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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Hildesheimer Zentralfriedhof — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 17.1998

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Grabformen und Grabmaltypen in Hildesheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.51148#0039
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die um 1900 erneut aufkommenden Grabbezirke Ausdruck
des fürsorglich-christlichen Totenkultes, der sich die intensive
Grabpflege zum Anliegen nimmt. Die formale Gestalt des Gra-
bes bleibt dem Anspruch gemäß zunächst schlicht und erha-
ben (Obeliske, Kreuze), einzig mit christlicher oder traditionel-
ler Todessymbolik verziert.
2. Bis 1910 fließt dieser Trend zunächst kaum merklich in eine
sentimentalere Richtung ein, die aus dem modernen Gel-
tungsverlust christlicher Normen zwangsläufig, aber nur all-
mählich entsteht und schließlich durch die Schrecken des Er-
sten Weltkrieges intensiviert worden ist; die Grabesinschriften
berichten nun immer stärker vom persönlichen Leid, welches
klar von menschlicher Trauer und eigener Hilflosigkeit getra-
gen wird. Insgesamt war dies sowohl bei den emotionalen als
auch den christlich-getragenen Sentenzen ablesbar, insofern
letztere erstmals auch leidenschaftlichere Passagen beinhalte-
ten. Der autarke, immer aufwendiger gestaltete Grabbezirk
(Grabwände etc.) - durch Steinvegetation dauerhaft dekoriert
- wird jetzt zum intimen Rückzugs- und Aufenthaltsort.
Die angesichts ihrer baulich angeschlossenen Bänke, Blumen-
tröge und Baluster als komprimierter Grabbezirk anzuspre-
chenden Rahmengrabmale der Vor- bis Nachkriegsjahre fol-
gen weitgehend diesem Trend, flechten neben dem üppigen
Rosenschmuck jedoch auch einige persönliche Hinweise auf
Herkunft, Stand und Ehre des Verstorbenen mit ein. Auch
spiegeln die Sentenzen dieser Zeit ein deutlich gesteigertes
persönliches Empfinden, welches neben der emotionalen Ver-
drängung des Todes einen starken Abstand zum traditionellen
Glauben offenbart. Gestalterischen Niederschlag findet dieses
Empfinden in der Einrichtung zahlreicher neuer Grabbezirke
ebenso wie in der Anlage dekorativer Platzraumformen im

Friedhofsareal, zu denen die behördlich angeordnete Ehren-
friedhofsschneise zum Gefallenengedenken ein deutliches Ge-
gengewicht repräsentiert.
3. Schließlich kristallisierte sich in den frühen zwanziger Jahren
das Bestreben heraus, dem Tod eine (glorifizierende) Sinnhaf-
tigkeit unterlegen zu wollen, ein Trend, dem architektonisch
die Aufstellung monumentaler Ehrengrabwände und die auf
Fernsicht ausgerichtete Rondellbebauung entspricht. Dem
Ausdruck neuer (deutscher) Tugenden, wie sie vor allem Stär-
ke, Fleiß und Treue formulieren, folgt die monumentale Aus-
gestaltung der Gräber durch vollplastische, häufig überdimen-
sionierte Figuren des Todes (Genien) und der Christlichkeit
(Pietä), eine Entwicklung, die sich fast unverändert bis in die
vierziger Jahre hinein tradiert. Allerdings kann von einer cha-
rakteristischen Grabausgestaltung dieser Zeit kaum die Rede
sein. Wie bereits für die Zeit um den Ersten Weltkrieg ange-
deutet, so hält das Zitat zahlreicher divergenter Zeichen unver-
mindert an, wobei diese sowohl aus dem individuellen, deko-
rativen oder aber christlichen Bereich stammen können.
Schließlich folgt auch die Friedhofsgestaltung der dreißiger
und letztlich auch der vierziger Jahre der Konzeption des vor-
herigen Jahrzehnts, insofern kleinere auf Fernsicht und Wir-
kung hin eingerichtete Plätze der Gesamtform unterstellt (z. B.
Trapezplatz Leeser, 1938), das private Moment (Grabbezirke,
Kleinräume) zugunsten eines gemeinschaftlichen Geistes auf-
gelöst wird (Belegung der Abt. Z, Einrichtung v. Wegekreu-
zen, Rondellen etc.). Gleichzeitig (1927-1940er Jahre) wird
auch der bereits seit Jahren bestehende, nun dicht parzellierte
Urnenhain belegt, der in seiner melancholisch-lichten Anlage
und Gestaltung als Hain Kollektivbewußtsein und zugleich
deutsche Erdverbundenheit symbolisiert.

39 Der Sämann als Symbol für Tod und Auferstehung - das Grabkreuz
sPanuth (Abt. V 15).



40 Der Putto als sprechendes Detail und Hinweis auf die Profession des
Verstorbenen. Grabmal Derfin (Abt. L 5).

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