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Gottfried v. Lücke;
den Ausdruck der Bewegung kommt alles an, und diese wird mit wenigen
sicheren Strichen gegeben (Klein, Euphronios^ 26). Wenn man sich in
der gleichzeitigen Plastik nach ähnlichen Bestrebungen umsieht, fällt vor
allem eine Statuette des Akropolismuseums auf, die auch im Profil des
Kopfes mit Epiktet verwandt ist i). Die flotte sichere Mache und die
Bewegung, die leicht durch den Körper fließt, erinnern stark an die
Art Epiktets. Wenn Schräder, der diese Statue zu einem Reiterbild
ergänzen will, recht hat, wird man hier an die ähnlich bewegte Figur
eines epiktetischen Innenbildes in Corneto denken (Phot. Brogi 8364).
Vielleicht etwas härter und strenger, aber in der Art der Arbeit und
der Formengebung unserer Statuette sehr nahe stehend, ist die Stele
des fallenden Kriegers im athener Nationalmuseum: man vergleiche die
Form des Kinns, die fleischigen Lippen und die Bildung von Augen und
Augenbrauen. Auch diese Skulptur weist auf nahe Beziehungen zum
epiktetischen Kreis. Mit besonderem Geschick ist hier die Figur in
den Raum hineingesetzt, und das ist gerade ein Problem, das auch den
epiktetischen Kreis vor allem beschäftigt, der auf immer verschiedene
Weise die Figur in das Rund hinein zu komponieren versucht.
4. E u t h y m i d e s und der junge E u p h r ο n i o s.
Wie Epiktet hat auch Euthymides^) vor allem ein rein artistisches
Interesse an der menschlichen Gestalt. Aber in der ganzen Formenauf-
fassung besteht ein weitgehender Unterschied zwischen beiden Künstlern.
Epiktet liebt die leichten, spitzigen, preziösen Formen und gibt vor allem
die Bewegung, Euthymides wendet alle Formen ins Breite, Massive. Fest
und sicher mit breiten Gliedmaßen stehen seine Gestalten da. Nichts
ist hier von der tändelnden Grazie des epiktetischen Kreises. Dieser
Gegensatz ist zugleich der Gegensatz zweier Generationen. Epiktet mit
seiner Vorliebe für das Feine, Dünne verkörpert die alte Richtung. Die
junge Generation strebt nach volleren Formen. Wenn man sich nach
plastischen Werken umsieht, in denen der gleiche Geschmack herrscht,
i) Dickins, Catalogue 623; Schräder, Archaische Marmorskuipturen
Abb. 70 u. 71; Phot. Aiinari 24657; die Profiiansicht bei Lermann, Die äitere
griechische Piastik 35 Abb. 8.
9 Hoppin, Euthymides; ders., Euthymides and his Feiiows, Harvard
University Press 1917; JHS. XXXV 1915, 189.
Gottfried v. Lücke;
den Ausdruck der Bewegung kommt alles an, und diese wird mit wenigen
sicheren Strichen gegeben (Klein, Euphronios^ 26). Wenn man sich in
der gleichzeitigen Plastik nach ähnlichen Bestrebungen umsieht, fällt vor
allem eine Statuette des Akropolismuseums auf, die auch im Profil des
Kopfes mit Epiktet verwandt ist i). Die flotte sichere Mache und die
Bewegung, die leicht durch den Körper fließt, erinnern stark an die
Art Epiktets. Wenn Schräder, der diese Statue zu einem Reiterbild
ergänzen will, recht hat, wird man hier an die ähnlich bewegte Figur
eines epiktetischen Innenbildes in Corneto denken (Phot. Brogi 8364).
Vielleicht etwas härter und strenger, aber in der Art der Arbeit und
der Formengebung unserer Statuette sehr nahe stehend, ist die Stele
des fallenden Kriegers im athener Nationalmuseum: man vergleiche die
Form des Kinns, die fleischigen Lippen und die Bildung von Augen und
Augenbrauen. Auch diese Skulptur weist auf nahe Beziehungen zum
epiktetischen Kreis. Mit besonderem Geschick ist hier die Figur in
den Raum hineingesetzt, und das ist gerade ein Problem, das auch den
epiktetischen Kreis vor allem beschäftigt, der auf immer verschiedene
Weise die Figur in das Rund hinein zu komponieren versucht.
4. E u t h y m i d e s und der junge E u p h r ο n i o s.
Wie Epiktet hat auch Euthymides^) vor allem ein rein artistisches
Interesse an der menschlichen Gestalt. Aber in der ganzen Formenauf-
fassung besteht ein weitgehender Unterschied zwischen beiden Künstlern.
Epiktet liebt die leichten, spitzigen, preziösen Formen und gibt vor allem
die Bewegung, Euthymides wendet alle Formen ins Breite, Massive. Fest
und sicher mit breiten Gliedmaßen stehen seine Gestalten da. Nichts
ist hier von der tändelnden Grazie des epiktetischen Kreises. Dieser
Gegensatz ist zugleich der Gegensatz zweier Generationen. Epiktet mit
seiner Vorliebe für das Feine, Dünne verkörpert die alte Richtung. Die
junge Generation strebt nach volleren Formen. Wenn man sich nach
plastischen Werken umsieht, in denen der gleiche Geschmack herrscht,
i) Dickins, Catalogue 623; Schräder, Archaische Marmorskuipturen
Abb. 70 u. 71; Phot. Aiinari 24657; die Profiiansicht bei Lermann, Die äitere
griechische Piastik 35 Abb. 8.
9 Hoppin, Euthymides; ders., Euthymides and his Feiiows, Harvard
University Press 1917; JHS. XXXV 1915, 189.