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Musik nur irgend zulassen. Er ist mit der italienischen Oper
grofs geworden und benutzte unbedenklich ihre Formen, aber
allmählich wurde der Deutsche in ihm wach und gab jenen
Formen eine andere Bedeutung; von den Romanen hatte er
die feinen Finger für die formale Linienführung, sein ger-
manisches Blut machte ihn zum Charakterisierungskünstler.
Um zu begreifen, wie weit sich Mozart als Opernkomponist
über seine zeitgenössischen Kollegen hinaushob, ist das beste
Mittel eine Vergleichung seiner Hauptwerke mit einigen
italienischen Opern, die damals gerade besonders beliebt und
berühmt waren. Nehmen wir z. B. Martins »Cosa rara«, deren
Erfolg den von »Figaros Hochzeit« in Wien weit übertraf und
Salieris »Axur«, der dem »Don Giovanni« im Wege stand.
Die »Cosa rara« hat auch in deutscher Bearbeitung als »Lilla
oder Schönheit und Tugend« eine ungeheure Verbreitung er-
langt und ist in Süd- und Norddeutschland mit gleicher Be-
geisterung aufgenommen worden. Das Werk enthält eine
Anzahl hübscher, aber flacher Melodien und kaum Ansätze zu
wirklicher Charakteristik; höchstens das Allgemeine einer
Situationsstimmung wird leise betont. Wie ein Tonsetzer jedoch
in das Wesen der Handelnden eindringen könne, das ahnt
Martin noch nicht. Salieris »Axur« steht wohl etwas höher,
die Erfindung erscheint interessanter, die Harmonik vielleicht
reicher als in der »Cosa rara«, im Grunde nehmen aber beide
dem Problem der Opernmusik gegenüber dieselbe Stellung ein,
und in beiden ist das Orchester nichts als Begleitung, als die
den Gesang stützende, harmonische Grundlage.
Mit der Orchesterbehandlung setzt nun Mozarts Reforma-
tionstätigkeit in der Oper ein: der Instrumentenkomplex bleibt
ihm nicht mehr ein blofses Werkzeug der Gesangsbegleitung,
sondern wird ein höchst bewegliches Organ zur Verdeutlichung
der szenischen Vorgänge, ein Hauptmittel des dramatischen
Musik nur irgend zulassen. Er ist mit der italienischen Oper
grofs geworden und benutzte unbedenklich ihre Formen, aber
allmählich wurde der Deutsche in ihm wach und gab jenen
Formen eine andere Bedeutung; von den Romanen hatte er
die feinen Finger für die formale Linienführung, sein ger-
manisches Blut machte ihn zum Charakterisierungskünstler.
Um zu begreifen, wie weit sich Mozart als Opernkomponist
über seine zeitgenössischen Kollegen hinaushob, ist das beste
Mittel eine Vergleichung seiner Hauptwerke mit einigen
italienischen Opern, die damals gerade besonders beliebt und
berühmt waren. Nehmen wir z. B. Martins »Cosa rara«, deren
Erfolg den von »Figaros Hochzeit« in Wien weit übertraf und
Salieris »Axur«, der dem »Don Giovanni« im Wege stand.
Die »Cosa rara« hat auch in deutscher Bearbeitung als »Lilla
oder Schönheit und Tugend« eine ungeheure Verbreitung er-
langt und ist in Süd- und Norddeutschland mit gleicher Be-
geisterung aufgenommen worden. Das Werk enthält eine
Anzahl hübscher, aber flacher Melodien und kaum Ansätze zu
wirklicher Charakteristik; höchstens das Allgemeine einer
Situationsstimmung wird leise betont. Wie ein Tonsetzer jedoch
in das Wesen der Handelnden eindringen könne, das ahnt
Martin noch nicht. Salieris »Axur« steht wohl etwas höher,
die Erfindung erscheint interessanter, die Harmonik vielleicht
reicher als in der »Cosa rara«, im Grunde nehmen aber beide
dem Problem der Opernmusik gegenüber dieselbe Stellung ein,
und in beiden ist das Orchester nichts als Begleitung, als die
den Gesang stützende, harmonische Grundlage.
Mit der Orchesterbehandlung setzt nun Mozarts Reforma-
tionstätigkeit in der Oper ein: der Instrumentenkomplex bleibt
ihm nicht mehr ein blofses Werkzeug der Gesangsbegleitung,
sondern wird ein höchst bewegliches Organ zur Verdeutlichung
der szenischen Vorgänge, ein Hauptmittel des dramatischen