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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 14.1877

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Schwartz, Karl: [Lebensnachrichten über den Regierungspräsidenten Karl von Ibell]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62666#0066
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Lager umstehenden Lieben vernahm den letzten Seufzer des Ster-
benden.
Der freundschaftlichen Verbindung, welche zwischen Weitzel und
dem Regierungspräsidenten Ibell bestand, ist oben von uns gedacht
worden. Dieselbe beruhte neben gegenseitiger Hochachtung auch auf
vollständiger Harmonie der politischen Gesinnung. Beide waren von
aufrichtiger Vaterlandsliebe erfüllt, beide waren freisinnig und huldigten
in Bezug auf die Entwickelung des staatlichen Lebens, bei richtiger Erkennt-
niss der Bedürfnisse und Forderungen ihrer Zeit, einem besonnenen Fort-
schritte; beide behaupteten den Vertretern entgegengesetzter politischer
Ansichten gegenüber stets eine ebenso feste als massvolle Haltung; beide
hatten auch das den edelsten Männern ihrer Zeit gemeinsame Schicksal, von
Allen, welche einer extremen Richtung huldigten, verkannt und angefein-
det zu werden. Weitzel war während seiner amtlichen Thätigkeit unter der
französischen Herrschaft von den Jakobinern als Aristokrat, von den Aristo-
kraten als Jakobiner verschrieen worden; in Deutschland gaben ihm wäh-
rend seiner späteren Wirksamkeit als politischer Schriftsteller eben wegen
seiner gemässigten Gesinnung die Absolutisten demagogische Tendenzen
schuld und die Demagogen hassten-ihn als einen vermeintlichen Absolu-
tisten. Auch Ibell wurde vielfach angefeindet; er galt manchen Liberalen
als reactionär, weil er ein Feind jeder Ueberstürzung war, und manche
Vertheidiger des streng monarchischen Princips hielten ihn für allzu
liberal, wie denn auch der Minister von Marschall, der sich immer mehr
den Metternich’schen Principien zuwandte, gegen Ibell, der früher Alles
bei ihm galt, allmählich misstrauisch wurde, weil ihm derselbe in seinen
liberalen Ideen und Bestrebungen zu weit zu gehen schien. Weitzel und
Ibell theilten auch das Geschick, nach ihrem vollen Werthe erst nach
ihrem Tode anerkannt zu werden und auf beide findet der Ausspruch
des römischen Dichters seine Anwendung:
JJrit enim fulgore suo qui praegravat artes
Infra se positas, exstinctus amdbitur idem.* 2')
Noch wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass Ibell zahlreiche Auf-
sätze und Artikel für die von seinem Freunde Weitzel redigirten „Rhei-
nischen Blätter“ verfasst hat. Da er dieselben aus Rücksicht auf seine
amtliche Stellung niemals mit einer Unterschrift versah, so dürfte sich

Weitzel’s Witwe, geb. Margaretha Dietrich aus Germersheim, starb in Wies-
baden am 13. April 1838; seine einzige Tochter Auguste, welche die Gattin des
nachherigen nassauischen Generals Georg Alefeld wurde, starb als dessen Witwe in
Wiesbaden am 12. Februar 1873 im drei und siebzigsten Lebensjahre.
2) Horat. epist. II, 1, 13 u. 14.
 
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