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Braunschweigischer Vereinigter Kloster- und Studienfonds [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Grote, Rolf-Jürgen [Oth.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Kaiserdom in Königslutter: ein Kulturdenkmal auf dem Prüfstand ; interdisziplinäre Service-Leistungen der Denkmalpflege an einem national bedeutenden Kunstwerk — Hannover: Inst. für Denkmalpflege, Heft 14.1996

DOI issue:
Königsfeld, Peter: Die Raumausmalung
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51145#0013
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11

fassendes Ausmalungsprogramm, mit
dem er, „soweit als die verfügbaren
Geldmittel erlaubten, die Wiederher-
stellung der ursprünglichen Ausstattung"
anstrebte.11 Die Überreste alter Male-
reien wurden respektiert und als Aus-
gangspunkte der Gestaltung benutzt,
auch dort, wo sie mit dem Konzept der
„Stylgemäßheit" nicht übereinstimm-
ten12. In der Apsis sind sie „in alter Wei-
se" wiederhergestellt, das heißt durch
Nachziehen der Konturen und farbiges
Auslegen der Binnenflächen in die
Neuausmalung einbezogen worden, an
den Langhauspfeilern und am Gewölbe
des Untergeschosses zwischen den Tür-
men mehr oder weniger unberührt be-
lassen.
Der auf dieser Grundlage gestaltete In-
nenraum zerfällt in zwei deutlich von-
einander geschiedene Raumkomparti-
mente: Chor und Querhaus stehen,
durch die bunten Glasfenster mystisch
verschattet, im dunklen Gewand der
starkfarbigen Ausmalung, das Langhaus
setzt sich dagegen, von klar verglasten
Obergadenfenstern erhellt, mit seinen
Wand- und Deckenmalereien in licht
pastelligen Tönen deutlich ab. Diese
Unterschiedlichkeit ist von Essenwein in
seinem Gutachten vom 22.11.188713
bewußt entwickelt, aber durch das teil-
weise Überstreichen der Langhausaus-
malung 1956/57 in unerträglicher Weise
verstärkt worden.14
Aus der Verteilung in ihrer Qualität un-
terschiedlicher Malereibefunde glaubte
Essenwein folgern zu müssen, daß die
Steigerung des Raumerlebnisses hin
zum Chor mit malerischen Mitteln ein
wesentliches Element der originalen
mittelalterlichen Ausmalung gewesen
sei. Davon ausgehend stellte er sich das
Innere als einen Prozessionsweg vor,15
der den Gläubigen von Westen hin zum
Allerheiligsten in der Apsis führt. So

konzipiert er das heute noch großen-
teils erhaltenen Dekorationssystem, das
sich im Langhaus - seinen Worten zufol-
ge - als relativ bescheidene „Tüncherar-
beit" darstellt, im Querhaus zu aufwen-
digeren Formen findet und schließlich in
Chor und Apsis überaus reich entfaltet.
Pragmatisch verband Essenwein die
den Raum konstituierenden, aus unter-
schiedlichen Zeiten stammenden Bau-
elemente. Sogar die erst 1693-1696
neuerrichteten Langhausgewölbe wur-
den „mit einer dem Charakter ihrer Zeit
entsprechenden Ausmalung versehen".16
Mit Mitteln farblicher Gestaltung struk-
turiert, differenziert und verbindet er
- im Sinne eines Gesamtkunstwerkes -
die verschiedenen Architekturteile. „Tat-
sächlich ist jedoch die Steigerung des
Raumerlebnisses auf den Höhepunkt des
Chors ein Strukturprinzip aller Essenwein-
schen Ausstattungskonzepte"17, das in
Königslutter auch den Choraltar mit
dem dahinterstehenden Säulenkreuz,
den Altar unter dem Triumphbogen, wei-
terhin Kanzel, Gestühl, Empore, Orgel,
Türen, Pendelleuchten und andere Teile,
die nicht mehr existieren, umfaßte.18
Wandmalereien
Das Aussehen der 1956 stark reduzier-
ten Darstellungen im Langhaus läßt sich
aus älteren fotografischen Aufnahmen
erschließen. Sie interpretierten den Ge-
sang der drei Männer im Feuerofen, wo-
nach auch die Elemente, die Gestirne
und Tageszeiten den Herrn loben (Dan
3, 51-90; Ps 19, 2; Ps 69, 35, Ps 148):
Jochweise geordnet standen Verkörpe-
rungen der vier Elemente an der Süd-
wand und der vier Tageszeiten an der
Nordwand vor dem Fugenwerk einer
Mauer, die mit ihrem Zinnenkranz bis in
den Obergaden hineinreichte. Die ihnen
beiderseits zugeordneten vier symboli-
schen Tiere- Drache, Adler, Delphin und

Löwe- waren achsial auf jeweils zwei
kleine dreikugelige Bäume bezogen. Im
Obergaden wuchsen früchtetragende
Palmen, an deren Blättern Öllampen
hingen.
An den Wänden des Querhauses singen
und musizieren Engelchöre das Lob des
Herrn, wobei ihnen im südlichen Kreuz-
arm alttestamentarische Texte, im Nord-
arm neutestamentarische beigegeben
sind. Am Übergang zum Chor sind über
den Basen der Vierungspfeiler die groß-
figurigen Idealporträts der Kirchenstif-
ter, Kaiser Lothars III. und seiner Gattin
Richenza, angebracht, zum Langhaus
der den Übergang vom Alten zum Neu-
en Bund markierende Johannes der Täu-
fer mit dem Opferlamm und Moses mit
den Gesetzestafeln als alttestamentari-
sche Konkordanz zu Christus. Im Ober-
gaden halten zwei Engel das Siegel als
Hinweis auf Gottes Allmacht und Regie-
rung. Ihnen zu Seiten wachsen Feigen-
bäume als Sinnbild der in sich ruhenden
gesunden Kraft der Gerechtigkeit und
Frömmigkeit: „Wie man die Gesundheit
des Baumes an seinen Früchten erkennt,
so den Gerechten an seinen Werken"
(Mt 7, 17-18). Darauf bezogen sind
friesartig je 7 Tugenden an den beiden
Chorwänden aufgereiht und treten als
Zeichen der Überwindung die Nacken
der sich zusammenkrümmenden Laster
mit ihren Füßen.
Das Chorgewölbe zeigt das zinnenbe-
wehrte Himmlische Jerusalem, umran-
det von der die Vision des Johannes
schildernden Textstelle (Offb 21, 2ff.):
„Und ich Johannes sehe die heilige
Stadt, das neue Jerusalem". Aus ihrem
Untergrund verströmen in den Gewöl-
bezwickeln die vier personifizierten
Paradiesflüsse Phison, Geon, Euphrat
und Tigris das Wasser des ewigen
Lebens (Gn 2, 10-14). Aus radial in den
Mauern angelegten Toren treten 12 Pro-
 
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