Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Akademie der Künste [Editor]
Ausstellung neuer amerikanischer Baukunst: Januar 1926 — Berlin: Verlag der Akademie der Künste zu Berlin, 1926

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.48597#0033
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
und Herrera, alles haben wir sorgfältig durchstöbert, das Beste ent-
nommen.
Diese übernommenen Formen dienten uns aber gewissermaßen
nur als Mantel. Nicht ohne Geschmack bekleiden sie den amerika-
nischen Körper aus Stahl und Zement. Amerikas eigenste Bei-
träge sind hierbei eben das innere — das Stahlgerüst —, die Kon-
struktion, an der die Wände aufgehängt, nicht mehr aufgemauert
sind —, der Eisenbeton, ein neues Element in der Architektur —, dazu
der schnellfahrende Aufzug und andere mehr funktionelle Dinge.
Auf dem Gebiet der Dekoration haben wir nur das Verdienst, es zu
großem Geschick und Gewandtheit in Wahl, Wandlung und Verwen-
dung des Besten aller Zeiten gebracht zu haben. Und — es sei nicht
vergessen — eine goldene Frucht aus unserem eigenen Garten, das
gedankenreiche Werk Louis Sullivans, wartet noch darauf, ein künf-
tiges Geschlecht zu entzünden.
Das sind so die Grundlagen, auf denen ganz besonders unsere
Wolkenkratzer entstanden sind. Häuser von einer Höhe, die man
bis zum Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht kannte. Häuser mo-
derner Konstruktion. Und alle frisch und fröhlich geziert mit Motiven
aller Zeiten und Länder. Parihenonsäulen, Strebepfeiler von der Hagia
Sophia, Schwibbogen von Amiens, Gesimse vom Palazzo Farnese
und Versailles, schauen — aus unberechenbarer Höhe — hinab auf
das Gewimmel unseres Verkehrs und unserer Maschinen. Um die
hellerleuchteten Wände der Riesenhäuser spielen die Schatten von
Flugzeugen, die
„laugh as they pass in ihunder, —
während „sublime on their lowers‘‘
„the mysterious antennae“
„join cape io cape a torrent sea"*L
So mancher Kritiker unserer Architektur hat es uns übel ver-
dacht, daß wir die Gärten der Hesperiden beraubt, daß wir noch
keinen eigenen Schmuck erfunden haben für doch selbst erdachte
und konstruierte Häuser. Aber die Benutzung von Vorgängen ist
schließlich keine moralische Frage, sondern nur Sache guter Manie-
ren. Und wie auch andere Eroberer haben wir genommen, was wir
brauchten.
Vor 1893 gab es bei uns noch keine Art von Bauten, in denen
wir die Mutterländer überragten oder auch nur erreichten, wenn-
*) lachen im Voriiberrauschen —
während „auf unberührter Höhe ihrer Türme
geheimnisvoll Antennen
von Pol zu Pol das Wellenmeer verbinden.“
2*

19
 
Annotationen