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kümmerte sich Graf Johannes darum, die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung
zu verbessern. Er suchte ihren Zuwachs durch Heranziehung Benachbarter zu
befördern, Handwerk und Gewerbe verlieh er neuen Aufschwung. Die Land-
wirtschaft war er bemüht zu heben, indem er die Verwertung der Boden-
erzeugnisse besser ermöglichte und Viehzucht und Ackerbau verbesserte. Wies-
baden und Idstein haben ihm viel zu verdanken, und während seiner Regierungs-
zeit stieg die Zahl der Bevölkerung nicht unwesentlich. Dem Badewesen in
Wiesbaden und den Taunusbädern verlieh er neue Grundlagen, förderte über-
haupt die Landeskultur. Dabei war er auf den Wiederaufbau und sogar die
Verschönerung der öffentlichen Gebäude und Gärten bedacht, und dieser beim
Antritt seiner Regierung so verarmte Graf erübrigte durch verständige Ökonomie
soviel Mittel, dass er sich eine bedeutende Gemäldegallerie anlegen und die
Kirche zu Idstein neu wieder erbauen und ausschmücken konnte.4 5) Nicht ver-
gessen werden dürfen seine Bemühungen um die Hebung der allgemeinen
Sittlichkeit und um die elementare und wissenschaftliche Unterweisung der
Jugend. Auf seine Stellung zur Kirche und Konfession und seine Anschauungen
über Hexenprozesse werden wir noch zu sprechen kommen.
Graf Johannes erfreute sich einer zahlreichen Familie. Seine erste Ge-
mahlin gebar ihm 9 Kinder, die meist schon früh gestorben sind; von den
16 Kindern seiner zweiten Gemahlin, einer Gräfin von Leiningen-Dachsburg,
waren bei seinem Hinscheiden noch drei am Leben.
Dieser kurze Überblick über den Lebensgang des Grafen muss uns ge-
nügen ; denn es gehört nicht zu unserer Aufgabe, seine Biographie zu schreiben,
sondern nur dahin geht unsere Absicht, durch eine Veröffentlichung wertvoller
Aufzeichnungen dieses eigenartigen Fürsten-Charakters zu weiteren Forschungen
über seine Lebensschicksale anzuregen; Material dafür ist genug vorhanden.
Aufzeichnungen aller Art hat Graf Johannes schon während der Zeit
seiner Verbannung gemacht, von denen aber nur Weniges erhalten zu sein
scheint. Dazu gehört eine ausführliche Instruktion für die Erziehung seiner
Kinder. Auch über Aufteilungen der Lande des Saarbrückischen Stammes ist
eine Niederschrift von ihm vorhanden.
Das uns hier vorliegende politische Testament hat er in seinen letzten
Lebensjahren abgefasst. Er spricht an mehreren Stellen von dem gleichzeitig
wütenden Kriege zwischen Frankreich und Holland (1672-—1679) und erwähnt
einmal3) die Bemühungen um Erlangung der Reichsfürstenwürde für sein Haus,
von denen er angibt, dass sie vor fünf Jahren in Regensburg angestellt seien.
Da wir nun wissen, dass dies 1672 geschah, so muss dieser Teil des Testa-
mentes 1677 niedergeschrieben sein. Es ist der letzte; denn am Ende bricht
das Manuskript plötzlich ab, offenbar mit den letzten Schriftzügen des Grafen,
der am 23. Mai 1677 im Idsteiner Schlosse das Zeitliche segnete.
4) Hierüber ist zu vergleichen: Cuntz, Die Kirche zu Idstein. Idstein 1868, und neuer-
dings die Aufsätze von Sauer im Beiblatt „Alt-Nassau“ des Wiesbadener Tagblatts von 1898,
No. 1-—3: „Die Bildergallerie und Kunstkammer des Grafen Johann von Nassau-Idstein im
Idsteiner Schloss.“
5) S. 98.
 
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