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Möller, Hans-Herbert [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Siedlungen der zwanziger Jahre in Niedersachsen — Hannover: Niedersächs. Landesverwaltungsamt, Heft 4.1985

DOI Artikel:
Hartmann, Kristiana; Lemke, Gundela; Lemke-Kokkelink, Monika: Katalog ausgewählter Siedlungen in Niedersachsen
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https://doi.org/10.11588/diglit.50502#0034
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Braunschweig ®S7)
ehern. „Stahlhelm-Block“
Wendenring, Ratsbleiche, Huttenstraße
Baujahr: 1925-27
Architekt: Siedentop
Bauherr: Gemeinnützige Stahlhelm-Wohnungsbaugesellschaft mbH

Im März 1925 feierte der Landesverband Braunschweig des
„Stahlhelm“ die Grundsteinlegung der Wohnanlage mit er-
heblichem propagandistischem Aufwand. Der „Stahlhelm-
Block“ diente als gebaute Selbstdarstellung des ultrarechten
Wehrverbandes ehemaliger Weltkriegsteilnehmer. Mit dem
„machtvollen Zeugnis von Stahlhelmgeist und Stahlhelm-
opferwillen zur Erinnerung an kommende Geschlechter“
wollte sich der hinsichtlich Organisationsfragen und der „Ver-
körperung deutschen Geistes“ damals als vorbildlich ge-
nannte Braunschweiger Landesverband ein Denkmal set-
zen.
Der im Anschluß an Vorkriegsbebauung auf einer weiten
Baulücke am Wendenring errichtete Komplex galt als größ-
ter geschlossener Baublock im Braunschweiger Stadtge-
biet. Um ein einheitliches architektonisches Bild zu erhalten
und den Nachteil dunkler Seitenzimmer zu vermeiden,
wurde von der hier verbindlichen Bauweise abgewichen. Die
Anlage ist in drei Wohnhöfe gegliedert, deren mittlerer ur-
sprünglich als begrünter Schmuckplatz mit Springbrunnen
gestaltet war. Von hier aus erfolgt die Erschließung der bei-
den Binnenflügel, während die übrigen Zugänge straßensei-
tig orientiert sind. Ebenso vorbildlich wie die dem öffentlichen
Verkehr entzogenen Licht und Sonne bietenden „Platzanla-
gen“ - als Höfe im üblichen Sinne wollten die Erbauer sie
nicht bezeichnen - sollte der Zuschnitt der Wohnungen aus-
fallen. Von insgesamt 200 Wohneinheiten kamen haupt-
sächlich Drei- und Vierzimmerwohnungen zur Ausführung,
wobei die Dreizimmerwohnung zwischen 80 m2 und 90 m2,
in Einzelfällen über 100 m2 Wohnfläche aufweist.
Die Elemente der Fassadengestaltung zeigen sich traditiona-
listischem Formenvokabular verpflichtet. Dacherker, rusti-
zierte Sockelzonen und scharfkantig-plastische Rahmungen
von Fenstern und überhöht ausgebildeten Hauseingängen
geben der insgesamt massigen, breitgelagerten Anlage ein
wehrhaftes Gepräge, das lediglich durch die expressionisti-
sche Putzornamentik der Erker aufgebrochen wird. Eine zeit-
genössische Beschreibung des Architekten Siedentop be-
tont, daß jeder Luxus in der Gestaltung vermieden sei, daß
einfache Formen, eine schlichte und ruhige Flächenauftei-
lung, eine einheitliche Zusammenfassung zu einem Großen,
Ganzen erreicht seien, ohne dabei kasernenmäßig langweilig
zu werden. Er selbst bezeichnete den Bau als „Sinnbild der
schlichten Größe und der unüberwindlichen Macht des
Stahlhelms“. Ein bestimmendes Element der Fassadenge-
32 stalt ist die gleichmäßige Reihung der von Gesimsen horizon-


M 1:5000 (Freigabevermerks. S. 128)

tal eingebundenen Fenster, deren durch Kämpfer und
sprossengeteilte Flügel gegliederten Originale heute voll-
ständig ausgetauscht sind gegen verunstaltende, großflä-
chig verglaste Modelle. Auch die originalen Eingangstüren
mußten „modernen“ Nachfolgern weichen.
Der zentrale Schmuckhof hat inzwischen seine frühere Funk-
tion als begrünte „Oase“ zugunsten des ruhenden Verkehrs
eingebüßt, eine mittlere reduzierte Grünanlage - ohne
Springbrunnen - besteht noch heute.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Huttenstraße/Ecke
Ratsbleiche baute die Stahlhelm-Wohnungsbaugesellschaft
1927-28 mit demselben Architekten einen Wohnkomplex,
der in seinem „gefälligen“ Funktionalismus eine gegensätz-
liche Architektursprache dokumentiert.


57 „Stahlhelmblock“, Blick in den zentralen Innenhof,
zeitgenössische Aufnahme, 1929 veröffentlicht, Reproduk-
tion aus Lit.-Nr. 4
 
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