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Müller, Michael Christian; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Orgeldenkmalpflege: Grundlagen und Methoden am Beispiel des Landkreises Nienburg/Weser — Hameln: Niemeyer, Heft 29.2003

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51261#0014
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besitzt (Abb. 3). Solche Leisten baute man verschiebbar
auf der Oberseite der Windlade bzw. unter den
Pfeifenfüßen ein und verband sie mit einem Hebel am
Platz des Organisten. Betätigte er den Hebel, schob er
die Bohrungen unter die Pfeifenfüße. Drückte er außer-
dem eine Taste, konnten die entsprechenden Pfeifen
klingen. Register, die er nicht durch die Hebelbewegung
einschaltete, blieben trotz des Tastendrucks stumm.
Die Windlade -
Zentrale Funktionseinheit der Orgel
Die Spieltraktur mit ihrer „Verteileranlage", dem Wellen-
brett, sowie die Registrierbarkeit führen nun zu einer
ersten, aber auch entscheidenden Ausweitung unserer
„Minimaldefinition": Mit der wenigstens grundsätzlich
gegebenen Möglichkeit zu registrieren war nämlich zu-
gleich die technische Grundlage für die Funktionsweise
der Orgel, wie wir sie kennen, gegeben, jene Grundlage,
die den Orgelbau in den kommenden Jahrhunderten
und bis heute bestimmen sollte. Sie beruht letztlich auf
dem Prinzip einer Matrix aus x- und y-Koordinaten: Eine

Klaviatur und die Auswahl der Klangfarben über die
Registratur, war nun in einem, dem zentralen Bauteil der
Orgel umzusetzen. Die Entwicklung dieses Bauteils, der
Windlade, ist eine kaum zu überschätzende Ingenieur-
leistung für die Zeit ihrer Erfindung im 15. Jahrhundert.25
Diejenigen Windladen, die nach dem oben beschriebe-
nen Prinzip funktionieren, werden in einem Oberbegriff
Tonkanzellenlade genannt. Eine Windlade aus Tonkan-
zellen, die Schleifen als Registriervorrichtung besitzt, ist
die Schleiflade (Abb. 4). Mit ihr sind auch heute die
meisten Orgeln ausgestattet, weil sie verbreitet als das
zuverlässigste und der Idee der barocken Orgel am ehes-
ten entsprechende System betrachtet wird.26 Sie besteht
aus einem rechteckigen Holzkasten, der in so viele
schmale Abschnitte unterteilt ist, wie die Orgel Tasten
bzw. Töne besitzt. Die winddichten Abschnitte nennt
man Kanzellen, daher die Bezeichnung
Tonkanzellenlade. Jede Kanzelle besitzt ein Ventil, das
mit einer Taste verbunden ist (x-Achse). Unterhalb der
Ventilreihe befindet sich ein quer gerichteter Kasten, der
mit der Windversorgung der Orgel verbunden ist, also
unter einem spezifischen Winddruck steht. Wird ein

Pfeife erklingt erst dann,
wenn sowohl ein Ventil
durch Tastendruck geöffnet
wird (=x-Achse) und gleich-
zeitig das entsprechende
Register eingeschaltet ist
(=y-Achse). Zum Erzeugen
eines Pfeifentons werden
also zwei Informationen
benötigt. Die Überkreu-
zung zweier solcher Infor-
mationskanäle, also die
Auswahl der Töne über die

4 Schleiflade mit mechani-
scher Spiel- und Register
traktur (a: Taste, b: Abstrakte;
c: Wellenwerk, d: Wellenärm-
chen, e: Wellenbrett,
f: Abstrakte, g: Ventilkasten,
h: Pulpete, i: Tonventil,
k: Ventilfelder, I: Tonkanzelle,
m: Kanzellenschiede,
n: Kanzellenspunde,
o: Fundamentalbrett,
p: Schleifen, q: Registerzüge,
r: Winkel, s: Wippen,
t: Dämme, u: Pfeifenstöcke,
v: Pfeifenrastbretter,
w: Pfeifenbank, x: Kondukten,
y: Windkammerspund)


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