Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Kreuzgang von St. Michael in Hildesheim — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 20.2000

DOI issue:
Das Kloster im Wandel der Zeit
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51152#0037
License: Creative Commons - Attribution - ShareAlike
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
33

und die damit verbundenen baulichen Veränderungen im
Kloster erinnert (Abb. 16).9 Die umfangreichen Baumaß-
nahmen innerhalb des Kirchflügels unter Abt Dedeken
fanden ihren Abschluss mit der Weihe der „Kleinen
Michaeliskirche“ am 30. November 1709.10 Nach der
Reformation und der damit einhergehenden Vertreibung
der Mönche aus der großen Stiftskirche hatte man bereits
eine kleinere Kapelle geschaffen, anstelle des ursprüng-
lichen Kapitelsaales. Im späten 17. Jahrhundert bot diese
Kapelle für die Klostergemeinschaft und die dort ansässi-
gen Laien nicht mehr genügend Platz. Die westlich neben
dem Kreuzgang gelegenen Räume wurden zu einem Kir-
chenraum vereint, der so genannten „Kleinen Michaelis-
kirche“.
Der während des Bombenangriffes von 1945 vollkom-
men zerstörte Chorraum dieser „Kleinen Michaeliskir-
che“ war mit geschnitzten Chorgestühlen, Wandpanee-
len, einer mit den Evangelistenfiguren geschmückten
Kanzel und einer Stuckdecke mit figürlichen Malereien
ausgestattet (Abb. 17). Der barocke Hochaltar, hinter
dem sich eine Orgel befand, wurde während des Krieges
ausgelagert und ist heute in der St. Andreaskirche in
Groß Lobke bei Algermissen aufgestellt. Über die Gestal-
tung des Laienraumes im frühen 18. Jahrhundert ist
nichts Genaueres bekannt. Teile seiner Architektur haben
sich noch erhalten und werden heute im Raum der
„Kreuzkapelle“ und in der Kryptensakristei verwahrt.
Genauere Aussagen über die ursprüngliche Gestaltung
und Farbigkeit dieses Raumes sind nicht mehr möglich,
da die Oberflächen der Hausteine stellenweise stark über-
arbeitet sind.
Neubauten auf dem Klosterareal
Mit dem ersten großen Neubau, dem vollkommen unter-
kellerten zweigeschossigen Wohnhaus des Abtes, begann
man unter Abt Dedeken im Jahr 1700 und stellte ihn
unter Dedekens Nachfolger Lühmann fertig.11 Das
Gebäude ist in barocken, wenn auch noch sehr den loka-
len Bautraditionen verpflichteten Formen errichtet.
Schon Mitte des 18. Jahrhunderts wurde es von Abt
Hatteisen zum Teil modernisiert und neu ausgeschmückt.
In ihm befanden sich die Privaträume des Abtes und seine
Hauskapelle sowie verschiedene Wirtschaftsräume im
Kellergeschoss. Von diesem Gebäude existieren heute nur
noch einige Fotografien, an denen die qualitätvolle Aus-
stattung der Räume nachvollziehbar ist. Eine zweiläufige
Treppenanlage führte vom Erdgeschoss in eine repräsen-
tative Diele im ersten Obergeschoss (Abb. 18). Die Diele
wies einfachen Rahmenstuck an Decke und Wänden auf,

dazu an der Stirnwand eine rundbogige Mauernische,
umrahmt von kräftigem Rocaillestuck mit Blumenran-
ken und Putti. In der Nische stand eine lebensgroße Figur
der Caritas mit dem Symbol des brennenden Herzens in
der erhobenen linken Hand. Die kraftvoll wirkende Frau-
engestalt war in leichter Drehung und mit einem stoffrei-
chen Gewand bekleidet dargestellt. Anhand der Bildquel-
len lässt sich das Material, aus dem die Skulptur gefertigt
war, nicht definieren. Auf einer historischen Aufnahme
ist eine dunkle Fassung mit partieller Vergoldung des
Attributs und der Gewandsäume zu erkennen.12
Auf derselben Etage befand sich das repräsentative
Empfangszimmer des Abtes (Abb. 19). Eine wohl im
frühen 20. Jahrhundert entstandene Fotografie zeigt
den mit Stuck und Wandmalereien ausgeschmückten
Raum. Diese erscheinen stark überarbeitet, ihre künst-
lerische Qualität lässt sich nicht mehr beurteilen. Der
sehr virtuos modellierte Stuck mit kräftigen, betont
asymmetrischen Rocaillemotiven und Blumenranken an
der Decke als Wandabschluss sowie als Rahmenwerk über
dem Kamin, erinnert dagegen an süddeutsche Beispiele,
insbesondere der Wessobrunner Stuckatorenschule.13
Die Ausschmückung dieser Räumlichkeiten erfolgte
unter Ludwig Hatteisen, einem besonders kunstsinnigen
Abt, der rege Kontakte nach Augsburg, einem damals
führenden Kunstzentrum, unterhielt. Bedeutende Au2;s-
burger Silberschmiede fertigten in seinem Auftrag nicht
nur Kirchengeräte („Vasa Sacra“)14, sondern auch groß-
formatige Arbeiten, darunter den silbernen Ehrensarko-
phag des hl. Bernward15 und ein silbernes Antependium
für die „Kleine Michaeliskirche“, die heute beide in St.
Magdalenen aufbewahrt werden.16 Die hohe Qualität der
Augsburger Silberschmiedearbeiten, die in dieser Zeit
nach Hildesheim gelangten, hatte wohl ein Äquivalent in
der Stuckplastik. Ob Hatteisen süddeutsche Stuckatoren
ins Kloster von St. Michaelis rufen ließ, kann bisher aller-
dings nur aus stilistischen Gründen vermutet werden.1,
1724 entstand das Mittelportal der Klosterpforte, die
heute den Eingang zum Gymnasium Andreanum an der
Klosterstraße bildet (Abb. 20). Von ihrem ursprünglichen
Figurenschmuck sind noch drei Figuren in den Rundbo-
gennischen an der Nordseite erhalten: die Erzengel
Gabriel und Raphael sowie die hl. Scholastika.18 Die
modernen Plastiken in den Nischen der Südfront erset-
zen die zerstörten Figuren der Gottesmutter Maria, des
Ordensstifters Benedikt und eine Skulptur des Kloster-
und Kirchenpatrons, des Erzengels Michael. Von der
Figur selbst zeugt heute nur noch eine historische Foto-
grafie. Der Heine Drachen blieb dagegen im Garten der
 
Annotationen