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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 37.1907(1908)

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Widmann, Simon Peter: Heidnische Spuren in christlichen Legenden unserer Gegend (Lahngrau): Vortrag gehalten auf der Versammlung des Vereins in Limburg am 14. Juli 1907
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https://doi.org/10.11588/diglit.70481#0076
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70

S. Widmann

„Bles“ bezeichnet auch einen lichten Fleck oder den Vorderkopf. „Das bläs“
bedeutet Fackel, Licht, Irrlicht (angelsächsisch glaede, glaesum — Bernstein);
aber „der bläs“ der Hauch. So bleibt demnach zweifelhaft, wie es in der
Stelle bei Freidank zu fassen ist:
„Die Seele fährt von mir wie ein Blas
Und lässt mich liegen wie ein Aas.“
War der Berg schon vor seiner Besitzergreifung durch Blasius ein
„Blas“- oder „Bieseberg“ (vordere Berg — die Lage stimmt!), wie er ur-
kundlich 1231 heisst, — nebeneinander finden sich auch „Blasbach“ und
„Blessenbach“ — dann lässt sich wohl verstehen, warum ihn der hl. Blasius,
dessen Name „Wind“ und „Licht“ zugleich enthält, so leicht erobern konnte.
Das Volk nennt ihn „Klesberg“, was schwerlich eine Vernassauerung aus
„Klössberg“38) ist, eher eine volkstümliche Umänderung, wie umgekehrt auch
„Potztausend, Saperlott (Parbleu), Sapristi“ p für k erhalten. Eine Verstüm-
melung aus Ecclesiaberg ist mir so unwahrscheinlich, wie die Ableitung von
Beselich aus Basilica. Wenn ein Wilsenrother den Namen ableitete von einem
Manne namens Klesius, der auf dem Klesberg gepredigt habe, so beweist diese
Deutung nur, wie fremd der hl. Blasius an sich der Gegend ist. Weit eher
könnte man an eine Verkürzung aus Nikolaus denken, der ja zum Nikles, Klas,
Kies wird. Aber er wird zwar in Dorchheim verehrt, nicht jedoch auf dem
Blasiusberg.
Ist Klesberg die ursprüngliche Form, dann hat man vielleicht in dem
ersten Wort zu erkennen den Kiesebusch, die Hülse, den Huis (ahd. hulis,
franz, houx), Ilex aquifolium ruscus, die Walddistel, den Mäuse- oder Christ-
dorn, den norddeutschen Pfuhebusch, die bekannte, schönblättrige Stechpalme39),
die in ganz Mitteleuropa wild wächst, aber auch zu Einfassungen gern ge-
nommen wurde und wird, wie es in Vossens Luise heisst:
„Und Wacholdergesträuch um die Hünengräber der Vorzeit
Wuchernd kroch und stechender Hulst mit glänzenden Blättern.“40)
Allzu verlockend ist es, die Namen der Nachbarorte oder Örtlichkeiten
Dornburg, Dorndorf, Frickhofen (urkundl. Vredekoben), Zeuzheim (Uptusheim)
zur Bestätigung der Vermutung zu verwerten, dass der Kies- oder Biese-,
Blasiusbergursprünglich ein Wodansberg war. Es wäre gar schön, die Äsen
Donar, Frigga, Ziu (Tus) mit Wodan auf kleinem Raume zusammenzufinden,
zu schön. Wir müssen uns davor hüten,.in jedem Eindruck auf Felsen und
Mauern Fussspuren von Heiligen oder Pferdehufe des Gottseibeiuns zu sehen,
und uns damit begnügen, in dem benachbarten Hellersberg und in dem von Lim-
ss) Von der Gestalt kann er nicht so heissen.
39) Ahd. scaldeih? Grimm, Myth. 615 und Gramm. 2, 997.
40) Das griechische azavö'a bedeutet zugleich Fischgräte und Dorn, sowie überhaupt
Stachelgewäehs, vielleicht auch den Huis. Acanthäbölus (chirurg. Zünglein zum Herausholen
von Gräten aus dem Halse). Ob in einer griechischen Legende der Ausdruck Acantha stand,
ist nicht festzustellen. — Über eine besondere Bedeutung des Wortes Blasius (= bläs) im
Mittelalter siehe Du Gange, Lex. V, 346 unter Ponticus.
 
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