Vorwort
Um den Erhalt ihrer Friedhöfe bemüht, erbat die Stadt Hildes-
heim 1996 von der Denkmalfachbehörde des Landes eine Begut-
achtung des heutigen Nord- und ehemaligen Zentralfriedhofes.
Diese war zunächst auf den südlichen Teil der Anlage be-
schränkt, wo sich ca. 65 Prozent der gesamten bedeutsamen
historischen Friedhofssubstanz konzentrieren. Mit diesen ersten
intensiven Erfassungsarbeiten wuchs jedoch auch das Wissen um
die historischen und künstlerischen Wertigkeiten des Friedhofes
und mit ihm die Überzeugung von der Erhaltungswürdigkeit der
Anlage als Gesamtkomplex. Infolgedessen wurde nicht nur die zu
bewertende Grabmalsubstanz exemplarisch um bislang weniger
beachtete, aber gleichermaßen gefährdete Friedhofsbereiche
erweitert, sondern auch die Entwicklung der Gesamtanlage zu
erfassen und zu bewerten versucht. So wurde aus der anfängli-
chen Schadensbildanalyse schließlich eine den Denkmalschutz-
behörden als Leitfaden dienende Substanzdokumentation.
Gleichzeitig lieferte das von der Landesfachbehörde erarbeitete
Material die Grundlage für eine wissenschaftlich-historische Aus-
wertung, die in der vorliegenden Veröffentlichung ihren Nieder-
schlag gefunden hat.
Es ist an dieser Stelle den Mitarbeitern des Tief- und Garten-
bauamtes der Stadt HildesheimA/erwaltung Nordfriedhof, insbe-
sondere aber den Herren Udens und Jeschke für zahlreiche Hin-
weise und für die Bereitstellung des gesamten Plan- und Akten-
materials zu danken.
Historische Friedhöfe sind nicht nur Orte der Erinnerung und
des Abschiednehmens, der Besinnung und der Trauer. Sie berich-
ten auch von moralisch- gesellschaftlichen Ansprüchen sowie von
sich stetig wandelnden Jenseitsvorstellungen und Glaubensauf-
fassungen. Sie sind unmittelbare Zeugnisse einer intensiven religi-
onsphilosophischen Auseinandersetzung, facettenreiche Spiegel
des Auf und Ab von Glaubensbindung und Glaubenslösung, von
Skepsis und Zweifel, aber auch von Hinnahme des Unvermeid-
lichen und Ergebenheit in das Schicksal.
Am deutlichsten berichten hierüber die Grabsteine mit ihrem
breiten Spektrum christlichen und weltlichen Dekors, ihrer Sym-
bolik und ihren frommen Sentenzen, aber auch die Ausgestaltun-
gen der Grabfläche durch schmückende und abgrenzende
Bepflanzungen oder architektonische Details. Nicht weniger aus-
sagekräftig sind auch die Gesamtanlagen dieser Bestattungsbe-
reiche, ihre Gestaltung als klar gegliederte Ruhegärten, als weit-
läufige landschaftliche Planung oder als monumentaler Ehren-
friedhof. Hinzu tritt die zeitgebundene Auswahl bestimmter
Gewächse, die zusammen mit dem Erschließungssystem der
Wege viel über die Geschichte der Friedhöfe auch als garten-
historische Dokumente aussagen kann.
Friedhöfe gehören aber dennoch zu den weniger geschätzten
Grünbereichen der modernen Stadt, obwohl sie nicht nur als
„grüne Lungen", sondern auch als Quelle für die Lokalgeschichte
von großer Bedeutung sind. Häufig werden daher Grabmale auf-
gegeben, die über die Jahre ihre Standfestigkeit und Ansehnlich-
keit verloren haben. Verwahrlosung wird vorgebeugt, indem
historische Grabfelder eingeebnet werden und ihre Grabstein-
substanz auf Schuttberge gelangt. Sparmaßnahmen tragen ihr
übriges dazu bei, daß auch die historische Grünsubstanz zuneh-
mend üppigen Rhododendron-, Farn- und Efeuwällen weicht und
das alte Wegesystem von modernen monotonen Grabfeldern
überlagert wird. Dort, wo historische Inseln überleben, wird ihr
Erscheinungsbild oftmals durch die Konfrontation mit serien-
mäßig hergestellten Formen gestört und - letztendlich meistens -
zerstört. Nicht selten rücken auch stark befahrene Verkehrsadern
an die alten Friedhöfe heran, schnüren sie ein und haben sowohl
durch ihre Trassenführung als auch durch Schadstoffemissionen
den Verlust historischer Substanz zur Folge.
Die vorliegende Dokumentation versteht sich daher in erster
Linie als landesweite Aufforderung, historische Friedhöfe als fest
gefügte Gesamtheit aus Grabstellen, Wegesystemen und histori-
schem Grün zu erkennen und sie in dieser Komplexität weitest-
möglich zu erhalten. Zugleich soll sie dem Besucher Einladung
sein, historisch und gestalterisch Bedeutsames zu sehen, Zusam-
menhänge und Bezüge zu erfassen und die daraus resultierenden
Werte im Bewußtsein zu verankern. Nur mit Hilfe eines breiten
Konsenses kann es gelingen, komplexe Anlagen wie den Hildes-
heimer Nordfriedhof über die Zeiten zu retten und ihn als mit
Kunstsinn gestalteten Ort der Ruhe und Dokument der Stadtge-
schichte für künftige Generationen zu bewahren.
Die Friedrich Weinhagen Stiftung in Hildesheim hat die Druck-
legung dieses Heftes großzügig unterstützt. Ihr sei ebenso wie
der Autorin und allen, die am Zustandekommen dieses Arbeits-
heftes mitgewirkt haben, ausdrücklich gedankt.
Dr. Christiane Segers-Glocke
Landeskonserva torin
5
Um den Erhalt ihrer Friedhöfe bemüht, erbat die Stadt Hildes-
heim 1996 von der Denkmalfachbehörde des Landes eine Begut-
achtung des heutigen Nord- und ehemaligen Zentralfriedhofes.
Diese war zunächst auf den südlichen Teil der Anlage be-
schränkt, wo sich ca. 65 Prozent der gesamten bedeutsamen
historischen Friedhofssubstanz konzentrieren. Mit diesen ersten
intensiven Erfassungsarbeiten wuchs jedoch auch das Wissen um
die historischen und künstlerischen Wertigkeiten des Friedhofes
und mit ihm die Überzeugung von der Erhaltungswürdigkeit der
Anlage als Gesamtkomplex. Infolgedessen wurde nicht nur die zu
bewertende Grabmalsubstanz exemplarisch um bislang weniger
beachtete, aber gleichermaßen gefährdete Friedhofsbereiche
erweitert, sondern auch die Entwicklung der Gesamtanlage zu
erfassen und zu bewerten versucht. So wurde aus der anfängli-
chen Schadensbildanalyse schließlich eine den Denkmalschutz-
behörden als Leitfaden dienende Substanzdokumentation.
Gleichzeitig lieferte das von der Landesfachbehörde erarbeitete
Material die Grundlage für eine wissenschaftlich-historische Aus-
wertung, die in der vorliegenden Veröffentlichung ihren Nieder-
schlag gefunden hat.
Es ist an dieser Stelle den Mitarbeitern des Tief- und Garten-
bauamtes der Stadt HildesheimA/erwaltung Nordfriedhof, insbe-
sondere aber den Herren Udens und Jeschke für zahlreiche Hin-
weise und für die Bereitstellung des gesamten Plan- und Akten-
materials zu danken.
Historische Friedhöfe sind nicht nur Orte der Erinnerung und
des Abschiednehmens, der Besinnung und der Trauer. Sie berich-
ten auch von moralisch- gesellschaftlichen Ansprüchen sowie von
sich stetig wandelnden Jenseitsvorstellungen und Glaubensauf-
fassungen. Sie sind unmittelbare Zeugnisse einer intensiven religi-
onsphilosophischen Auseinandersetzung, facettenreiche Spiegel
des Auf und Ab von Glaubensbindung und Glaubenslösung, von
Skepsis und Zweifel, aber auch von Hinnahme des Unvermeid-
lichen und Ergebenheit in das Schicksal.
Am deutlichsten berichten hierüber die Grabsteine mit ihrem
breiten Spektrum christlichen und weltlichen Dekors, ihrer Sym-
bolik und ihren frommen Sentenzen, aber auch die Ausgestaltun-
gen der Grabfläche durch schmückende und abgrenzende
Bepflanzungen oder architektonische Details. Nicht weniger aus-
sagekräftig sind auch die Gesamtanlagen dieser Bestattungsbe-
reiche, ihre Gestaltung als klar gegliederte Ruhegärten, als weit-
läufige landschaftliche Planung oder als monumentaler Ehren-
friedhof. Hinzu tritt die zeitgebundene Auswahl bestimmter
Gewächse, die zusammen mit dem Erschließungssystem der
Wege viel über die Geschichte der Friedhöfe auch als garten-
historische Dokumente aussagen kann.
Friedhöfe gehören aber dennoch zu den weniger geschätzten
Grünbereichen der modernen Stadt, obwohl sie nicht nur als
„grüne Lungen", sondern auch als Quelle für die Lokalgeschichte
von großer Bedeutung sind. Häufig werden daher Grabmale auf-
gegeben, die über die Jahre ihre Standfestigkeit und Ansehnlich-
keit verloren haben. Verwahrlosung wird vorgebeugt, indem
historische Grabfelder eingeebnet werden und ihre Grabstein-
substanz auf Schuttberge gelangt. Sparmaßnahmen tragen ihr
übriges dazu bei, daß auch die historische Grünsubstanz zuneh-
mend üppigen Rhododendron-, Farn- und Efeuwällen weicht und
das alte Wegesystem von modernen monotonen Grabfeldern
überlagert wird. Dort, wo historische Inseln überleben, wird ihr
Erscheinungsbild oftmals durch die Konfrontation mit serien-
mäßig hergestellten Formen gestört und - letztendlich meistens -
zerstört. Nicht selten rücken auch stark befahrene Verkehrsadern
an die alten Friedhöfe heran, schnüren sie ein und haben sowohl
durch ihre Trassenführung als auch durch Schadstoffemissionen
den Verlust historischer Substanz zur Folge.
Die vorliegende Dokumentation versteht sich daher in erster
Linie als landesweite Aufforderung, historische Friedhöfe als fest
gefügte Gesamtheit aus Grabstellen, Wegesystemen und histori-
schem Grün zu erkennen und sie in dieser Komplexität weitest-
möglich zu erhalten. Zugleich soll sie dem Besucher Einladung
sein, historisch und gestalterisch Bedeutsames zu sehen, Zusam-
menhänge und Bezüge zu erfassen und die daraus resultierenden
Werte im Bewußtsein zu verankern. Nur mit Hilfe eines breiten
Konsenses kann es gelingen, komplexe Anlagen wie den Hildes-
heimer Nordfriedhof über die Zeiten zu retten und ihn als mit
Kunstsinn gestalteten Ort der Ruhe und Dokument der Stadtge-
schichte für künftige Generationen zu bewahren.
Die Friedrich Weinhagen Stiftung in Hildesheim hat die Druck-
legung dieses Heftes großzügig unterstützt. Ihr sei ebenso wie
der Autorin und allen, die am Zustandekommen dieses Arbeits-
heftes mitgewirkt haben, ausdrücklich gedankt.
Dr. Christiane Segers-Glocke
Landeskonserva torin
5