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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 14.1896

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Nr. 8
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Wandmalereien in Burgfelden
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https://doi.org/10.11588/diglit.15913#0088

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zweitens, daß die Burgfelder Darstellung
nichts an Znthaten zur evangelischen Er-
zählung enthält, was sich nicht durch
gleichzeitige Denkmäler belegen ließe"
(S. 38).

Damit wäre der ganze Bilderkreis und
Gedankenkomplex des Burgfelder Cyklus
mit ziemlicher Sicherheit festgestellt und
rekonstruiert. Zu beachten ist dessen Ein-
heit und Geschlossenheit. Mittel- und
Brennpunkt ist das Hanptgemälde der Ost-
wand : Weltgericht, Himmel und Hölle.
Um ihn konceutrireu sich alle anderen
Darstellnngt-n. Ans dieses Ende aller
Dinge weisen die apokalyptischen Scenen
der Südwand wie der Prophetenchor der
Nordwand. Damit stehen auch die Pa-
rabeln im engsten Zusammenhang. Es
entspricht durchaus der Gerichtsschildernng
des Heilandes und der Gerichtsrede, welche
er sich selbst in den Mund legt (Matth.
23, 31—46j, wie der Einleitung und
dem Schluß der Parabel vom barmher-
zigen Samaritan (Luk. 10, 27 — 37), wenn
im Lebens- und Sterbensbilde des reichen,
erbarmungslosen Prassers der Weg znm
Verderben und zur ewigen Verdammniß
gezeigt tvird, im Bilde des armen Lazarus
und des barmherzigen Samaritans der
Weg znm Leben und zur Glorie; diese
nächste Beziehung der beiden Parabeln
zum Hauptbild war einstens höchst wahr-
scheinlich noch ganz besonders deutlich
heroorgehobeu durch die unmittelbar an
Hölle ilitd Himmel angrenzenden Dar-
stellungen des lechzenden Prassers im
feurigen Abgrund itnb deö Lazarus in
Abrahams Schooß.

Die Frage nach dem Alter der
Malereien findet im vierten Kapitel
eine gründliche Erörterung. Daß sie ins
11. Jahrhundert gehören, kann einem
Zweifel nicht unterliegen, aber die Ent-
stehungszeit noch genauer zu nmgrenzrn,
ist nicht gatiz leicht. Der Ban selber gibt
dafür keine sicheren Anhaltspunkte, auch
nicht die Vergleichung der Malereien.mil
den dürftigen Gemälderesten aus dem
11. Jahrhundert in Knechtstedten, Hildes-
heim, Augsburg, Essen, Werden; wohl
aber führt das Verhältnis; des Burgfelder
Gerichtsbildes zu dem Reichenauer den
Verfasser zur gleichen Dalirnng wie mich:
Mitte oder zweite Hälfte des 11. Jahr-

hunderts. Ob aber der Meister von
Burgfelden so unbedingt in der Reichenauer
Schule zu suchen sei, wie Kraus, Paulus
und ich annahmen, scheint dem Verfasser
doch zweifelhaft und durch das bisher
beigebrachte Material noch nicht genügend
erwiesen. Ich muß anerkennen, daß manche
von mir zum Beweis beigezogenen Ana-
logien nach den lichtvollen Auseinander-
setzungen des Verfassers nicht völlig be-
weiskräftig sind, weil sie nicht auf Reichenau
allein zntrefsen. Aber doch führt auch
den Verfasser die)Beautwortnng der einen
Frage: wo in jener Zeit ein Meister von
der künstlerischen Bedeutung und Schulung,
wie der Meister von Burgfelden sie ver-
räth, überhaupt gesucht werden könne, auf
Reichenau, da die andern damalige» Kunst-
1 centren Köln, Hildesheim und Regensbnrg
nicht in Betracht kommen können. Wenn
der Verfasser gegen Kraus den näheren
Zusammenhang der Malereien in St. Angelo
in form.is mit der Reichenauer Schule in
Abrede zieht, so wollen wir diese Frage
hier bei Seile lassen; es wird Sache des
Verfassers sein, feinen Widerspruch ein-
1 gehend zu begründen.

Die st i l i st i s ch e n und i k o n o g r a p h-
: ische n Charakte r m a l e r unserer Ma-
, lereien und deren Stellung in der
; K ll n stg e s ch i cht e werden im sechsten
! Kapitel näher erörtert. Meine Bemerkung,
daß diese Kunst einen starken Tropfen
germanischen Blutes mehr in ihren Adern
habe als die von Oberzell, wird vom Ver-
fasser durch Hervorhebung vieler Einzel-
züge als richtig erwiesen. Resultat: „Der
Burgfelder Bilderkreis steht da als ein
hochbedeutsames Denkmal auf der Grenz-
scheide zweier Welten, der altchristlich-
römischen, zu der die karolingisch-otlonische
Kunstperiode innerlich und äußerlich hin-
zugehört, und einer neuen, die wir viel-
leicht als die mittelalterlich-germanische
oder jedenfalls als die mittelalterlich-nor-
dische bezeichnen dürfen; ihr Wesen kenn-
zeichnet sich dadurch, daß sie, der Auf-
fassungsweise der bisherigen Kunst fremd
geworden, darnach lechzt, auf eigenen,
selbstaebahnten Wegen neuen Zielen zu-
znstreben" (S. 61).

Auch die in Burgfelden verwendete
Technik sucht der Verfasser so genau
als möglich klarzustellen; in der Erklärung
 
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