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Adreßbuch der Stadt Heidelberg: Adreßbuch der Stadt Heidelberg mit den Gemeinden Ziegelhausen und Leimen sowie der Stadt Wiesloch — 81.1949

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https://doi.org/10.11588/diglit.41980#0012

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VIII

Wandlungen im Bevölkerungsbild Heidelbergs

ein, der seitdem wesentlich das Gepräge Heidelbergs bestimmt hat. Der Zuzug von Professoren und Studenten
war von nicht geringer wirtschaftlicher Bedeutung. Die Stadt erlebte einen außerordentlichen Aufschwung. Für
die wachsende Bevölkerungszahl reichte bald die enge Stadt im Neckartal nicht mehr aus. Im Jahre 1392 ord-
nete der Kurfürst die Erweiterung der Stadt nach Westen um die sogenannte Neustadt an, die vom heutigen
Universitätsplatz bis zur Sofienstraße reichte. Und in diese Vorstadt verpflanzte er kurzerhand die gesamte Ein-
wohnerschaft des alten Dorfes Bergheim, das der weiteren Entwicklung der Stadt Heidelberg im Wege stand
und daher restlos abgebrochen werden mußte. Diese erste Heidelberger Eingemeindung führte der Bevölkerung
der Stadt ein starkes, pfälzisches, ausgesprochen bäuerliches Element zu. Man kann sich wohl vorstellen, daß
das Zusammenleben zweier so verschieden gearteter Bevölkerungsteile nicht ohne Reibungen abging, zumal die
Bergheimer gewiß nicht leichten Herzens ihre alten Wohnstätten auf gegeben haben.
Im Jahre 1439 zählte Heidelberg etwa 5500 Einwohner. Vergleicht man damit die entsprechenden Zahlen
von Weinheim (1740) und Ladenburg (1410), dann ersieht man daraus, wie Heidelberg aus dem Kreise der be-
nachbarten Städte herausgewachsen war. Allerdings hinter Mainz, das zu jener Zeit etwa 5700 Einwohner
zählte, erst recht hinter Frankfurt (10 000) oder gar Köln (30 000), der volksreichsten Stadt des spätmittelalterli-
chen Deutschland, blieb die pfälzische Residenz an Bedeutung und Seelenzahl doch noch zurück. In der Bevöl-
kerung Heidelbergs scheint damals das fremde Element gegenüber der alteingesessenen Bürgerschaft sehr stark
vertreten gewesen zu sein. Das bekannte pfälzische Steuerregister von 1439, das für 60 Orte der rechtsrheini-
schen Pfalz die Namen der Steuerzahler, ihr Vermögen und Steueraufkommen, gelegentlich auch den Beruf auf-
führt, bezeugt das. Denn Heidelberger Einwohnernamen wie Clas von Osthoven, Henchin von Michelstadt,
Leonhard von Mospach, Leonhard von Eberbach weisen auf zugezogene Bürger hin. Geht man die Namen wei-
ter durch, so stellt man fest, daß nicht nur die unmittelbare pfälzische Nachbarschaft in Heidelbergs Einwohner-
schaft vertreten war, sondern auch zahlreiche andere deutsche Landschaften wie Württemberg, Bayern, Main-
franken. Ja, selbst aus der Schweiz, aus Böhmen und Polen scheinen vereinzelte Einwohner oder ihre Vorfahren
gekommen zu sein. Daneben begegnen wir Namen, die wir bereits in früheren Heidelberger Urkunden ange-
troffen haben: Rypold (bereits 1354), Ingram (1359), Salwert (1369 Sarwort), Henkelman (1369), Sygelmann
(1399), Segenant (1399), Harlaß (1399). So mischen sich in der Heidelberger Bevölkerung des 15. Jahrhun-
derts bereits Pfälzer und Zugewanderte, Einheimische und Fremde. In der Verschmelzung beider Elemente hat
sich immer wieder die Heidelberger Bevölkerung geformt. Angesichts der Dürftigkeit der Quellenüberlieferung
ist es natürlich unmöglich, die Alteingesessenheit gewisser Heidelberger Familien bis ins 15. Jahrhundert zurück
sicher nachzuweisen. Wenn wir daher in dem genannten Einwohnerverzeichnis von 1439 oder in Einzelurkun-
den dieser Zeit bereits Namen antreffen, die auch heute noch in Heidelberg Vorkommen — wie Ackermann,
Figenbotz, Dietz, Fries, Hornung, Hohermut, Karg, Murer, Pflumer, Slicksupp, Spannagel, Voltz — dann ist da-
mit noch keinesfalls erwiesen, daß hier tatsächlich eine lückenlose Kontinuität, eine Ortsansässigkeit durch 5
Jahrhunderte hindurch vor liegt. Als möglich können wir sie natürlich annehmen.
Aus dem Jahre 1588 ist ein „Verzeichnus der Inwohner der Churfürstlichen Stadt Heidelberg“ erhalten, das
uns wieder einen genaueren Einblick in die Bevölkerungsverhältnisse der Stadt vermittelt. Die kurfürstliche
Residenz stand damals kurz vor ihrer höchsten Blüte. Zahlreiche Künstler haben das Bild der Stadt, die zu ei-
ner Hochburg des Calvinismus geworden war, festgehalten und uns so überliefert. Der Umfang der Stadt hatte
seit ihrer Erweiterung im Jahre 1392 keine Veränderung mehr erfahren, noch wies aber die Vorstadt bauliche
Lücken auf. Immerhin waren zahlreiche Adelshöfe und prachtvolle Bürgerhäuser entstanden, die das Stadtbild
bereichert haben mögen. Der Burg über der Stadt, an der die Pfalzgrafen Jahrhunderte bauten, war zuletzt der
prunkvolle Renaissancepalast Kurfürst Ott-Heinrichs hinzugefügt worden.
Belebende Kraft des Wirtschaftslebens der Stadt in jenen Tagen war in erster Linie der Hof, sodann die
Universität, deren Studentenzahl zu Ende des 16. Jahrhunderts allerdings nur 100—200 betrug. Auch trugen
beide, Hof und Universität, wesentlich zur Belebung des Durchgangsverkehrs bei, aus dem die zahlreichen Hei-
delberger Gasthöfe Nutzen zogen. Heidelberg zählte damals 6380 Einwohner. Gegenüber 1439 bedeutet dies
also eine Zunahme um 16%. Hinsichtlich Beruf und sozialer Schichtung wies die Bevölkerung starke Unter-
schiede auf: etwa die Hälfte der Bevölkerung setzte sichaus Gewerbetreibenden zusammen, dazu kamen die kur-
fürstlichen Beamten, die Angestellten der Universität, schließlich die Menge der kleineren Leute, namentlich
Fischer und Weingärtner. Insgesamt 43 Fischer zählt das Einwohnerverzeichnis auf. Zu ihnen gehörten die alten
Fischerfamilien Clorman, Fries und Überle. Überraschen mag die hohe Zahl von 84 Weingärtner. Wie stark sich
die wirtschaftliche Struktur Heidelbergs in den folgenden drei Jahrhunderten gewandelt hat, zeigt die beige-
fügte Tabelle über die berufliche Gliederung der Heidelberger Bevölkerung in den Jahren 1588 und 1882.
Die Weinbauern sind danach in Heidelberg ganz verschwunden, und der Anteil der Fischer an der Gesamt-
bevölkerung ist von 4,4% auf 1% gesunken.
 
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