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Meyer, Hans; Königliche Akademie der Künste zu Berlin [Contr.]
Die graphische Kunst: Rede zur Feier des allerhöchsten Geburtstages Seiner Majestät des Kaiser und Königs am 27. Januar 1908 in der öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie der Künste — Berlin: Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.70860#0011
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diese Technik allmählich, bis sie durch Leistungen eines Eduard
Mandel, wie sein Porträt des Großen Kurfürsten oder das
Karls I. von England nach van Dyck, zu einer Höhe geführt
wurde, über die hinaus es nicht weiter ging, die man be-
wundern mußte, die aber dennoch fast auf Kosten der
geistigen Bedeutung des Originals hervortrat. Das zur
Manier erstarrte vorgeschriebene System der Darstellung
war auf einem Punkte angelangt, der ein Wendepunkt sein
mußte. Und an diesem Wendepunkte traf die Kupferstech-
kunst plötzlich zusammen mit einer am Wege stehenden
Unbekannten, die ihren Kopf unter ein schwarzes Tuch
gesteckt hatte und sich mit einem schwarzen Kasten zu tun
machte, mit der Photographie.
Die Maler, die früher die vervielfältigenden Künstler
wohl zu schätzen wußten — wie hatte Rafael seinen Mark
Anton geschätzt —, weil sie in ihnen die Apostel ihres
Ruhmes mit Recht sahen, breiteten sofort der neuen Er-
findung die Arme entgegen. Jetzt konnte ja mit ihrer leicht
zugänglichen Hilfe jedes Werk schnell und ergiebig ver-
breitet werden über den ganzen Erdkreis, jetzt war kein
langsamer und manchmal eigensinniger Kupferstecher mehr
nötig, ja, keine Selbstanstrengung mehr unerläßlich zu einer
Massenverbreitung. — Die eigenhändige Wiedergabe ihrer
Werke hatten die Maler ohnehin fast aufgegeben, die
Technik des Radierens war fast in Vergessenheit geraten,
wenn auch einzelne Künstler, wie Joseph Anton Koch,
Reinhardt, Ludwig Richter, Andreas Achenbach, Caspar
Scheuren, Adolf Schrödter, Wilhelm Schirmer, um nur einige
Namen zu nennen, gelegentlich noch zur Radiernadel griffen.
— Aber die Kupferstecher saßen nach wie vor mit emsigem
Fleiße und zäher Ausdauer bei ihrer Arbeit, durch die un-
zähligen Linien und Pünktchen dem widerspenstigen Metalle
das Bildnis einzugraben, mit dem sie ein irgendwo in der
 
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