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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 44.1919

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Lücken, Gottfried von: Archaische griechische Vasenmalerei und Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.29500#0122
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11R

Gottfried v. Lücken

Auch bei dem Akt kaum man sehen, wie der neu erwachende Sinn
für Körperiichkeit das alte lineare Schönheitsideal allmählich verdrängt.
Bei frühen Gestalten, zum Beispiel bei solchen des Phintias (JHS. XM
1891 Tat. 20), ist der Duktus des Konturs groß und fließend. Die ein-
heitlich durchgeführte Linie ist kaum gebrochen, und dadurch kommt
es, daß die einzelnen Körperteile sich nicht bestimmt gegeneinander
absetzen. Die Gliederung des Körpers ist einer strengen Linienführung
geopfert. Im Stil der entwickelten Meisterschalen hat die Linie viel von
ihrer starren Kraft verloren, sie folgt behende allen Modulationen des
Körpers. Bei der Figur des nackten Knaben auf dem wiener Skyphos
mit Hektors Lösung (Furtwängler-Reichhold Tat. 81) setzen sich die
Glieder klar und ruhig gegeneinander ab, und dadurch ist das ganze
Geschöpf fein artikuliert geworden und hat nichts mehr von der etwas
ungestümen Wucht, die den Gestalten der vorangehenden Zeit anhaftete.
ln der Plastik geht die Entwicklung parallel. Die kleine Bronze des
athener Nationalmuseums^) steht auf der gleichen Stufe wie die Figuren
des Phintias. Kaum irgendwo setzt die Linie des Konturs ab. Der Körper
ist als einheitliches Gewächs, nicht als vielgegliederter Organismus emp-
funden. Bei dem Epheben von der Akropolis 2) dagegen ist der ganze
Körper bestimmt artikuliert. Überall sind die Glieder klar eingebettet.
Darauf, daß in der letzten Zeit vor den Perserkriegen der Bauch nicht
mehr wie früher nach unten zu eigentümlich lang und schmal zu-
gespitzt ist, sondern breit und voll im Becken lagert, wurde schon oben
S. 88, 98 hingewiesen. Ähnlich setzen sich die beiden Brusthälften jetzt
rund und klar gegeneinander ab. Besonders bezeichnend ist die Art, wie
die Arme am Körper sitzen. Bei der Bronze des Nationalmuseums und
bei Phintias zieht sich die Haut stramm über die Gelenke hin. Bei dem
späteren Vasenbild und dem Epheben merkt man, daß hier ein neues
Glied anfängt. Der Arm wirkt nicht mehr, als wäre er unbeweglich am
Oberkörper festgewachsen; es wird offenbar, daß er richtig in seinem
Gelenk sitzt und freien Spielraum hat. Dadurch, daß alle Glieder in
ihren Gelenken sitzen, ist der ganze Leib von federnder Elastizität.
i) De Ridder, Catajogue des bronzes trouvds snr ['Acropoie Taf. 3 u. 4;
Sta'is, Marbres et bronzes Nr. 6445.
b Dickins, Cataiogue 698; Schräder, Auswah! Tar. 16/7; Brunn-Bruck-
mann Taf. 461 b; Phot. Atinari 24620.
 
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