreich (La Chapelle aux Saints, Cor-
reze; La Madeleine), Deutschland (Ofnethöhle) und Österreich-Mähren (Hunds-
steig bei Krems, Brünn, Predmost) so überraschend allgemein, daß wir wohl
eine paläolithische Körperbemalung mit Sicherheit annehmen können. Farb-
reste als Grabbeigaben finden sich schon im Altpaläothikum (Mousterien), wo,
soviel wir wissen, noch keine Höhlenmalerei existierte, und sie erscheinen zum
Teil auf Gebieten, die keine Höhlenmalerei gekannt haben (Löß von Brünn).
Die Tatsache, daß sowohl die beigegebenen Farbreste als auch das Material
der Höhlenmalereien nach Farbe und Beschaffenheit (Eisenoxydulverbindun-
gen), mit dem der bei den Naturvölkern für die Körperbemalung gebräuchlich-
sten übereinstimmt, scheint die von den Archäologen allgemein geteilte An-
nahme einer paläolithischen Körperbemalung zu bestätigen. Von besonderer
Bedeutung scheint in diesem Zusammenhang eine in Mammutzahn eingeritzte
Zeichnung aus Predmost (Taf. II, i), die uns eine aus einem System von pa-
rallelen Linien und konzentrischen Kurven zusammengestellte weibliche Figur
1. E. Grosse, Die Anfänge usw. S. in.
2. Ebenda S. 53.
 
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