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Segers-Glocke, Christiane [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Auf den Spuren einer frühen Industrielandschaft: Naturraum - Mensch - Umwelt im Harz — Hameln: Niemeyer, Heft 21.2000

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Lutz Grunwald: Der Oberharz und sein unmittelbares Vorland. Ein Abriss der Siedlungsgeschichte vor dem Einsetzen der schriftlichen Überlieferung im 8. Jahrhundert n. Chr.
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https://doi.org/10.11588/diglit.51267#0065
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Mensch und Umwelt

Die der Karte von Laux zu entnehmende Fundleere ist daher etwas
zu relativieren, in der Kernaussage aber richtig: Das Umland der
Harzes war in dieser Zeit nach unserem heutigen Wissen nur sehr
spärlich bewohnt. Die Analyse einiger in Düna geborgener Fund-
stücke hat aber vor diesem Hintergrund ein bemerkenswertes Er-
gebnis erbracht: In Düna wurden Rammeisbergerze und Oberhar-
zer Gangerze zum Teil in beträchtlichen Mengen verarbeitet
(Brockner / Griebel / Koerfer 1997, 55). Ein silbernes Fibelfragment
des 475. Jahrhunderts n. Chr. (Abb. 9) wurde aus Oberharzer Erz
hergestellt (Schätze des Harzes 1994, 64). Der Transport des Erzes
vom Nord- zum Westharzrand ist daher nachgewiesen. Zumindest
seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. (Brockner 1991) wurde nach den
Untersuchungen in Düna im Rammeisberg bei Goslar Buntmetall
von einer dort ansässigen Bevölkerung abgebaut, vermutlich über
den Oberharz transportiert und in Düna weiterverarbeitet. Dieses
widerspricht dem archäologischen Wissensstand deutlich, der ja
für diese Zeit eher von einer menschenleeren Region ausgeht.
Offensichtlich liegt hier eine Forschungslücke vor. Das Oberharz-
umland kann nicht derart von den Menschen verlassen gewesen
sein, wie es den Anschein hat. Die Spuren der ansässigen Bevölke-
rung müssen von der wissenschaftlichen Forschung in Zukunft
stärker gesucht werden.
Aus dem 576. und 7. Jahrhundert n. Chr. sind für das Umland
des Oberharzes nur wenige Fundstellen festzustellen. Als bekannte
Ausnahme ist die Siedlung Düna zu nennen, für die eine Sied-
lungskontinuität bewiesen ist. Die unwirtliche Region des Oberhar-
zes war sicherlich kein bevorzugter Siedlungsraum. Für die Zeit um
500 n. Chr. kann man bundesweit wohl von 2,4-2,8 Menschen je
qkm ausgehen (vgl. Beitrag Witthöft). Diese Zahl dürfte aber für
die Oberharzregion viel zu hoch sein. Hier ist vielmehr von einem
sehr gering besiedelten und - zumindest teilweise - unter thürin-
gischem Einfluss stehenden Oberharzvorland auszugehen (vgl.
Schmidt 1989, 221 f. mit Abb. Ders. 1997, 289). Als deutlicher
Beleg ist hier das Gräberfeld von Beuchte zu nennen, das sowohl
nach Bestattungsbrauch als auch nach Grabbeigaben auf eine
zum Stamm der Thüringer gehörende Bevölkerung schließen läßt.
Indizien für eine Anwesenheit des Menschen im Oberharz fehlen
für diese Zeit gänzlich.
Sächsische Gräberfelder setzen im Oberharzvorland erst mit
der Expansion dieses Stammes nach Süden im Verlauf des 7. Jahr-

hunderts an dessen Nordrand ein. Trotzdem bleiben in die Zeit
vom 7. bis zum 9. Jahrhundert zu datierende sächsische Bestat-
tungsplätze im Umfeld des Oberharzes selten. Im südwestlichen
Harzrandgebietfehlen sie nach F. Laux gänzlich (Laux 1999, 147
Abb. 3. So auch: Weber 1990, 72 Abb. 38). Für das Nordharzvor-
land ist für das 778. Jahrhundert n. Chr. als Beispiel das Gräberfeld
von Othfresen zu nennen (Busch 1978, 73 Abb. 2,7. Thielemann
1957). Keramikfunde des 7.-9. Jahrhunderts n. Chr. liegen auch
für das südwestliche Harzumland zum Beispiel aus Düna, Gittelde
und Badenhausen (Reissner 1987) vor. Diese weisen auf frühe mit-
telalterliche Ansiedlungen an diesen Stellen hin, können aber nicht
generell dem sächsischen Stamm zugewiesen werden. Vielmehr
sind in Düna für das 7. und 8. Jahrhundert eindeutige Kontakte
nach Hessen festzustellen. „Die Frage nach dem ersten Auftreten
sächsischer Kultur- und Sachgüter im südwestlichen Harzvorland
muss - daher auch - weiterhin als ungelöst angesehen werden"
(Both 1996, 107. Claus 1976, 130). Nach der Ortsnamensfor-
schung sollen die Namen von Gittelde (Gelithi) und Düna (Dunede)
bis in das 576. Jahrhundert n. Chr. zurückverweisen (Janssen
1963). Während diese Auslegung für Düna zu bestätigen ist, liegt
für Gittelde ein solcher Beweis aus archäologischer Sicht noch
nicht vor. Mit der Errichtung der ersten befestigten Adelshöfe im
Umland des Oberharzes (zusammenfassend: Schulze 1978. Weide-
mann 1978), wie dies in Gittelde im späten 8. Jahrhundert n. Chr.
der Fall war, kristallisierten sich die Machtstrukturen der neuen Zeit
heraus, in der dann die Erze des Harzes intensiv ausgebeutet
wurden, wie sich an der Verteilung der frühen Schmelzplätze im
Oberharz (vgl. Klappauf in diesem Band) ablesen lässt.

Anmerkungen
1 Für die konstruktive Durchsprache der das Paläo- und Mesolithikum
betreffenden Textteile sei an dieser Stelle Herrn Dr. H. Thieme, Niedersäch-
sisches Landesamt für Denkmalpflege, herzlich gedankt.
Abbildungsnachweis
1-3, 8 R. Krone / H.-J. Lichtenberg, Abb. 4-7, 9 C. S. Fuchs (Niedersäch-
sisches Landesamt für Denkmalpflege).

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