Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberg College [Editor]
Alt-Heidelberg: Heidelberg College magazine — 1888

DOI issue:
Nr. 13 (25. März)
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.70377#0032
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
50

sich, wie vorhin, geräuschvoll an den Flügel, um durch ein s
noch wilderes Spiel ihr Inneres zu beruhigen. Es gelang
ihr auch. Leiser und leiser werdend ging er in das Klagende
über, bis die Töne, gleich einem Flüstern, unter ihren
Fingern erstürben
Mit mütterlicher Zärtlichkeit geleitete indessen die Gnädige
das erschütterte junge Herz über den Gang in das Hinter-
haus hinüber, und Mops, vorausschreitend, öffnete das Zimmer,
welches Barbara und er vor etlichen Tagen aus der Gnädigen j
Geheiß wohnlich eingerichtet.
Der düstere Raum bot wenig Einladendes. Plafond und
Wände waren von dunklem Täfelwerk und der Fußboden
ebenso gefirnißt. Es war eines jener charakteristischen Zimmer,
welche man nur noch in den Häusern ältester Städte findet.
Gewöhnlich wurden sie zur Aufbewahrung von Gegenständen
benützt, die man aus Pietät für die Vorfahren nicht ver-
kaufen wollte.
Und Loch liebte die Gnädige dieses Zimmer, und hätte
es auch um keinen Preis von Jemand anders bewohnen lassen,
als von Ellen. In ihm wohnte ja vor vielen Jahren, wenn
auch nur vorübergehend, Benno von Stein.
Links und rechts hatte es einen Alkoven, deren bogen-
artige Eingänge durch dichte, braune Wollenportieren willkür-
lich geschlossen werden konnten. In dem rechts schlief Ellen
und links die Verwalterin.
Als die Gnädige das arme Wesen auf dem Ledersopha
zum sitzen gebracht, nahm sie selbst Platz.
Mops war auf ein Wink der Gnädigen gegangen und
Ellen — weinte.
Die Gnädige störte sie darin nicht, sie wußte aus alter
Erfahrung, daß Thränen erleichtern, nur bettete sie ihr Köpf-
chen an ihre Brust. Sonst war sie nie um Worte verlegen,
nun aber wußte sie auch nicht eine Silbe finden, die der
Situation entsprochen hätte. Weich und herabgestimmt blickte
sie auf das zarte Wesen nieder.
Ein nicht zu beschreibendes Weh überkam sie, als Ellen
den Blick wie um Schonung flehend zu ihr erhob. Dieser
Blick wirkte in einer Weise auf sie, daß sie die Augen schließen
und das Haupt nach hinten lehnen mußte. Erst nach längerer
Zeit sammelte sie sich wieder.
„Fasse Dich, mein Kind!" sagte sie, obgleich sie es
ebenso nöthig gehabt hätte. „Aurora erschreckte Dich mit
ihrem wilden Wesen und — und nun fürchtest Du, daß ich
wirklich so gefühllos und kalt sein könnte, wie die Steine dieses
grauen Hauses."
Ellen schüttelte das Köpfchen.
„Nein," sagte sie, „das fürchte ich nicht! Sie mag in
der Aufregung zu viel gesagt haben, aber sie meinte es gut
mit mir, und — sie konnte auch nicht wissen, wie mir im
Herzen ist."
„Ich will und kann ihr auch nicht Unrecht geben," nahm
die Gnädige nach einiger Zeit wieder das Wort, „wenn sie
über mich klagt, aber Dein Herz soll sie mir nicht abspenstig
machen. Sie liebt, ich weiß, aber mit welcher Liebe liebt sie
und — hat sie Dich auch vollständig überzeugt, daß man sie
ihrer selbst willen liebt?"
„Wer sollte sie nicht lieben? — Ist sie nicht wunder-
bar schön, nicht reich an Gemüth und zugleich edel, kühn
und stolz?"
Die Gnädige fuhr sich mit dem Taschentuche über Stirne
und Mund. Eine Angst überkam sie, ein Bedenken, dem sie
in ihrer Selbstsucht bis jetzt nur allzuwenig Gehör geschenkt.
Um ihren Haß zu befriedigen, opferte sie ein Wesen, das sie
— mit jedem Tag wurde es ihr klarer — nicht zu würdigen
verstanden. Ihr durch die Jahre unbeugsam gewordener
Sinn, der durch die Schicksalsschläge nur noch erbitterter
seinen Weg verfolgte, hatte nur das eine Ziel im Auge, die
Spreng's zu demüthigen. Allerdings konnte sie nicht dafür

daß sich zwischen Aurora und Alfred ein derartiges Verhältniß
ergeben, aber sie that auch nichts dagegen. Sie nahm es als
eine gerechte Strafe, die freilich ihre Rache in unerhörter
Weise zu begünstigen schien. Jetzt aber fühlte sie, daß sie
vorher das nun drohend heranrückende Ende hätte be-
denken sollen.
„Aurora," nahm sie nach längerer Zeit wieder das Wort,
„suchte vorhin die Geheimnisse Deines Herzens zu ergründen.
Ich finde begreiflich, daß Du Dich zurückhaltend verhieltest,
wirst Du es auch bei mir sein, einer siebzig Jahre alten Frau,
wenn sie den Namen Desjenigen zu erfahren wünscht, den
Dein Herz bevorzugt?"
Ellen schnellte förmlich vom Sopha auf — ihr Mund
aber blieb geschlossen.
Als die Gnädige sie wieder zum sitzen genöthigt, fuhr
sie fort:
„Glaube nicht, mein Kind, daß ich aus Neugierde in
Dich dringe, ich will ja nur Dein Glück, Dein Bestes! —
Es wird und darf Niemand gegen Deine Wahl sein, wenn
der Betreffende Deiner würdig ist."
Ellen schwieg beharrlich, aber ihr Blick ruhte flehend auf
dem Gesichte der Greisin.
„Auch ich war einst jung, mein Kind," fuhr diese fort,
„und auch ich liebte. Mir aber bot man in der Stunde
der Noth keine hilfreiche Hand. Zertreten und zermalmt
wurde auch die Ehre und das Herz meines armem Benno.
— Haß, unauslöschlicher Haß gegen die, die mein und sein
Leben vergifteten, bemächtigte sich meiner, und zittern sollen
sie in der Stunde der Verzweiflung. — Und wer waren
meine Feinde? — Jene Spreng waren es! — Ihre Grausam-
keit mordete meine Mutter und der Vater folgte, in Kummer
vergehend, ihr bald nach. Benno und mich betrogen sie um
unser ganzes Lebensglück und —"
„Halten Sic ein, um Gotteswillen halten sie ein! Ich
will nicht mehr hören ich ertrage es nicht!"
„Ich glaube es Dir. Es ist auch zu traurig, davon zu
hören, und deßhalb will ich auch nicht, daß Dein Leben in
ähnlicher Weise verfließt oder beeinflußt wird, darum, ich bitte
Dich nochmals, nenne mir seinen Namen."
„Nie — niemals!" hauchte Ellen.
Der Gnädigen Haupt sank so tief auf die Brust herab,
als wäre sie aller Hoffnung bar. Doch nicht lange, so hob
sie es wieder und der bis jetzt bitter enttäuscht am Boden
haftende Blick leuchtete so freudig auf, als belebe ihn ein
plötzlich aufgestiegener hoffnungsvoller Gedanke.
„Ellen!" rief sie so sanft, als es nur ihrem, mit der
Zeit rauh gewordenen Organe möglich war.
Ein nervöses Kopfzucken bewies, daß sie hörte.
„Ich habe erfahren, daß'-Du in der letzten Zeit ein Bild
gemalt, das vielleicht den schönsten Augenblick Deines Lebens
wiedergibt; wirst Du mir auch dies zu sehen verweigern?"
Ellen schreckte auf als hätte sich vor ihr eine Natter
entringelt. Mit weit geöffneten Augen starrte sie aus
die Gnädige.
„Ade für immer!" klang es wieder in den Ohren.
Die Gnädige konnte natürlich den Zusammenhang nicht
ahnen, aber doch schien ihr die Aufregung größer, als sie die
unbedeutende Frage Hervorrufen konnte.
Nach den gemachten Erfahrungen mochte sie auch ein-
sehen, daß sie das Vertrauen des armen Wesens das sich
schluchzend und wie in Krämpfe verfallen an ihrer Seite
wand, für jetzt nicht gewinnen konnte, nnd zudem verbot ihr
auch ihr Mitgefühl, noch weiter in sie zu dringen. So erhob
sie sich denn und verließ, ohne mehr ein weiteres Wort zu
verlieren, mit tief gesenktem Haupte das Zimmer.
(Fortsetzung folgt.)

51

Gemeinnütziges.
(Um Polstermöbel) vor Motteu zu schützen, streue man
Pulver von getrocknetem Eisenvitriol in die Polsterung. Das
Einlegen von starkriech enden Stoffen, wie Kampfer, frischer
Hanf und dergl., ist nur von vorübergehender Wirkung. Von
gutem Erfolg ist ferner das Einstreuen von Insektenpulver
oder weißem Pfeffer. Als unfehlbares Mittel wird in neuerer
Zeit die — allerdings sehr giftige— Pikrinsäure empfohlen.
Anpflanzung von Hecken aus Zaunrosen. Es ist sehr
zu bedauern, daß die Hecken als Einzäumungen immer mehr
verschwinden. Man darf sich freilich nicht so sehr darüber
wundern, daß die Hecken immer mehr abnehmen, denn was
man an ihnen sieht, spricht nicht oder nur selten für sie. Die
verbreitetsten, die Bocksdornhecken, bedürfen, wenn sie ihren
Zweck erfüllen sollen, der sorgsamsten Pflege. Schlehdornhecken
nnd Liguster gleichfalls. Kurz, man sieht ein, daß die Hecken
ans den bisher meist gebräuchlichen Pflanzen ihren Zweck
nicht erfüllen und pflanzt deßhalb keine mehr, statt sich nach
anderen, besser geeigneten Pflanzen umzusehen. Als solche wird
neuerdings die schottische Zaunrose Weinrose (Losa rudiZi-
mosa), auch 8-n-ssbdriar genannt, sehr empfohlen, und wer
einmal eine Hecke von dieser Rose gesehen hat, wird aner-
kennen, daß sie zu Hecken vorzüglich geeignet ist. Sie wächst
auf jedem Boden, auch in schattigen Lagen sehr gut, bildet
eine sehr dichte und wegen der starken Dornen undurchdring-
liche Hecke. Sie hat vor vielen andern Hecken auch den Vor-
zug ihrer blaßrosa, schwachduftendcn Blüthen und sie ziert
im Herbste durch ihre rothen Früchte. Ferner ist zu beach-
ten, daß sie nicht Schlupfwinkel oder Brutstätte für zahl-
reiche Obstschädlinge abgiebt, wie dies bei der Schlehe der
Fall ist; aus den Weiurosen kommen Obstschädlinge nicht
fort. Gepflanzt kann die Weinrosenhecke im Frühjahr wer-
den, am besten wird der Boden vorher kst/? Fuß tief rigolt
und gedüngt. Es empfiehlt sich immer, zwei Reihen in ein
viertel Meter Entfernung zu pflanzen und die einzelnen Pflan-
zen jeder Rose 10 Ctm. von einander entfernt zu setzen. In
der ersten Zeit ist der Boden feucht zu halten. Nach 2 Jah-
ren kann dann mit dem Zurechtschneiden der Hecke begonnen
werden. Zu haben sind Zaunrosenpflanzen wohl in allen grö-
ßeren Bodenschulen, in großem Umfange betreibt Deegenjun.
in Köstritz die Anzucht.

Allerlei.
(Ein netter Bräutigam.) Vor dem Wiener Bezirksge-
richte kam diewr Tage ein ganz eigenartiger Fall zur Ver-
handlung. Am Tage, als der Private Anton Höfer bei den
Eltern seiner Geliebten um deren Hand warb, und zwar mit
Erfolg, bemerkte die Verlobte Höfer's den Abgang ihrer
goldenen Remontoiruhr. Die sofort gepflogenen Erhebungen
ergaben ein überraschendes Resultat. Niemand Anderer als
der Brautwerber hatte die Uhr mitgenommen und sie sofort
verkauft. Der Angeklagte war geständig und rechtfertigte sich
damit, daß er damals in gedrückten Bermögensverhältnissen
gewesen sei. Er wurde zu zehn Tagen Arrest verurtheilt.
Daß die Parthie „zurückging", braucht wohl nicht erst gesagt
zu werden.

Literarisches.
Die erste Biographie des neuen deutschen Kaisers ist
soeben unter dem Titel „Friedrich, Deuscher Kaiser und
König von Preußen", ein Lebensbild von Ludwig Ziemssen,
im Berlage von Franz Lipperheide, Berlin, erschienen. Von

dem bequemeren Bezuges halber in Lieferungen erscheinenden
Buche liegt uns das erste Heft vor, aber es zeigt uns bereits,
daß wir cs hier mit einem bedeutsamen Unternehmen zu thun
haben, mit einem textlich wie künstlerisch auf gleicher Höhe
stehenden Werke, das in bevorzugtem Grade das Interesse
unserer Leser in Anspruch nehmen dürste. Dem Verfasser
müssen zahlreiche, bisher noch wenig oder gar nicht benutzte,
in weiteren Kreisen gänzlich unbekannte Quellen zur Verfügung
gestanden haben, denn er erzählt uns in jedem Abschnitt
neue interessante Thatsachen, die auf den geistigen Entwicklungs-
gang des neuen deutschen Kaisers bezeichnende Streiflichter
werfen und das Lebensbild dieses großen deutschen Helden
in charakteristischer Weise vervollständigen helfen. Dabei ist
die von Ziemssen gewählte Art der Darstellung ungemein frisch
und unterhaltend; er hat den echren Volkston getroffen, der
vonHerzenkommtundzuHerzenwirkt. Zahlreiche Illustrationen,
Vollbilder sowohl wie kleinere in den Text verstreute, verleihen
dem von der Verlagshandlung würdig und vornehm ausge-
statteten Werke einen eigenartigen Schmuck; Meister wie
Bleibtreu, Camphausen, W. Gentz, Lüders, Nestel, Plockhorst,
Winterhalter u. A. gehören in erster Reihe zu den künstlerischen
Mitarbeitern dieser Biographie. In der uns vorliegenden
Lieferung erregen die Porträits des fünfjährigen Prinzen
Friedrich Wilhelm, ferner diejenigen der Prinzessin Victoria,
unserer jetzigen Kaiserin in ihrem elften Monate, (nach einer
Zeichnung der Königin Victoria) ein besonderes Interesse;
sehr amüsant sind auch die Reproductionen aus den Geographie-
heften des kleinen Prinzen. Die auf Kupserdruckpapier nach
Vorlagen berühmter Maler hergestellten großen Vollbilder,
deren jedes Heft zwei enthält, zeichnen sich durch vollendete
äußere Technik aus. Um dieses Lebensbild unseres Herrschers
zu einem Gemeingute der deutschen Nation zu machen, was
es seiner ganzen Veranlagung nach zu werden verdient, ist
der Preis des Werkes äußerst niedrig festgesetzt worden. Das
Buch erscheint in etwa 10 Lieferungen, die in Zwischenräumen
von 8 bis 14 Tagen zur Ausgabe gelangen; jede Lieferung
umfaßt 16 Quartseiten Text mit zahlreichen Illustrationen
und kostet nur 50 Psg.

Humoristisches.
Erster Student: „Dort schauen Sie mal hin, welch'
bildschöne Jungfrau!"
Zweiter Student: „Ha, ha, ha, Sie scheinen trotz Ihrer
Brille nicht gut zu sehen. Das Weib, das ist meine Freun-
din. Sie ist schon sechs Jahre verheirathet, zudem hat sie
ihren ältesten Jungen am Arme, oder sollten Sie denselben
vor lauter Erstaunen gar nicht gesehen haben?"
Erster Student (nach kurzem Besinnen): „Ich habe
doch Jungfrau gesagt!"
Zweiter Student: „Ei freilich!"
Erster Student: „Nuu, Jungfrau heißt nach meiner
Theorie junge Frau!"
Lehrer: „Ihr dürft mir's glauben, Kinder, die Schul-
jahre sind die schönsten im ganzen Leben. Was ist denn das
Schönste in den Schuljahren?"
Ein Schüler: „Die Ferien."
Wachtmeister: „Sie sind ein Pfuscher, sonst hätten Sie
die beiden Schelme erwischt!"
Gensdarm: „Herr Wachtmeister, erwischt habe ich
sie, aber als ich sie fassen wollte, haben sie mir mit ihren
Knütteln so lange gewischt, daß ich Gott danke, daß ich
endlich wieder ihnen entwischt bin."
 
Annotationen