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Meyer, Hans; Königliche Akademie der Künste zu Berlin [Contr.]
Die graphische Kunst: Rede zur Feier des allerhöchsten Geburtstages Seiner Majestät des Kaiser und Königs am 27. Januar 1908 in der öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie der Künste — Berlin: Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.70860#0017
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der Seele des Beschauers seine Übermacht dartun. Denn
nur was aus dem Herzen kommt, kann wieder zum Herzen
sprechen und hat dauernde Macht zu fesseln.
Und so ist es denn nur freudig zu begrüssen, daß trotz
aller Fortschritte der Photographie die Künstler, die Maler
selber sich wieder an die Arbeit machen, sich graphisch zu
betätigen. — Auf allen Ausstellungen bilden die Schwarz-
Weiß-Abteilungen mit Recht einen wesentlichen Teil der
Unternehmung. Die Maler gewöhnen sich allmählich wieder
daran, sich eigenhändig an die weitere Verbreitung ihrer
Gedanken und plötzlichen Eingebungen zu machen. Auch
die Lithographie, die als erste von den reproduzierenden
Künsten der Photographie zum Opfer fiel, und die während
mehrerer Jahrzehnte gestorben schien, ist neu erwacht und
treibt kräftige Blüthen.
Die Radierung ist zu vollem Leben wieder erstanden.
Trotz der mühevollen Technik und der unausbleiblichen
Mißerfolge, die den Neuling in dieser Kunst erwarten, dringen
die mutigeren und ausdauernderen unter den Malern vor
bis zur souveränen Herrschaft über diese Technik, und von
allen Seiten, von allen Zweigen des geheimnisvollen Urwaldes,
in dem die Kunst wohnt, tönt es und klingt es. Ein jeder
singt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und gerade die
zeichnende Kunst, die Griffelkunst, wie sie der Radierer
Max Klinger genannt hat, ermöglicht und fördert dieses
Singen mit eigenem Schnabel. — Wenn nur einer wirklich
etwas zu sagen hat, es klingt immer gut, und so ist denn
eine Freude, in diesem Konzerte die Stimmen echter Sänger
zu unterscheiden und zu vernehmen.
Man nennt uns Deutsche ja gern das Volk der Dichter
und Denker. — Ich weiß zwar nicht, ob dies Epitheton,
wenn es von ausländischen Lippen kommt, immer ein Lob
sein soll. Ich akzeptiere es aber als solches und wünsche
 
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