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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Kreuzgang von St. Michael in Hildesheim — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 20.2000

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Der Kreuzgang heute
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https://doi.org/10.11588/diglit.51152#0119
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Ivo Hammer

Inhalte und Methoden der restauratorischen Befundsicherung

Begriff
Ein Kulturdenkmal ist im modernen Verständnis eine
historische Quelle. Die mit dem Denkmal verbundenen
historischen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen
Werte sind in seiner Materie, seiner Substanz vergegen-
ständlicht, anders formuliert: jede inhaltliche, ideelle
Wertvorstellung ist an eine materielle, technologisch defi-
nierbare Grundlage gebunden.
Die Erhaltung eines Denkmals als historische Quelle setzt
also voraus, dass sein ideeller und materieller Bestand
untersucht, identifiziert und dokumentiert wird. Wir
nennen die Einheit von Untersuchung und Dokumenta-
tion Befundsicherung, ein Begriff, der sich einerseits
bewusst auf die Spurensicherung als Merkmal histori-
scher Quellenarbeit bezieht und andererseits darauf hin-
weist, dass eine Untersuchung nur dann wissenschaft-
lichen Charakter hat, wenn sie dokumentiert, das heißt
gesichert ist und damit nachvollziehbar bleibt.
Erkenntnisbereiche
Ein Architekturdenkmal ist nicht nur durch Verwitte-
rung der Oberflächen, sondern auch durch Anpassung an
die praktischen und ästhetischen Bedürfnisse der Nutzer
beträchtlichen Veränderungen ausgesetzt. Oft kann nur
mit geradezu kriminalistischer Akribie, anhand winziger
Befunde und Indizien, eine Vorstellung von der Erschei-
nungsweise in verschiedenen historischen Phasen und
damit auch von seinem Erhaltungszustand entwickelt
werden.
Die Befundsicherung ist spezifisches Tätigkeitsfeld des
Restaurators/der Restauratorin. Die Erhaltung, Pflege
und — wenn nötig — auch die Wiederherstellung (Restau-
rierung), also die Beseitigung technisch schädlicher bzw.
ästhetisch störender Materialveränderungen, erfordern
die Kenntnis der Materialien.
Maßnahmen zur Konservierung und Restaurierung wir-
ken nur dann nachhaltig, wenn nicht nur die Symptome,
sondern auch die Ursachen der Veränderungen erkannt
und behandelt werden. Es geht um einen korrekten
„Krankheits“begriff. Dabei muss unterschieden werden
zwischen normaler Alterung und nicht akzeptablen Ver-

änderungen, die wir Schäden nennen. Die Faktoren, die
zu den Schäden führen, müssen in ihrer Art, Wechselwir-
kung mit anderen Schadensfaktoren, Einwirkungszeit,
Intensität und Dynamik erfasst werden.
Interdisziplinär-transdisziplinär
Es ist nahe liegend, dass die unterschiedlichen Kontexte
kultureller Werte und die komplexen technologischen
Zusammenhänge der Untersuchung durch unterschiedli-
che wissenschaftliche Disziplinen, historische und natur-
wissenschaftliche, bedürfen, zum Beispiel der Geschichte,
Kunstgeschichte, Architektur, Statik, Archäologie, Che-
mie, Mineralogie, Geologie, Bauphysik, Meteorologie,
Materialtechnologie. Der Restaurator/die Restauratorin
hat in diesem Zusammenhang eine Mittlerstellung. Die
transdisziplinäre Erkenntnismethodik des Restaurators
bringt einerseits gegenüber der naturwissenschaftlichen
Analytik den unverzichtbaren Vorteil einer gesamthaften,
vernetzten Betrachtungsweise, und damit auch die Mög-
lichkeit, handlungsorientierte Erklärungsmodelle für
Schadensprozesse zu entwickeln. Den historischen Diszi-
plinen haben die Restauratorinnen voraus, dass sie ihre
Erkenntnisse in erster Linie aus der unmittelbaren, zum
Teil tastenden und sondierenden (also haptischen) Unter-
suchung der materiellen Quellen entwickeln und inso-
fern auch eine Brücke zum Handwerk herstellen können.
Die Restauratorinnen arbeiten im Spannungsfeld zwi-
schen wissenschaftlicher Systematik bzw. Detailkenntnis
und generalistischer, ja intuitiver Vernetzung.
Erkenntnismethoden
1. Die historischen Untersuchungen bedienen sich schrift-
licher und visueller Quellen (Archivalien, Literatur,
Pläne, Zeichnungen, Fotos etc.) und verknüpfen diese
Informationen mit den ästhetischen und technologischen
Befunden am Objekt selbst.
2. Bei den Methoden der technologischen Untersuchungen
steht die visuelle Beobachtung, also die Phänomenologie
an erster Stelle, nicht nur, weil es sich um ästhetisch aus-
sagekräftige Objekte handelt, an denen auch historische
Prozesse ablesbar sind, sondern auch, weil bei allen tech-
 
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