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KUNST DES SÜDLICHEN AUSSTRAHLUNGSGEBIETS

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aus Ballas, Ägypten.
Steinkupferzeit.

Abb. 8. Naturalistische
Gefäßbemalung


sicher: Wenn diese streng geometrischen, eingeritzten Stilarten auch eine be-
deutsame Übereinstimmung mit den alteuropäischen Entwicklungserschei-
nungen bieten, so stehen wir bei der Frage, was sich denn aus dieser Kunst ent-
wickelt hat, vor einem Rätsel. Denn wir sehen nun nicht etwa, daß sich an diese
eingeritzte Keramik eine erste Gefäßbemalung anknüpft, die die alten geometri-
schen Muster in die neue Technik übersetzt, in Farben wiederholt, um dann all-
mählich und unterstützt durch das freiere Verfahren zu immer lebendigeren
Formen zu gelangen. Sondern im Gegensatz zu dieser—ich möchte sagen: in alt-
europäischem Geiste verlaufenden — Entwicklung, wie sie in der Tat in einzelnen
Gebieten, in Palästina, auf Kreta und den Kykladen, nachzuweisen ist, zeigt
schon die früheste bemalte Keramik in Elam (Mussian) und Ägypten (Nagada,
Ballas, Abydos, Toukh usw.), eine ausgesprochene Neigung zur Naturdarstel-
lung und eine Frische und Sicherheit in der Auffassung der Naturformen, die
jeden Zusammenhang mit den eingeritzten, geometrischen Stilarten ausschließt.
Zwar kann die Gefäßmalerei auch das geometrische Muster übernehmen und
immer reichere Zusammenstellungen erfinden. In gewissen ägyptischen Stil-
gruppen kann es sogar rein und ausschließlich auftreten und dann, wie bei den
weißzinkrustierten, schwarzen Gefäßen, stark an gewisse spätneolithische For-
men Mittel- oder Südeuropas anklingen oder auch, wie bei den weiß auf roten Ge-
fäßen, eine bewußte Anlehnung an Korbflechtereien aufweisen, ein sicheres
Zeichen späterer Entwicklung. Es unterliegt aber nicht dem geringsten Zweifel,
daß neben dieser geometrischen Ornamentik und sich nicht erst aus ihr ent-
wickelnd eine überraschend lebendige Naturdarstellung vorhanden war (Abb. 8).
Für die völlige Selbständigkeit dieser naturalistischen Kunst liefert uns be-
sonders das vordynastische Ägypten den Beweis, weil sie sich dort nicht nur
in der Gefäßverzierung betätigt, sondern auch in Felsenzeichnungen, der deko-
rativen Ausgestaltung von Griffen an Löffeln, Kämmen usw., besonders aber
in den zahllosen gefundenen Tierstatuetten, bei denen das Verständnis für die
Naturform oft geradezu verblüffend ist. Und es sei betont: wo ein genetischer
Zusammenhang zwischen naturalistischen und geometrischen Formen nach-
 
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