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Ausstellung Chinesische Malerei der Gegenwart <1934, Berlin; Düsseldorf> [Editor]; Preussische Akademie der Künste [Contr.]; Gesellschaft für Ostasiatische Kunst [Contr.]
Ausstellung Chinesische Malerei der Gegenwart: veranstaltet unter Förderung durch die Regierung der Chinesischen Republik von der Gesellschaft für Ostasiatische Kunst und der Preußischen Akademie der Künste Berlin. 20. Januar bis 4. März — Berlin: Würfel, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.66378#0022
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Poesie, Schrift und Malerei betrachtet, so findet man kaum einen
wesentlichen Unterschied. Wenn ihre Technik hier auch verschieden ist,
so ist ihre innere geistige Beweglichkeit ein und dieselbe. So ist eö
ähnlich wie wenn man drei Brunnen bohrt, die eine gleiche Quelle
haben. Mi Fei (iosi—1107) aus derSung-Aeit sagte einmal,daß die
Malerei ein Gedicht wäre, das nur nicht vorgetragen werden kann.
Kuo Hsi sagt ebenfalls: „Malen lernen ist nichts anderes als Schön-
schreiben lernen". Ch'ien Sun-Hua meint, der literarische Geschmack
in der Malerei sei ähnlich wie das Li-shu (eine besonders strenge
Schriftform) in der Schönschreibekunst. Daher sind die chinesischen
Literaten, die die Malkunst beherrschen, auch unbedingt Meister der
Schönschreibekunst, da die Malmethode der Schreibmethode gleich ist.
Ch'en Chi-ju aus der Ming-Ieit sagt: „Die Malerei ist eine Art von
Hsiang-hsing(Bilderschrift)".WennwirdasGesagtezusammenfaffen,
so können wir folgendes feststellen: Ein geistiges Produkt, das in
poetischer Form zum Ausdruck gebracht wird, ist ein Gedicht, das durch
Schrift zum Verständnis gebracht wird, ist ein Werk der Schreibkunst,
und das durch gestaltende Form herausgebracht wird, ist ein Gemälde.
Solcher, die gleichzeitig Meister aller drei Künste sind, sind in China
viele. Ein Maler, der außer seiner eingeübten Unterschrift nicht kunst-
voll schreiben kann, hat in den Herzen der Chinesen die Stellung eines
Malers verloren. Er wäre höchstens ein Kunstgewerbler, aber kein
freier Künstler mehr, denn die Malerei ist der Ausdruck der inneren
geistigen Beweglichkeit und des inneren Ideals. Sie ist das Leben, das
volle Lebendigkeit besitzt, sonst wäre sie nicht mehr zu unterscheiden
von der Photographie. Die Kunst liegt eben darin, daß man versteht,
seinen individuellen Charakter und den rhythmischen Wohlklang
seines Wesens zum Ausdruck zu bringen. Durch die Pflege der Poesie
und der Schreibkunst wird der individuelle Charakter des Malers so
 
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