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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Der Kreuzgang von St. Michael in Hildesheim — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 20.2000

DOI issue:
Der Kreuzgang morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.51152#0165
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prozessen ausgesetzt. Wesentliche Ursache für die Schäden
im Kreuzgang ist die hygroskopische Feuchteaufnahme
durch die an der Oberfläche konzentrierten Salze, die bei
Klimaschwankungen zu zerstörenden Kristallisations- und
Lösungsprozessen führen (Tafel 43). Die an jedem histori-
schen Bauwerk auftretende kapillar eindringende und an
der Oberfläche thermisch kondensierende Feuchtigkeit ist
demgegenüber eher sekundär, wenn auch nicht irrelevant.5
Die Herkunft der Salze ist komplex, sie hängt in der
Regel mit langfristig wirkenden Prozessen zusammen.
Jedes Ereignis der Infiltration von Wasser, das immer
auch Salze enthält, führt im Trocknungsprozess zu einer
Konzentration von Salzen im Bereich der Maueroberflä-
che. Durch die Grablegen im Kreuzgang war die norma-
le, in Jahrhunderten langsam aufsteigende Feuchtigkeit
besonders stark kontaminiert. Andere Infiltrationsquel-
len sind der normale Schlagregen im Bereich der Fassade,
fallweise undichte Abflussrohre im darüber liegenden
Wohnbereich (90er Jahre), offensichtliche Urindepots im
Rahmen unbeaufsichtigter Nutzung und vor allem die
direkte Beregnung während der langen Periode zwischen
den Kriegszerstörungen am 22. März 1945 und der
Restaurierung des Kreuzgangs (1951).
Intensiviert wurde der Salzgehalt der Mauer zusätzlich
durch die Verwendung schädlicher Restauriermaterialien,
zum Beispiel von Romanzement (wohl während der
Restaurierung unter C. W. Hase 1870/80, Tafel 44),
durch Portlandzement (um 1935?), vielleicht auch durch
den Einsatz von Salzsäure bei der Reinigung (19. Jahr-
hundert?) und durch alkalische Salze von Festigungsmit-
teln (Kaliwasserglas?).
Die gefundenen Salze sind überwiegend leicht löslich.
Das schwerer lösliche Salz Gips ist ebenfalls in großen
Mengen vorhanden. Er ist eine spezifische Folge der Luft-
verschmutzung, nämlich der Einwirkung schwefeliger
Bestandteile in Verbindung mit Feuchtigkeit.
Bewertung der Eingriffe
Für ein Konzept der Konservierung/Restaurierung muss
die Rangordnung und Dringlichkeit der geplanten Ein-
griffe ermittelt werden. Zwei ineinander greifende Fragen
o o o
sind also zu beantworten:
1. Welche Eingriffe sind (technologisch und konservato-
risch) notwendig?
2. Welche Eingriffe sind (ästhetisch) wünschenswert?
Wesentliches Ziel der konservatorischen Eingriffe ist die
Erhaltung der authentischen historischen Substanz. Die
Dringlichkeit der Eingriffe ergibt sich aus einer Beurtei-
lung der Dynamik der Schadensfaktoren.

Die ästhetisch relevanten restauratorischen Maßnahmen
zielen auf den kulturellen Wert des Denkmals, auf seine
künstlerische Einheit, auch auf seinen Nutzwert und
seine Nutzungssicherheit.
Von der Geschichte lernen. Kriterien für die Methode
der Konservierung
Der Kreuzgang besteht im Wesentlichen aus Naturstei-
nen und Mörteln unterschiedlicher Porosität. Will man
die physikalische Charakteristik der Oberflächen des
Kreuzgangs beschreiben, kann man von einem offenen,
nicht isolierten System sprechen, das leicht zugänglich ist
für flüssige und gasförmige Schadstoffe, das in Verbin-
dung steht mit den physikalischen, chemischen und bio-
logischen Faktoren der Architektur und der Umgebung.
Das System ist hydrophil, das heißt durchlässig für Was-
ser in flüssiger Form, nicht nur in Dampfform. Feuchtig-
keit, die durch normale thermische Kondensation, durch
langsam aufsteigende Feuchtigkeit und in der Folge auch
durch die Wasseranziehung (Hygroskopie) an der Ober-
fläche konzentrierter löslicher Salze entsteht, kann rasch
und ohne großen Flächenbedarf abtrocknen.6 Die rasche
Trocknung schränkt auch die Einwirkung chemischer
und biogener Verwitterungsprozesse und die Möglichkeit
von Eissprengung ein. Salze, die nicht unter der Oberflä-
che deponiert werden, sondern an der Oberfläche ausblü-
hen, richten weniger Schaden an. Wir lernen von der
Beobachtung des Systems, dass es nur langsam verwittert,
sich sozusagen selbst erhält, solange normal auftretende
Feuchtigkeitsmengen rasch verdunsten können. Wichti-
o o
ges Kriterium für die Wahl der Methode der Konservie-
rung ist also die Erhaltung der offenen, hydrophilen
Porosität der Oberfläche.
An den Befunden zur Baugeschichte und zur Polychro-
mie ist abzulesen, dass der Kreuzgang in seiner Geschich-
te laufend gepflegt wurde. Die bis ins 19. Jahrhundert
lebendige historische Tradition der Reparatur und Pflege
mittels Verputzergänzungen, Schlämmen und Tünchen
diente der „Verschönerung“ und hatte zugleich auch
einen konservierenden Effekt. Die verwendeten traditio-
nellen Materialien, vor allem Kalk und Sand, und die
entsprechende Anwendungstechnik war und ist mit dem
vorgefundenen physikalischen System verträglich (kom-
patibel). Die historisch bewährten Systeme der Reparatur
und Pflege geben uns wichtige Hinweise für den Charak-
ter unserer Methode der Konservierung.
Am Kreuzgang kann man die Folgen des Bruchs mit den
historischen Traditionen der Reparatur studieren: Der im
dritten Viertel des 19. Jahrhunderts angewandte Restau-
 
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