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Hausmann, Raoul; Große Berliner Kunstausstellung <1921, Berlin>
Führer durch die Abteilung der Novembergruppe: Kunstausstellung Berlin 1921 — Berlin: Otto Elsner, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.47093#0008
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Fesseln und Grenzen einer rein im Verstandsmäßigen und
Besitzgebundenen erstarrten Weltanschauung ankämpft,
heraus und sie kann nur Sprache werden, wenn in ihr die
Willkür, der Zufall und der Eg oismus einer beschränkten
Individualität überwunden ist durch ein Bewußtsein der
Verbindlichkeit als menschliche Gemeinschaftsangelegen-
heit. Die Erneuerung der Kunst wird nur gleichzeitig mit
der Erneuerung der Gesellschaft, mit einem Weltbewußt-
sein geboren, das gebrochen hat mit jeglicher Form der
Unterdrückung und der Ausbeutung, das erkannt hat, daß
Sklaverei und Besitz nicht der Sinn der Welt und die das
Universum bewegenden Kräfte sind. Wir müssen einsehen,
daß wir uns in unserer gebräuchlichen Lebensform, mit der
naturalistischen Auffassungsweise, nur noch mit erstarrten
und leblosen Abklatschen, mit Klischees des wirklichen
Lebens aus Gewohnheit. Bequemlichkeit und Gedanken-
losigkeit umgeben und daß die Versuche der neuen Kunst,
so ungewohnt und befremdlich sie uns auch erscheinen
mögen, doch eine nähere Beziehung zum Leben und seinen
gestaltenden Kräften vermitteln, als die übliche Dar-
stellungsart in den Künsten,
Unsere Zeit ist eine Epoche des Absterbens und
gleichzeitig des Neuauflebens, des W erdens gegenüber
einer alten Welt des Seins, des Gewordenen, der festen
Sitten und Gebräuche, des starren Besitzrechtes und der
dinglich begrenzten Schönheit, Diese untergehende Welt
war eine Weit vor allem des ruhenden Raumes —, wir sind
im Begriff, in eine Welt der Zeit und der dynamischen
Kräfte zu schreiten, in der eine ungeheuere Bewegung und
Bewegtheit alte Grenzen auflöst und die Fesseln sprengt.
Auch in der Optik erleben wir ein Gleiches. Wir sehen
in der Natur kein Ding mehr ruhend, durch die mechanische
und technische Entwicklung haben wir gelernt, die Be-

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