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(AW 6OW
der Neid macht das Gute, das sie wirklich an
sich hat, klein, und bey Unverständigen erweckt
er auch sehr oft einen ungegründeten Haß, we-
nigstens eine Geringschätzung der Tugend. Sie
sucht sie mit Liebe zu gewinnen. Ihr Her; ent-
brennet gleichsam, wenn sie Bedürftige und Noch-
leidende sieht, sie bemühet sich, Elenden zu hel-
fen , auch die Feinde liebt sie und bemühet sich
durch Wohltharen und Dienste feurige Kohlen
auf ihre Häupter zu sammeln, denn die Tugend
liebt alle Menschen wie sich selbst, und folgt der
weisen Vorschrift, was sie will, daß ihr andere
thun sollen, das thut sie ihnen selbst. Sie wen-
det also so viel an als in ihrem Vermögen steht,
die Noch und das Elend anderer zu erleichtern,
die sie um sich sieht. Sie theilt deßwegen ihr Ver-
mögen sorgfältig ein, um vor die Armen einen
ansehnlichen Theil übrig zu behalten. Daher
macht sie keine unnöchigen Verschwendungen
und lebt mäßig. Denn sie weiß, warum man
die zeitlichen Güter des Lebens bat, sie wuchert
einen erlaubten Wucher, einen solchen, der ein-
mal reiche Interesse in jenen ewigen Wohnungen
bringet, sie lebt deßwegen mäßig, weil sie weiß,
daß man in Dieser Welt nicht hbet, damit man
nur esse, sondern daß man esse und trinke, damit
man lebe. Ihr Leben aber ist stille, sittsam, gon>
selig, und keusch. Man darf es nicht wagen,
vor ihre Ohren zweydeutige und auf Schrauben
gesetzte Reden zu dringen, welche der größte
Witz der verderbten Leure angefühm hat, um
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der Neid macht das Gute, das sie wirklich an
sich hat, klein, und bey Unverständigen erweckt
er auch sehr oft einen ungegründeten Haß, we-
nigstens eine Geringschätzung der Tugend. Sie
sucht sie mit Liebe zu gewinnen. Ihr Her; ent-
brennet gleichsam, wenn sie Bedürftige und Noch-
leidende sieht, sie bemühet sich, Elenden zu hel-
fen , auch die Feinde liebt sie und bemühet sich
durch Wohltharen und Dienste feurige Kohlen
auf ihre Häupter zu sammeln, denn die Tugend
liebt alle Menschen wie sich selbst, und folgt der
weisen Vorschrift, was sie will, daß ihr andere
thun sollen, das thut sie ihnen selbst. Sie wen-
det also so viel an als in ihrem Vermögen steht,
die Noch und das Elend anderer zu erleichtern,
die sie um sich sieht. Sie theilt deßwegen ihr Ver-
mögen sorgfältig ein, um vor die Armen einen
ansehnlichen Theil übrig zu behalten. Daher
macht sie keine unnöchigen Verschwendungen
und lebt mäßig. Denn sie weiß, warum man
die zeitlichen Güter des Lebens bat, sie wuchert
einen erlaubten Wucher, einen solchen, der ein-
mal reiche Interesse in jenen ewigen Wohnungen
bringet, sie lebt deßwegen mäßig, weil sie weiß,
daß man in Dieser Welt nicht hbet, damit man
nur esse, sondern daß man esse und trinke, damit
man lebe. Ihr Leben aber ist stille, sittsam, gon>
selig, und keusch. Man darf es nicht wagen,
vor ihre Ohren zweydeutige und auf Schrauben
gesetzte Reden zu dringen, welche der größte
Witz der verderbten Leure angefühm hat, um
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