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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 31.2004

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Sektion 6: Historische Forschung in der Denkmalpflege - Das Beispiel der Stadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.51150#0386
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382

Sektion 6: Historische Forschung in der Denkmalpflege - Das Beispiel der Stadt

Archäologisch-historische Stadtkataster

Chancen und Grenzen archäologisch-historischer Stadtkataster
Gabriele Isenberg

Abb. 1: Soest, Ausgrabung
„Kohlbrink“ am Soestbach,
Salzsiedeöfen aus der Zeit
um 600 n. Chr., 1982.

Abb. 2: Soest, Ausgrabung
„Kohlbrink“ am Soestbach,
Rekonstruktion eines mittel-
alterlichen Salzsiedeofens
mit Bleipfannen aus der Zeit
um 600 n. Chr., 1990.


Ende der 70er Jahre ergab sich aus der praktischen
Arbeit der Bodendenkmalpflege in Westfalen-Lippe
mehr und mehr die Notwendigkeit, archäologische
Stadtkataster zu erstellen. Die Gründe dafür waren
vielschichtig, hingen aber alle mit der Neubewertung
der historischen Stadt zusammen, die nach einer Phase
radikalen Umgangs mit den Hinterlassenschaften der
Bombenzerstörung des Zweiten Weltkriegs in den 70er
Jahren des 20. Jahrhunderts einsetzte.
In dieser Dekade begann die Erforschung der his-
torischen Stadt ihren Weg, getragen von der durch das
Inkrafttreten des Städtebauförderungsgesetzes aus-
gelösten Modemisierungswelle, endgültig aus dem
engeren Stadtkern hinaus zu finden. Für die
bodendenkmalpflegerische Arbeit bedeutete das den
Wandel von einer Stadtkemarchäologie zu einer Stadt-
archäologie, die zunächst die Stadt in ihren spätmittel-
alterlichen Grenzen, das heißt bis zur ehemaligen
Befestigung ins Visier nahm.


Mit dem Inkrafttreten des Denkmalschutzgesetzes
Nordrhein-Westfalen am 1.7.1980 erweiterte sich das
Tätigkeitsfeld für die Stadtarchäologen erneut.
Auf der Grundlage einer gemeindlichen Verant-
wortung für die Denkmale wurde nun der gesamte
Stadtraum in seinen gegenwärtigen Grenzen Gegen-
stand des bodendenkmalpflegerischen Interesses, das
heißt auch die ehemalige Feldmark der mittelalterlichen
Stadt mit deren zahlreichen Versorgungs- und Entsor-
gungseinrichtungen sowie das bäuerliche Siedlungs-
umfeld wurden als schütz- bzw. erforschungswürdig
betrachtet. Doch war bei diesem neuen, wesentlich er-
weiterten Aufgabengebiet die gesetzliche Forderung
eine Sache, die Akzeptanz der Denkmalwürdigkeit eine
andere.
Während die den urbanen Keimzellen zugewandte
traditionelle Stadtkemarchäologie wenige Anforde-
rungen an die Begründung bodendenkmalpflegerischen
Einsatzes stellte, kam es bei archäologischen Unter-
suchungen außerhalb dieser Kembereiche zunehmend
zu Konflikten, weil die Einsicht in die Notwendigkeit
zeitraubender und kostspieliger Einsätze der Boden-
denkmalpflege in vermeintlich wenig bedeutenden
Stadtquartieren nicht vorhanden war und sich auch we-
nig Bereitschaft erkennen ließ, für diese Art boden-
denkmalpflegerischer Aktivitäten Verständnis aufzu-
bringen.
Begründet war die mangelnde Akzeptanz darin, dass
es sich dabei meist um Bereiche jüngerer Besiedlung im
Stadtgebiet handelte, die in der Regel erst im Hoch- oder
sogar im Spätmittelalter erfolgt war, zu einer Zeit also,
als die schriftliche Überlieferung bereits recht dicht
geworden war, ja selbst schon früheste bildliche Stadt-
darstellungen „auf den Markt“ kamen. Erschwerend
kam hinzu, dass die meisten der fraglichen Stadt-
quartiere in ihrer historischen Individualität schwer
differenzierbar sind.
Folglich wurde die Erforschung solcher Areale als
Luxus angesehen, der allenfalls die Vitrinen örtlicher
Museen füllte oder illustratives Material zu einschlä-
gigen Stadtgeschichten abgab, aber kaum einen
wesentlichen Erkenntnisgewinn für den Entwicklungs-
prozess einer Stadt anzubieten schien. Erst spektakuläre
Ausgrabungen außerhalb des engeren Kembereichs
einiger Städte belegten eindrucksvoll das Gegenteil und
verhalfen auf diese Weise der Bodendenkmalpflege im
gesamten Stadtraum zur Emanzipation gegenüber der
traditionellen Stadtgeschichtsforschung.
Zwei Beispiele seien an dieser Stelle kurz angeführt,
die unterschiedliche Abschnitte der Entwicklung der
jeweiligen Stadt betrafen.
In Soest führten die Ergebnisse einer Ausgrabung
weit nördlich des Kembereichs zu einer völlig neuen
Sicht der Stadtgenese. Nachdem seit dem späten 19.
 
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