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Möller, Hans-Herbert [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Siedlungen der zwanziger Jahre in Niedersachsen — Hannover: Niedersächs. Landesverwaltungsamt, Heft 4.1985

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Möller, Hans-Herbert: Vorwort
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https://doi.org/10.11588/diglit.50502#0007
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Vorwort

Ein hervorragendes Beispiel der Architektur des Internatio-
nalen Stiles, der August-Bebel-Hof in Braunschweig, den
der Hamburger Architekt Fr. R. Ostermeyer in den Jahren
1929/30 errichtet hatte, geriet Mitte der fünfziger Jahre in
arge Bedrängnis. Die Qualität dieser Architektur - in die
Höhe gestaffelte und um Höfe gruppierte weiße Baukörper
mit Flachdächern, denen ein schlanker Uhrenturm ein
städtebauliches Merkzeichen gab — war schon während
der Erbauungszeit nicht verstanden worden; und diese
Beurteilung teilte sie auch noch in den Jahren nach dem
Zweiten Weltkrieg. Gegen den hartnäckigen Widerstand
der Denkmalpflege, die sich selbstverständlich bereits
damals verpflichtet fühlte und den Denkmalwert nach-
drücklich herausgearbeitet hatte und auch gegen verständ-
nisvolle Bewohner, die sich in einer „Interessengemein-
schaft“ zusammengefunden hatten, erfuhren die Gebäude
der Siedlung aus Gründen der Bauunterhaltung in den
Jahren 1956/57 durch Aufstockung und durch Sattel-
dächer (aber auch durch Anstrich) entstellende Eingriffe.
Daß die Verballhornung architektonischen Wollens und
städtebaulicher Qualität sich vielerorts bis in die Gegenwart
fortsetzt, ist uns allen schmerzlich bewußt. Die auf Denk-
malschutzgesetze gestützten, bewahrenden Restriktionen
stoßen bei den Eigentümern, seien sie noch Gesellschaf-
ten oder inzwischen private Einzeleigentümer, in der Regel
auf Unverständnis, oft auf Ablehnung.

Dort, wo noch keine neueren Denkmalverzeichnisse vor-
liegen, sind wohl Verwaltungs- und Planungsbehörden
auch überfordert, im Alltag Entscheidungen zu treffen, die
vom „kleinen Eingriff“ der neuen Haustür bis zur stadt-
strukturellen Veränderung reichen. Wie empfindlich die
feingegliederten Fassaden reagieren, zeigt sich ja vielfältig
bei der Umsetzung von Energiesparmaßnahmen durch den
Einbau von sprossenlosen wärmedämmenden Fenstern.
Diese Überlegungen haben die niedersächsische Denk-
malpflege veranlaßt, ein Gutachten von Frau Prof. Dr.
Kristiana Hartmann, Technische Universität Braunschweig,
zum Siegfriedviertel in Braunschweig zum Ausgangspunkt
einer darüber hinausgreifenden, bewertenden Untersu-
chung von Beispielen des Siedlungsbaues der zwanziger
Jahre in Niedersachsen vorzunehmen. Das hiervorgelegte
Ergebnis, das durch restauratorische Untersuchungen über
die ursprüngliche Farbigkeit eine sinnvolle, praxisbezo-
gene Ergänzung erfährt, wird nun als Grundlagenmaterial
für den Umgang mit dieser Denkmalgattung zur Verfügung
gestellt; ihre Bedeutung wird durch das Symposion des
Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz im Mai
1985 unterstrichen, das Berlin als architekturbildende und
-formende Stadt nicht nur der ersten Hälfte unseres Jahr-
hunderts zum Tagungsort gewählt hat.
Prof. Dr. Hans-Herbert Möller
Landeskonservator

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