VreMmäöl.
Von Robert Heyman n.
Kling kling — tschin bum — ha ha — ho ho —
Es lebe die Liebe, der Wein!
Das dumme Müdl schläft ans Stroh
Und kleidet in Lumpen sich ein — —
Die Schlaue sucht sich euren Mann,
Spitzt, lächelt und thut gar honett,
Und sicherlich beißt der Schafskopf an
Und führt sie ins Ehebett.
Kling kling — tschin bum — ha ha — ho ho —
Die Brautnacht ist im Hotel,
Man liebt en cletail, man liebt sich en §VO8 —
Ja, so was ist originell!
Man spielt das kleine Unschuldsschaf
Und weint im schönsten Moment —
Man raubt dem armen Mann den Schlaf
Und beweiset sein Temperament!
Kling kling — tschin bum — ha ha — ho ho —
So 'n Mann ist ja fürchterlich dumm!
Da meint so 'n springender Embryo,
Er bringe uns Weiber herum! —
Er fühlt sich so wichtig als Ehegemahl,
Und glaubt, daß er uns imponier —
Derweil fühlt er sich mit einemmal
Als wohlbehörnter Stier — —
Kling kling — tschin bum — ha ha — ho ho —
Ich Paß' nicht zur baute volöe,
Mein Gatte war mir zu — so — so — —
D'rum giug ich zum VarietL.
Da lieb ich und tanz ich und gauckle und sing
Und schlaf' in demastenem Bett.
llnd mach' ich des Tags die verwegensten Sprüng' —
Des Nachts bin ich immer honett!
Kling kling — tschin bum — ha ha — ho ho —
Nie zog ich alleine mich aus.
Dieweil — je nun — ich bin einmal so,
Ich fürchte allein mich zu Haus!
Nun stellt' euch vor — doch haltet still —
Wenn ich das Mieder lös' —
Wenn ich die Beine, die Arme enthüll',
Die Brüste, den Nacken entblöß' — —
Kling kling — tschin bum — ha ha — ho ho —
Wie mancher wünschte schon sich,
Er wäre- so 'n kleiner winziger Floh,
Und- hätte ein Plätzchen für sich — —
So 'n Plätzchen an der Sonnenseit' —
Schaut', wie ihr euch echauffiert! —
Ich teile ja gerne, 's macht selber mir Freud',
Ich bin ja emanzipiert.
Kling kling — tschin bum — ha ha — ho ho —
Es lebe die Liebe, der Wein!
Das dumme Mädchen schläft auf Stroh —
Die Schlaue läßt das sein!
Da kommt so 'n Krämer und thut gar nett,
Sie wird bald blaß, bald rot —
Je nun, ein Karpfen im Ehebett
Ist besser als Hunger und Not! — —
Sachen sind mir zn eng geworden, selbst me n
Hut! — Ich lebte wie ein Fürst, und alle Mit-
glieder beneideten mich und fingen an, mich zn hassen
und anizuziehen. Als ich eines Tages mit Lackstiefeln
auf die Probe kam, fragte mich der Komiker, ob ich
ihn behielte, wenn ich Direktor wäre? Ausgeheu durfte
ich gar nicht mehr! Immer hatte sie mit mir die
Rollen durchzngehen, sie massierte sie mir förmich an.
Und ich wußte vor Verlegenheit oft nicht, was ich
sagen sollte. Ich fing an, mich vor ihr zu fürchten
und bat Kollegen, mich zn besuchen, so oft es nur
ginge. Es wurde blos noch schrecklicher. Sie kriegte
mich auf den Proben vor und nahm mich bei den
gleichgiltigsteu Szenen in die Arme! Als ich den König
Lear krOrte und die ungeratene Cordelia (selbstver-
ständlich von Frau Direktorin gespielt) zu verfluchen
ansange, füllt sie mir um den Hals, giebt mir einen
Kuß und versucht dabei mit allem Nachdruck, ihre alte
Zickeuzunge zwischen meine festgekuiffnen Lippen zu
pressen! — Gewaltsam mußte ich sie abschütteln, und
donnerte sie dann herunter, daß Shakespeare seine
Freude daran gehabt Hütte! Viermal mußte nach der
Scene der Vorhang hochgehen, so gefiel ich! —
Sarrow: Aber ich sehe immer noch nicht-
Merey: Nanu?! In ganz Zieleuzig zeigten die
Leute mit Fingern nach mir. Die kleinen Mädchen
und hübschen Backfische rümpften die Nasen, wo sie
mich sahen! Die Männer zuckten die Achseln und
hänselten mich, bloß alte Jungfern, schieche Witwen
und wurmstichige Frauen hatten sich nm mich und ich
bekam Blumen, Apfelsinen, Stammseidel, Eonserven-
büchsen, Liköre, Schlummerrollen und Einladungen zum
Kaffee in Hülle und Fülle! Und's Theater war besucht!
Nicht zu glauben! Was da zusammen geweint, geschrieen,
gelachmault und applaudiert wurde, wenn die Direktor»
und ich mimten — unheimlich! Darum thut mir
ja noch's Herz weh, aber es ging nicht mehr! Es
ging nicht mehr! (setzt sich und flüstert das folgende
stnßweise und mit deutlich erkennbarer Seelenangst.)
Es war ein milder Winterabend —-wir hatten
gerade das Ausstattungsstück „Frau Venus" und das
Abendbrot hinter uns, und ich lehne in meinem
Zimmer am Fenster und blase den Duft einer Habanna
(mau hatte mir eine Tüte mit 10 Stück hinter die
Scene geschickt) in die Straßenluft! — Mir war sehr
wohl! Allein, die Thür schon abgeriegelt, und eine
angenehme Müdigkeit in den Gliedern, lausche ich
hinaus! Da nahe» muntre Schritte auf dem Pflaster.
Kollegen gehen in den blauen Ochsen zum Bockanstich!
Sie rufen mir zu, und bald bin ich gewonnen, sie zu
begleiten. Schnell schließe ich das Fenster und greife
zu den Stiefeln, streiche durch die noch ziemlich krausen
Locken und hauche eben das Licht aus-als
es Plötzlich klopft! — Fein und zart! Dan» klingt es,
aber ich hatte ja zugeriegelt! Ich frage leise, wer da
sei-keine Antwort! Ich frage lauter, ängstiicher!
Das Klopfen wird intensiver, aber keine Seele ant-
wortet. Ungemütlich will ich eben die Thür anfriegeln,
als ich plötzlich-mir schlotteiten die Kniee-
die Stimme der Fran Direktor hastig und eindringlich
flüstern höre: „Um Gotteswillen, öffnen Sie, es
kommen Leute die Treppe herauf!!" Ich öffne und
schließe im selben Moment — — Frau Venus stand
vor der Thür! Etwas verschleiert zwar, doch immer
noch für die schwächsten Augen erkennbar!! Vor Wut
und Scham und Schreck schreie ich auf und halte die
Thür fest zu!! Aber da hörte ich auch schon die alte Stiege
knarren — — meinen Kollegen scheint die Zeit lang
geworden zu sein, sie wollen mich holen! Kein Ausweg
für mich und die Frau Venus! — Zurück kann sie
nicht, höher hinauf geht's nicht, der Boden ist ab-
geschlossen, einen Versteck giebt's nicht ---Dank-
barkeit, Mitleid, Furcht vor Blamage für sie und mich
wallen in mir durcheinander! Ich stülpe meinen Hut
auf, öffne, lasse sie hinein und schließe hinter ihr ab!
Sie war gerettet!!!
Sarrow (gerührt): Meyer — Merey, das lohnt
Ihnen der Himmel!
Merey (mit teuflischem Hohn): Haha — ha!
Der Himmel!
Sarrow: Was ficht Sie an?!
Merey (dumpf): Gegen 5 Uhr früh geleiteten
mich die College» nach Haus und lehnten mich draußen
an die Wand. Es war Glatteis und ich setzte mich
deshalb sofort an die Erde, fo ost sie mich auch wieder
an die Wand lehnten. Schließlich kroch ich auf allen
Vieren über die Knarrstiegen und vor mein Zimmer.
Knieend schloß ich auf. Aber dann wars zu Ende
mit meiner Kraft. Alle Gelenke klappten zusammen
und alle Sinne tanzten Fandango und alle Eingeweide
stieß der Bock so zu sagen in's Freie. Ich stürzte
irgendwo hin, weiter weiß ich nichts und wenn man
mich totschlägt.
Sarrow (düster): Hm — hm!
Merey (kläglich): Gegen Mittag erwachte ich und
sammelte mich mit unglaublichem Heroismus. Bock-
bier war mein einziger Gedanke, ob ich wollte oder
nicht! Ueberall sah ich ein Achtel oder ein Glas stehen
und mir wurde förmlich übel. Zerschlagen, leer in
allen Adern blickte ich um mich und finde — die
größte Sauberkeit und Ordnung in meinem Zimmer! —
Stiesel, Rock, Hemd, Hose -- alles peinlich geordnet! —
Nicht ein Stäubchen, Fleckchen, das an die entsetzliche
Heimkunft erinnerte! — War ich behext?! Wer-
war fo zuvorkommend und hatte statt meiner das Asyl
wieder menschenwürdig gestaltet?! Wer hatte die Un-
verschämtheit besessen, mein Zimmer zu betreten, mich
bettwürdig zu machen? Wer? Wie vom Blitz getroffen
flitze ich aus den Federn, raffe meine Siebensachen
zusammen, besteche den Hansknecbt, der zugleich auch
Hauswirt war, mein Gepäck zur Bahn zu bringen und
rein in die vierte Klasse und direkt zu Muttern!
Sarrow: Armer Jüngling! Was nun!?
Merey (groß): Ich gehe ab vom Theater!
Sarrow: Sie wollen der göttlichen Kunst ent-
sagen?
Merey: Noch solch ein Erwachen, und ich hänge
mich an einem vergifteten Strick auf!
Sarrow: Merey!
Merey: Meyer, wenn ich bitten darf! Ich bi»
den Anforderungen, die das Theater an einen stellt,
nicht gewachsen! - Adieu , edler Meister — — ich
grolle nicht, daß ich Sie so enttäuschen muß! Ade,
Ade, Ade! (ab.)
Sarrow (betrachtet tiefinnig den Hasenschädel):
Welch' edler Geist, ward hier zerstört-es giebt
im Menschenleben Au — Au — gen — bli —-
(Der Vorhang fällt ihm in die vermutlich dauerhafte Reflexion.)
Bücher und Zeitschriften.
Eine solenne Göthenummer konnte man beinahe
versucht sein, das eben erschienene erste Juliheft der
Gesellschaft (Herausgeber vr. Arthur Seidl in
München — Verlag von E. Pierson in Dresden) zu
nennen, ständen nicht auch noch andere, sehr wichtige
Zeitfragen und interessantes Themata wie z. B. die
„Dresdener Kunstausstellung", die „Heidelberger Ton-
künstler-Versammluug", der „Münchener Kunstgewerbe-
Tag" und ein sehr merkwürdiges „Kapitel von der
Reinlichkeit" darin mit zur Diskussion. Jedenfalls aber
bilden die gehaltvollen Aufsätze: „Göthe-Bund und
kein Ende!" vom Herausgeber, „Göthe und Häckel"
von Professor Max Seiliug, sowie die „Göthe-Univer-
sität" von Or. Theodor Poppe, einen ungemein sonore,
die Berliner Bismark-Rede unseres Reichskanzlers sehr
„actuell" begleitenden Dreiklang im vorliegenden Halb-
monatsheft, das durch „neue Gedichte" von Wilhelm
Weigand, Skizzen von M. Messer und C. Teich, sowie
die üblichen Rubriken: „Kritische Ecke" und „Besprech-
ungen" weiterhin noch ebenso reichhaltige, wie ge-
diegene Abrundung erfährt
Nachdruck verboten.
Von Satanello.
Ihr goldfarbenen Sonnenstrahlen, ihr wisset ja, daß Fräulein Biri seit
gestern verheiratet ist!
Ihr habt ja dem Zierat des Altars, einen funkelnden Glanz verliehen, vor
dem die Trauung vollzogen wurde. Ihr habet ja mit den Thränen der glück-
lichen Braut Euer Spiel getrieben. Euch haben es ja die Diamanten zu ver-
danken, daß sie auf den Kleidern der Hochzeitsgäste in unzähligen Farben schimmern
konnten.
Nicht wahr, die kleine Braut war schön?
Wie denn nicht! In ihren Haarlocken Prangten rotgelbe Blumen. Die
lange Schleppe ihres Atlaskleides rauschte so munter und geheimnisvoll, als sie
am Arme ihres glücklichen Bräutigams die Kirche verließ. Nur die kleinen Feen
steckten im Faltenwurf die Köpfchen zusammen und flüsterten sich geheimnisvolle
Geschichtchen zn. Es war die Feenwelt, die dem Bräutigam unter die Arme zu
greifen Pflegt, wenn er seiner Brant beim Ablegen des Brautkleides behülflich ist...
Ihr habet gewiß nur deshalb heute so zeitlich Euer Nachtlager verlassen,
damit Ihr die Ersten sein könnet, die durchs Fenster in das Brantgemach gucken,
um der junge» Frau einen Morgen grüß zu entbieten.
Schickt sich das für wohlanständige Sonnenstrahlen?
Gestern hat man die verschwiegenen Jalousien mit Bedacht heruntergelassen,
die gestrengen Läden sorgfältig versperrt und überdieß auch noch die Damastvor-
hünge znsammengezogen, damit keine Menschenseele Augenzeuge der ersten Um-
armungen sein könne.
Ach, ihr heiligen Geheimnisse des Brautbettes berget einen unsäglichen
Zauber, einen unübertrefflichen Reiz, von dem nur sie beide zu erzähle» wissen!
Ihr häßlichen, indiskreten Sonnenstrahlen, bleibet nur schön draußen und
erfahret es niemals, was sich an dem Morgen nach der Brautnacht im Schlaf-
zimmer der jungen Frau zugetragen hatte ....
Nur Euch, freundliche Leser, will ich es anvertrauen, denn das Fabeln
ist mein Brot.
Es soll aber auch Euch eine Lehre sein!
Nun, freundliche Leser, an diesem Morgen hat der junge Ehemann ein
feines Federmesser hervorgeholt und brachte sich mit festem Entschlüsse — wie
einst klacürw Lcmevola seinen Arm über die Flammen hielt — eine Schnittwunde
bei, so daß das rote Blut in Strömen über das unbefleckte Leintuch floß.
Beim Anblicke des Blutfleckens schrie Fräulein Biri entsetzt auf.
„Um Gottes Willen, was soll denn das?"
Der junge Ehemann legte seinen blutenden Finger auf ihre Lippen und
sprach:
„Still, mein Liebchen, ich rette Die Ehre dem Dienstpersonal gegenüber".