l8o ABBAU DER FREMDEN — AUFBAU DER EIGENEN FORM
geht, daß von einer Einfassung oder Umrahmung überhaupt nicht mehr
gesprochen werden kann. Bei dem hier (Taf. XVIII, i) abgebildeten Stück aus
Schonen finden wir nicht weniger als 26 verschieden gemusterte Randstreifen,
so daß der Durchmesser der ,,umrahmten“ Darstellung noch nicht ein Viertel
des Gesamtdurchmessers erreicht. Das heißt aber: der Rand dient nicht dazu,
eine Fläche einzufassen oder einen besonderen geistigen Inhalt zu umgrenzen
und zu isolieren, sondern er selber wird zu einem bewegten Flächenmuster, das
neben der in ihm eingebetteten mittleren Darstellung völlig gleichwertig er-
scheint. Eine Besprechung der einzelnen Muster, denen wir in diesen Rand-
streifen begegnen, wäre unangebracht; unsere in der Größe des Originals ge-
haltene Abbildung zeigt sofort, daß es bei diesen dichtgedrängten, wie zu einem
Teppich zusammengenähten, gemusterten Streifen nicht auf das einzelne Motiv,
sondern auf die unerschöpflich reiche optisch-malerische Belebung der Fläche an-
kommt. Man beachte, wie das dreimal wiederholte, geperlte Flechtband, trotz der
gewissenhaften Ausführung, seine formale Bedeutung einbüßt, dann, wie die ge-
musterte Fläche ausdrücklich als solche charakterisiert wird, indem sie als
Grund zu den vier großen, in den Randstreifen ausgesparten Tieren zu beiden
Seiten des abwärts gerichteten Dreiecks erscheint: schon hier findet also ein
Wechsel zwischen Grund und Muster statt! Sogar dann, wenn das Muster der
Randstreifen aus eingestempelten Masken, Tieren, Tierköpfen usw. besteht,
schließen sich diese Motive, wie auch die Randstreifen, so eng zusammen, daß
die künstlerische Wirkung nicht so sehr auf der regelmäßigen Wiederholung der
gleichen Elemente in der Reihe, als wieder auf der teppichartigen Flächen-
musterung beruht1.
Voll zur Geltung kommt dagegen die Reihung, wenn in der Tat ein ab-
schließendes Randornament vorliegt. Es wurde schon hingewiesen auf die Kn opf-
und Zangenreihen um den Fibelkopfplatten; in der Übergangszeit zum späteren
Stil können auch verschlungene Tierfragmente in regelmäßiger Wiederholung
des gleichen Motivs die Kopfplatte umsäumen (vgl. Taf. XX). Besonders bei
den südgermanischen Fibeln treten an Stelle der Randknöpfe häufig Tierköpfe ;
in Ungarn können sogar die Seiten der Schnallenbeschlagplatten einen Saum
aus Vogelköpfen erhalten (Salin, Abb. 481). Im Norden ist es eine Gruppe von
gegossenen Fibeln aus Gotland und Öland, die besonders schöne Beispiele sol-
cher Vogelkopfreihen an Kopf- und Fußplatten bietet (Taf. XIX, i)2.
Volle Entwicklung des selbständigen frühen Stils. Durch den breiten Platz,
den der Abbau der so verschiedenartigen südlichen Formen beansprucht,
muß der Gesamteindruck, den die germanische Kunst besonders während des
früheren sechsten Jahrhunderts hervorruft, notwendigerweise etwas ver-
1. Ein gutes Beispiel bietet S. Müller, Nordische Altertumskunde II. Abb. 118.
2. Salin datiert diese Fibeln noch in das fünfte Jahrhundert, Brenner dagegen nach 540.
Soll die Verwandtschaft mit den ungarischen Arbeiten, sowie die große Zahl der
auf Gotland gefundenen Goldsolidi des Anastasius in der Tat mit der Wanderung
der Heruler im Zusammenhang stehen, so kann nur das sechste Jahrhundert in Frage
kommen. Aber auch die Anastasiusmünzen selber scheinen eine frühere Datierung zu
verbieten.
geht, daß von einer Einfassung oder Umrahmung überhaupt nicht mehr
gesprochen werden kann. Bei dem hier (Taf. XVIII, i) abgebildeten Stück aus
Schonen finden wir nicht weniger als 26 verschieden gemusterte Randstreifen,
so daß der Durchmesser der ,,umrahmten“ Darstellung noch nicht ein Viertel
des Gesamtdurchmessers erreicht. Das heißt aber: der Rand dient nicht dazu,
eine Fläche einzufassen oder einen besonderen geistigen Inhalt zu umgrenzen
und zu isolieren, sondern er selber wird zu einem bewegten Flächenmuster, das
neben der in ihm eingebetteten mittleren Darstellung völlig gleichwertig er-
scheint. Eine Besprechung der einzelnen Muster, denen wir in diesen Rand-
streifen begegnen, wäre unangebracht; unsere in der Größe des Originals ge-
haltene Abbildung zeigt sofort, daß es bei diesen dichtgedrängten, wie zu einem
Teppich zusammengenähten, gemusterten Streifen nicht auf das einzelne Motiv,
sondern auf die unerschöpflich reiche optisch-malerische Belebung der Fläche an-
kommt. Man beachte, wie das dreimal wiederholte, geperlte Flechtband, trotz der
gewissenhaften Ausführung, seine formale Bedeutung einbüßt, dann, wie die ge-
musterte Fläche ausdrücklich als solche charakterisiert wird, indem sie als
Grund zu den vier großen, in den Randstreifen ausgesparten Tieren zu beiden
Seiten des abwärts gerichteten Dreiecks erscheint: schon hier findet also ein
Wechsel zwischen Grund und Muster statt! Sogar dann, wenn das Muster der
Randstreifen aus eingestempelten Masken, Tieren, Tierköpfen usw. besteht,
schließen sich diese Motive, wie auch die Randstreifen, so eng zusammen, daß
die künstlerische Wirkung nicht so sehr auf der regelmäßigen Wiederholung der
gleichen Elemente in der Reihe, als wieder auf der teppichartigen Flächen-
musterung beruht1.
Voll zur Geltung kommt dagegen die Reihung, wenn in der Tat ein ab-
schließendes Randornament vorliegt. Es wurde schon hingewiesen auf die Kn opf-
und Zangenreihen um den Fibelkopfplatten; in der Übergangszeit zum späteren
Stil können auch verschlungene Tierfragmente in regelmäßiger Wiederholung
des gleichen Motivs die Kopfplatte umsäumen (vgl. Taf. XX). Besonders bei
den südgermanischen Fibeln treten an Stelle der Randknöpfe häufig Tierköpfe ;
in Ungarn können sogar die Seiten der Schnallenbeschlagplatten einen Saum
aus Vogelköpfen erhalten (Salin, Abb. 481). Im Norden ist es eine Gruppe von
gegossenen Fibeln aus Gotland und Öland, die besonders schöne Beispiele sol-
cher Vogelkopfreihen an Kopf- und Fußplatten bietet (Taf. XIX, i)2.
Volle Entwicklung des selbständigen frühen Stils. Durch den breiten Platz,
den der Abbau der so verschiedenartigen südlichen Formen beansprucht,
muß der Gesamteindruck, den die germanische Kunst besonders während des
früheren sechsten Jahrhunderts hervorruft, notwendigerweise etwas ver-
1. Ein gutes Beispiel bietet S. Müller, Nordische Altertumskunde II. Abb. 118.
2. Salin datiert diese Fibeln noch in das fünfte Jahrhundert, Brenner dagegen nach 540.
Soll die Verwandtschaft mit den ungarischen Arbeiten, sowie die große Zahl der
auf Gotland gefundenen Goldsolidi des Anastasius in der Tat mit der Wanderung
der Heruler im Zusammenhang stehen, so kann nur das sechste Jahrhundert in Frage
kommen. Aber auch die Anastasiusmünzen selber scheinen eine frühere Datierung zu
verbieten.