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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Kreuzgang von St. Michael in Hildesheim — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 20.2000

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Das Kloster im Wandel der Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.51152#0041
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37

überzeugend: Die Lanze sollte ursprünglich wohl in den
Hals des Luzifer stechen, also mehr diagonal angesetzt
sein.26
Heute zeigt die originale Steinoberfläche teils schwarze
Krusten, teils helle Wasserablaufspuren. Substanzverluste
durch Abplatzen und Abschuppen sind sowohl an der
Figur als auch an den Architekturteilen zu bemerken. Um
weitere Schäden zu verhindern und die qualitätvolle
Skulptur angemessen zu präsentieren, wären behutsame
Restaurierungsmaßnahmen an der Figur selbst und an
der Ruine erforderlich. Dieses für Hildesheim seltene
Zeugnis barocker Monumentalplastik, das die Zer-
störungen des Zweiten Weltkrieges überstanden hat,
könnte damit für zukünftige Generationen erhalten wer-
den.
Die hohe künstlerische Qualität der Michaelisfigur von
1753 wird besonders deutlich im Vergleich mit der
bereits erwähnten Steinplastik desselben Heiligen von
1724, die im Bogenfeld über dem Mittelportal der Klos-
terpforte stand (Abb. 23). Auch diese Michaelisfigur zeigt
den Heiligen als Krieger und Drachentöter im antikisie-
renden Gewand, mit dem Schild in der linken und dem
erhobenen Flammenschwert in der rechten Hand. Dar-
gestellt ist nicht der Moment des Kampfes — der Drache
ist bereits besiegt und in Ketten gelegt. Gegenüber der
eleganten, dynamischen Michaelisfigur von 1753 wirkt
die ältere Skulptur schwer und unbeholfen. Nicht die
dramatische Schilderung des Geschehens, sondern die
erstarrte Pose des Siegers bestimmt das Bild. Betrachtet
man die übrigen Figuren der Portalanlage, so wird der
provinzielle Charakter dieser Skulpturengruppe deutlich,
ohne damit den historischen und kulturellen Wert der
erhaltenen Reste mindern zu wollen.
Rund um die ehemalige Klosterkirche sind noch ver-
schiedene Spolien aus der Barockzeit zu entdecken, die
für den aufmerksamen Besucher des ehemaligen Kloster-
areals die Geschichte von St. Michaelis in der Barockzeit
wieder lebendig machen. Kleinere Architekturteile, Wap-
pen und Skulpturenfragmente wurden aus den Trüm-
mern des ehemaligen Klosters geborgen und auf verschie-
denartigste Weise aufbewahrt. Reste von Reliefs wurden
zum Beispiel in die Schulhofmauer des Gymnasiums
Andreanum vermauert. Im Garten des Predigerseminares
findet sich eine Figur des Kirchenstifters Bernward aus
der Zeit um 1700 (Abb. 24). Sie war ursprünglich Teil
der Fassadendekoration des Abtsgebäudes. Der Torso
einer etwas jüngeren monumentalen Bernwardsfigur ist
provisorisch im Kreuzgang eingelagert, seine Provenienz
blieb bisher ungeklärt.27

Anmerkungen
1 Dieser Aufsatz stützt sich zum Teil auf Hentschel 1998/99.
2 Vgl. dazu den Beitrag von V. Keil in diesem Band.
3 Vgl. dazu den Beitrag von H. Wehner in diesem Band.
4 Zeller 1911, S. 224.
5 Lüntzel 1858, Bd. 2, S. 562; Beseler u. Roggenkamp 1954, S. 28-37.
6 Akten Abt Jakobus’ zum Jahr 1691: „Sacellum in Abbatia“. Hannover,
Staatsarchiv, Nr. Des. 3 I, Nr. 7. Zitiert nach Zeller 1911, S. 225.
7 Ebd. zu 1695: „Nachdem das große Alte Schlaffhauß sambt der Bibliothe-
ca, Sakristey vndt Philippi Jakobi Capell abgebrochen, habe den 15. April
den ersten Stein zum newen Soleniter gelegt.“ Im folgenden Jahre wurden
ab dem 7. März „die gewolbe in die Bibliotec, Sakristey, Philippi Jacobi
Capell, Kapitellhauß sambt drei Kellern gemacht“. Hannover, Staatsarchiv,
Nr. Des. 3 I, Nr. 7. Zitiert nach Zeller 1911, S. 226.
8 Hentschel 1998/99, Befunde in Joch 1 und Joch 2. Zu den Architektur-
oberflächen des 17./18. Jahrhunderts im Kreuzgang siehe auch den Beitrag
von I. Hammer u. U. Schädler-Saub „Zu Baubefunden und Oberflächen in
nachmittelalterlicher Zeit“ in diesem Band.
9 Eine steinerne Gedenktafel, heute im 1. Joch des westlichen Kreuzgangflü-
gels aufbewahrt, steht in keinem direkten Zusammenhang mit dem Kreuz-
gang. Sie erinnert an die Erhöhung des Westchores der Michaeliskirche im
Jahr 1747. Bis zur Wiederherstellung des ottonischen Zustandes nach 1946
war sie an der Fassade des Hochchores angebracht.
10 Zeller 1911, S. 224.
11 Lax 1930, Heft 2, S. 51.
12 Zeller 1911, S. 224 f. geht auf die Ausstattung dieser Räume leider nicht
näher ein.
13 Anhand der Fotografien lässt sich nicht beurteilen, ob der einfache Leisten-
stuck, mit dem Wandgemälde und Wandfüllungen gerahmt sind, in dieser
Form zu den reichen Rocailleornamenten gehört oder später überarbeitet
wurde. Generell sind eine genauere stilistische Einordnung der Stuckdeko-
ration und Vergleiche mit weiteren Beispielen Hildesheimer Raumausstat-
tung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts durch die kriegsbedingten Verlus-
te nicht mehr möglich.
14 Unter diesen kirchlichen Geräten sei eine Hostienmonstranz in bewegten
Rokokoformen erwähnt, gefertigt 1768 von Franz Ignaz Maurer in Augs-
burg, die Hatteisen für die „Kleine Michaeliskirche“ stiftete. Siehe Knapp
1998, Kat.-Nr. 45, S. 100 f.
15 Der Sarkophag, eine Augsburger Arbeit von Philipp Jakob VI. Drentwett
aus dem Jahr 1750, befindet sich heute in der Magdalenenkirche in Hil-
desheim. Siehe auch Brandt u. Eggebrecht 1993, Bd. 2, Kat. Nr. IX-37,
S. 640 f.
16 Siehe Brandt u. Eggebrecht 1993, Bd. 2, Kat. Nr. IX-39, außerdem: Knapp
1998, Kat.-Nr. 7, S. 48 f.
17 In den bisher bekannten Archivalien (siehe Faust 1979, S. 240 ff.) finden
sich keine Hinweise.
18 Die Anordnung der Figuren wurde beim Wiederaufbau nach dem Zweiten
Weltkrieg verändert.
19 Eine Zuordnung erfolgte erst über die Arbeit von Barbara Hentschel
1998/99.
20 Siehe hierzu Leonhard 1976, S. 232.
21 Zum Wappen des Klosters St. Michaelis, siehe Faust 1979, S. 252.
22 Siehe Faust 1979, S. 241.
23 In lateinischen Ziffern MDCCLIII = 1753.
24 Siehe hierzu u. a. Feulner u. Müller 1953, S. 463 ff.
25 Eine Rezeption der Werke Hubert Gerhards in München wird für Ignaz
Günther angenommen. Vgl. dazu u. a. Woeckel 1977, S. 26 f. u. Barbara
Hardtwig in Volk 1985, S. 43, Nr. 15.
26 Vgl. hiermit die Haltung des bereits erwähnten hl. Michael von Hubert
Gerhard an der Jesuitenkirche St. Michael in München.
27 Die Figur wurde in der FH Hildesheim/Holzminden 1998/99 untersucht
und konserviert.
 
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