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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 14.1896

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Nr. 8
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Wandmalereien in Burgfelden
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https://doi.org/10.11588/diglit.15913#0087

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74

Schwierigkeit bereitet nur noch die Er-
klärung der letzten Scenen der Nordwand,
welche einen U e b e r f a l l i in W a l d e
schildern; doch liegt die Schwierigkeit
weniger im Bilde, als in nnbesngtcn,
phantastischen Hypothesenbildnngen, lvelche
man an dasselbe anheftete. Gegen meine
Beziehung der Scene ans die Parabel
vom barmherzigen Samaritan erhob sich
die Panlus'sche Hypothese, wonach dieselben
vielmehr eine profane Begebenheit, näm-
lich die urkundlich berichtete Ermordung
zweier Zollerngrafeu iui Jahr 1061
(Burcardus et Wezil de Zoloria occi-
duntur; Neichenancr Chronik) erzählen
würden; für diese Ermordeten, die ver-
muthlich Herren der nahen Schalksburg
gewesen, sei wahrscheinlich die Kirche als
Grablege gebaut worden, weßwegeu auch
in der Kirche das traurige Ereignis; Auf-
nahme in den Gemäldecyklns gesunden
habe. Th. Ziugeler suchte zwischen beiden
Auffassungen zu vermitteln, indem er zu-
gab, das; die Deutung ans jene Parabel
sich nahelege, aber in seinem blutigen Vor-
kommniß und in der Bestimmung der
Kirche als Sühne- und Grabkirche Anlaß
und Motiv finden wollte, warum gerade
diese Parabel zur Darstellung gebracht
würde.

Die Paulus'sche Hypothese, erstmals
1893 in der Festschrift zum fünfzigjährigen
Jubiläum des württembergischeu Alter-
thumövereius veröffentlicht, hat nenestens
auch in das Staatswerk: Die Kunst- und
Alterthumsdenkmale im Königreich Würt-
temberg (11.—15. Liefg. S. 22 ff.) Auf-
nahme gefunden, bereichert und verziert
durch romantische und allegorische Ara-
besken, welche von einem Pfarrer Dr. Losch
stammen. Darnach sollten die Blumen
(welche gar nicht da sind) und der Hirsch
„sicher symbolisch" sein und letzterer den
Todeshirsch Alahirzi bedeuten, welcher
Blumen, d. h. Menschenleben abbeißt;
„demnach dürste es sich um den Mord
zweier Brüder (!), und zwar aus Blut-
rache (!!), handeln; siehe die zwei Blumen
auf dem abgebisfeneu Zweig und die hinter
dem Allgreifenden am Boden liegende"
(ebenda S. 24).

Der Verfasser unserer Monographie hat
sehr gut daran gethau, daß er mit diesen
Phantastereien, welche in Dilettantenkreisen

vielleicht doch gläubige Nachbeter hätten
siildcil und zur tadle convenue hätten
werden können, in einem eigenen Anhang
am Schlüsse (S. 89 — 94) gründlich auf
räunlte. Hoffentlich wagt es uicmaud
nlehr, diese unhaltbare Position zll ver-
theidigen.

In dem Excnrs über Parabeldarstel-
lnngen im frühen Mittelalter (S. 33
bis 39) stimmt der Verfasser meiner Deu-
tnng im Prinzip vollständig zu. Allch er
hält unbediilgt daran fest, das; eine profane
Scene in einer Kirche des 11. Jahrhun-
derts, vollends »litten unter tantev bib-
lischen Bildern undenkbar sei, ganz abge-
sehen davon, das; der Ueberfalleue völlig
Waffen- und wehrlos nnb in schlichte
Bauerntracht gekleidet ist, also sicher keinen
Ritter und Grafen repräscntirt. Auch
Weber erkennt in den Bilderil eine Dar-
stellling der Parabel vom barmherzigen
Sanlaritau. Er weicht von mir nur darin
ab, daß er die erste Scene, rechts vom
Ueberfall nicht auf das Nahen des Sama-
ritans, sondern auf den Auszug des
Reifenden ans Jerusalem bezieht; er be-
tritt eben den Wald, in welchem die dr>i
Mordgeselleu ihm anflauern und sich zum
Ueberfall bereit machen. Hier hat er eut-
schiedeu Recht gegen mich lind ich beuge
mich gerne dem Gewicht seiner Gründe.
In mehreren, vielleicht fünf Episoden —
das ist das absolut gesicherte, jede Wider-
rede ausschließeude Resultat der Unter-
suchung — ist die Geschichte des barm-
herzigen Samaritans erzählt; zwei davon
sind noch erhalten; für drei weitere, welche
wohl schilderten, wie Priester und Levite
anl Verunglückten vorübergeheu, wie der
Samariter sich seiner annimmt imb ihn
zur Herberge bringt, vielleicht auch, wie
der Genesene sich vom Herbergvater ver-
abschiedet, bot die Westwand Raum genug.
Aus zahlreichen, ungefähr gleichzeitigen
Denkmälern erbringt der Verfasser den
Beweis, welcher alle Bedenken gegen diese
Erklärung zum Schweigen bringt, „erstens,
daß die Künstler jener Zeit die Parabel
ganz nach ihrem Gutdünken behalldelten,
den Reisenden bald zu Pferd, bald zu
Fuß daherkommeu ließen imb die Erzäh-
lung in so viele Einzelheiten zerlegten,
als für ihren jedesmaligen künstlerischen
Zweck gerade uothwendig erschien, und
 
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