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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Hildesheimer Zentralfriedhof — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 17.1998

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Ausblick: Zur Bedeutung und Erhaltung historischer Sepulkralarchitektur auf modernen Friedhöfen, dargestellt am Beispiel des Hildesheimers Zentralfriedhofes (heute: Nordfriedhof)
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https://doi.org/10.11588/diglit.51148#0040
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Ausblick:
Zur Bedeutung und Erhaltung historischer Sepulkralarchitektur auf
modernen Friedhöfen am Beispiel des Hildesheimer Zentralfriedhofes
(heute: Nordfriedhof)

Wie uns das Beispiel des Hildesheimer Nordfriedhofes sehr plaka-
tiv vor Augen führte, wurde der historische Friedhof des endenen
19. und beginnenden 20.Jh. nicht nur von einer Reihe namhafter
und ebenso imposanter Erbbestattungen und großartiger
Flächengestaltungen bestimmt, sondern auch von etlichen ande-
ren und weitaus weniger auffallenden Ausstattungselementen.
Dazu zählen neben schlichten und z. T. auch unansehlichen
Grabsteinen gleichermaßen historische Wegeabschnitte, Brunnen
und Bänke, die in ihrer Art der Gestaltung und Lageanordnung
wesentlich zur Rekonstruktion und Gestalt des historischen Bildes
beitragen und fast immer unmittelbarer Niederschlag eines sich
stetig wandelnden historischen Zeitgeistes sind. So birgt-wie
oben aufgezeigt-fast jedes Detail wichtige Hinweise zur histori-
schen Situation, sei es im typologischen, kunst-, lokal- oder eben
mentalgeschichtlichen Sinn, dem in vorliegender Bearbeitung be-
sonderes Augenmerk zubemessen wurde. Es kann jedoch kaum
Ziel der heute ohnehin finanziell knapp bemessenen Denkmal-
pflege sein, alle diese Momente für jeden historischen Komplex

landesweit zu erfassen, zu dokumentieren und schließlich zu er-
halten, selbst wenn ohne dieses Wissen der Bereich der histori-
schen Sepulkralkunst aus wissenschaftlicher Sicht nicht angemes-
sen zu bewerten ist; daher wurde in der Bearbeitung der gesam-
te zugängliche Zeitabschnitt (1890 bis 1950) sehr detailliert und
Jahrzehnt für Jahrzehnt gleichbedeutend nebeneinander präsen-
tiert, um künftig den Zugang zu entsprechenden Aspekten bei
vergleichbaren Projekten zu erleichtern.
Es wäre wünschenswert, neben dem allgemeinhin akzeptier-
ten, kunsthistorisch hochwertigen Bestand ausgewählte Zeugnis-
se zu bewahren, mit denen sich wesentliche Aussagen zur Sozial-
oder der noch stärker vernachlässigten Mentalgeschichte verbin-
den. Da sich ihre Gruppe mit der zunehmenden Zahl witterungs-
geschädigter Oberflächen und somit abgängiger Inschriften oh-
nehin drastisch reduziert, wurde in Hildesheim jeder einzelne
Stein im abgesteckten Areal (v. a. Apsidialbereich) erfaßt, unge-
achtet dessen, ob er außer seiner inschriftlichen Aussage auch
andere Werte aufweist.

Anmerkungen 14
1 U. a.: Th.G.Thiele/H.Küsthardt, Meisterwerke alter Grabmalkunst (Leipzig o.J.). -
A.Gellhorn, Die Friedhofsanlagen in Schlesien (Straßburg 1918). - St. Hirzel, 15
Grab und Friedhof der Gegenwart (München 1927). - D.Steilen, Norddeutsche 16
Grabmalkunst (Bremen 1938).
2 J. Dorneich, Der alte Friedhof in Freiburg im Breisgau (Freiburg 1979). - H.Unge-
richt, Der alte Friedhof in Ulm (Ulm 1980). - H.-G. Buschmann, Der Nordfried-
hof von Wiesbaden und seine Vorgänger. Geschichte, Begräbnissitten und
-riten, Grabmäler (Diss. Mainz 1989, Frankfurt 1991). 17
3 B.Leisner, H.K.L. Schulze, E.Thormann, Der Hamburger Hauptfriedhof Ohlsdorf:
Geschichte und Grabmäler, 2 Bde (Hamburg 1990). Denkmalpflegerisch rele-
vante Themen (Ausweisung, Erfassung, Konservierung und Restaurierung)
berücksichtigt bereits der dritte Band der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und 18
Denkmal e.V.: H.-K. Boehlke (Hrsg.), Umgang mit historischen Friedhöfen
(Kassel 1984).
4 Publikationen der Arbeitsgemeinshaft Friedhof und Denkmal e.V., H.-K. Boehlke
(Hrsg.): Bd. 1: „Wie die Alten den Tod gebildet". Wandlungen zur Sepulkral-
architektur 1750-1850 (Mainz 1979). - Bd. 2: Vom Kirchhof zum Friedhof.
Wandlungsprozesse zwischen 1750 und 1850 (Kassel 1984). - Bd. 3: Umgang
mit historischen Friedhöfen (Kassel 1984). - Chr.Fischer, R.Schein (Hrsg.), 19
„O ewich is so lanck". Die historischen Friedhöfe in Berlin-Kreuzberg. Ein Werk-
stattbericht (Berlin 1987). Als Monografie in vorbildlicher Weise: G.Schneider, 20
„...nicht umsonst gefallen"?, Kriegerdenkmäler und Kriegstotenkult in Hanno- 21
ver. Hannoversche Geschichtsblätter Sonderband (Hannover 1991).
5 Hildesheimer Zeitung 10.12.1883; Hein 1990, 84.
6 Ebd.
7 NHStA Hannover, Hann. 180, Hildesheim, Nr. 3838; Hein 1990, 85.
8 Dieser Trend entstand aus der regelhaft beobachteten Entwicklung der Städte
gegen Süden bei zugleich vorherrschender Windrichtung aus Süd/Südwest; es
sei daher eine Nordlage anzustreben, die den „... reinigenden Winden den Zu- 22
gang verstattet..."; s. Hirschfeld (1779-85) Bd. III, 118f., Petzhold (1888) 218,
Pietzner (1904). Die Problematik ungesunder Friedhöfe wurde erst im fortge-
schrittenen 18.Jh. aktuell, als verstärkt Gerüchte über das stinkende Odem im
Umkreis des Pariser Cimetiere des Innocents um sich griffen; Aries (1993) 61 Off.
Nach der Rehabilitation der Friedhöfe im frühen 19.Jh. wurde dieser Aspekt von
Seiten der Wissenschaften gegen Ende des Jahrhunderts erneut diskutiert.
9 Eingabe vom 26. Febr. 1884; StA Hildesheim, Best. 102, Nr. 5025: Das Grund-
stück wird sehr passend als „...Viereck mit vorgezogener Ecke an der Peiner 23
Straße..." beschrieben.
10 Hein 1993, 202. Der Erwerb des Grundstücks wurde am 17. Mai 1885 in den 24
Protokollen vermerkt; StA Hildesheim, Best. 102, Nr. 5025.
11 Obwohl von der „...sanitären Beschaffenheit..." des Zentralfriedhofes im Jahr
1884 mehrfach die Rede ist, u. a. am 14. November 1884; StA Hildesheim, 25
Best. 102, Nr. 5025.
12 Eingabe vom 26. Febr. 1884; StA Hildesheim, Best. 102, Nr. 5025.
13 Kämpen, 1993, 24.

„Wir bringen hierdurch zur Kenntniß daß der neue städtische Friedhof an der
Peiner Landstraße am 22. dm [des Monats; Anm. d. Verf.] eröffnet ist" (Eingabe
vom 24. Jan. 1890); StA Hildesheim, Best. 102 Nr. 5026.
Hein, 1993. 203.
Entgegen dem ansonsten gehobenen Standard der Preußischen Landesaufnah-
me scheint hier die Wegeführung des Nordfriedhofs nur sehr abstrakt, reduziert
und letztlich verzerrt wiedergegeben, da sie sowohl dem Planentwurf von 1890
als auch dem heute z. T. noch sehr detailliert erhaltenen Wegsystem deutlich
widerspricht.
„Meyer duldete nach seiner Lehre regelmäßige und landschaftliche, freie For-
men nebeneinander, regelmäßige Anordnungen aber nur im Zusammenhang
mit Gebäuden"; Keller (1976) 140. Dieses frei modulierbare Nebeneinander
brachte ihm schließlich den Verruf der schablonenhaften Serien-Produktion ein.
Vgl. den Entwurf zur Umgestaltung des Garten des hannoverschen Lust-
schlößchen Monbrillant von J.C.Tatter (1779), welcher neben der landschaftlich
durchgestalteten Apside die geometrische Form des Küchengartens zitiert
(Kirsch 1997, Abb. 8) und den Bestandsplan H.A.Woelecyrns zum Schloßpark
Wrisbergholzen (1779). Hier handelt es sich allerdings um zwei separate, hinter-
einander gestaffelte Einzelanlagen in Form einer Apside und eines durch Seen,
Bodennivellierung und verschlungene Wege gestalteten Landschaftsparks.
Rechnet man den seitlichen Küchengarten der Gartengesamtanlage hinzu, ten-
diert Monbrillant ebenfalls zum gemischten Stil.
Hirschfeld (1779-1785) Bd. V, 318f.
Zwischen der ersten Landschaftsgestaltung J.C. Tatters (1779) und dem
Schaumburgschen Entwurf lagen jedoch noch zahlreiche andere Verschöne-
rungsprojekte (1803-1828), die letztlich als Vorstufen des Schaumburgschen
Endkonzeptes zu bewerten sind; vgl. K.S. Sieger, 1989, 201 und Kirsch 1993,
291 ff. Insgesamt ist jedoch auch durchaus denkbar, daß die gestalterische Ähn-
lichkeit eher zufällig durch den ähnlichen Zuschnitt bzw. die Größe des zu be-
planenden Areals forciert worden ist.
In diese Reihe ähnlich konzipierter Friedhöfe ist auch der Braunschweiger
Hauptfriedhof einzugliedern, der seit 1883 nach den Plänen von Ludwig Winter
als „Centralfriedhof" angelegt worden war. Bedingt durch die vorgegebene
Lagesituation zwischen Eisenbahnschienen und Helmstedter Straße fällt die Ge-
samtanlage der Friedhofes und somit auch die Apsidialstruktur samt umlaufen-
der 'Schlängelwege' allerdings wesentlich gedrängter und aufgrund des immen-
sen Platzmangels auch stereotyper aus; W.Kimpflinger, Denkmaltopographie
Stadt Braunschweig Teil 2, Baudenkmale in Niedersachsen Bd 1.2 (1996) 75 ff.
Christian Schaumburg, Über englische Gartenanlagen (1833), zit. bei Rohde,
1997, 27.
So die Beschreibung M.Rohdes zur Schaumburgschen Gestaltung des benach-
barten Wangenheimgartens, die jedoch gleichermaßen auf Monbrillant und den
Benqueschen Friedhofsentwurf zu übertragen ist; Rohde, 1997, 23.
Als „laubenartige" Anlage wird hier das singuläre Gewölbemotiv verstanden,
welches im Gegensatz zur gangartigen Reihung mehrerer Gewölbetexturen
kaum anders gelesen werden kann, als eine Art 'Baldachin' oder offener
'Pavillon'; gegen eine Interpretation als obertägige, geschlossene Grabgruft

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