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Hausmann, Raoul; Große Berliner Kunstausstellung <1921, Berlin>
Führer durch die Abteilung der Novembergruppe: Kunstausstellung Berlin 1921 — Berlin: Otto Elsner, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.47093#0015
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baut uns die Frau, die Erdenmutter mit dem Kinde, auf. In den
nun folgenden Gemälden formt ein Kreisen und Strahlen von
Blau, das sich über ein gelbgrünes Werden ergießt, in kosmischer
Landschaft aufgelöst, den Menschen in hingegebener Bewegtheit;
im ,,Liebesgarten“ flammen orange Lüste um den Menschen
zwischen stechendem und greifendem Blattgefächere; das Bild
„Italien“ ist eine traumhafte Verdichtung der Kräfte einer
Stadt — in rosaorange Morgenfrühe baut sie sich berghaft auf,
zeigt violettschattige Kirchenhallen und schwarz-weiße Priester-
abstraktion, winkt mit kühlem Blau und dem kräftigen Grün der
Palme und der gelblichen Zitrone — eine Traumgestaltung von
merkwürdiger Realität, Ganz ins Dingliche übertragen und doch
wieder traumhaft: eine Stube in warmem Gelb und in leuchten-
dem Rot gibt das Umschlossensein, aber nicht Beengte, An
der nächsten Wand leuchtet der hastige in starken Farben die
Figuren und Dinge auflösende Rhythmus der Stadt und des
Bahnhofs, verschiedene Eindrücke werden beinahe gleichzeitig,
überstürzen sich, Worte, Buchstaben bleiben im Auge haften.
In ungewissem Violett und Bräunlichgelb treibt Erwartung, selt-
same Formen, wie langsames Entblättern eines Blumenorganis-
müs. Wir schreiten 'weiter zum Gemälde „Asket“. Messerscharf
und hart steilen Formen vor dem Menschen, der sich in einem
dunkelglühenden Schwarzrot windet wie in Entschlossenheit sich
aufzulehnen gegen das weiche Grüngelb der Pflanzen und in
dem dornengleichen Schwarz alles Freudige, Lebenbejahende
verströmen zü lassen. Wie kontrastiert hiermit der „Schieber“,
der in Rot und Blau als satte Kugelgestalt, als exzentrische
Selbstgefälligkeit thront; neben ihm leuchtet das Paradies —
freudiges Hoffen der zwei Menschen in klarem Gelb von Blau
umbaut. Dann dämmert ein Abend in Violett verborgen; und
dann breitet sich vor uns die Frage des Ja oder Nein aus, Starres
behauptet sich vergeblich neben Verwehendem, Blaugrauem,
Aengste verfärben sich gelbrot, fahl durchkreuzen Helligkeiten
den Grund — wird es Ja oder Nein werden, wird es Ent-
scheidung werden? Wir können es nicht entscheiden und wenden
uns „Pieta“ und „Synthese", deren magisches Leuchten in uns
aufnehmend,- zu.
In der Mitte dieses Saales steht die Plastik j,Wandlung”;
aus dem vergehenden alten Adam strebt ein neuer dem Licht
und der Freiheit entgegen,
Saal 27
Dieser Saal ist seiner Größe wegen weniger einheitlich als
der vorhergehende. Wir sehen in ihm Abstraktion, Formkost-
barkeiten, neben beinahe hieroglyphischer Linienrhythmik und

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