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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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Verbürgte

Auflage 3000.


und AlterthHumSkunde,

1


0000


Auflage 3000.


Abonnement:

Nr. 38.

vierteljährlich,


Stuttgart, 19, September 1894.

Erſcheint wöchentlich.)

Auzeigen:
Die Nonpareilezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg ˖

2. Jahrgang.

Die Bezugsbedingungen ſind auf der lekten
Seite in jeder Nummer abgedruckt. — Erfüllungsort für
die Lieferung und für die Zahlung: Stuttgart.

Ein neues Muſeum in Rom.

— —

Bır den vielen päpftlichen, Staats-, ſtäptiſchen und
Prival⸗Muſeen, die Rom bereits beſist, i{t noch ein
meue8 hinzugekommen, das ſich allerdings beſcheidener-
weife mur Magazzino archeologico nennt, um deſſen In-
hHalt aber mande8 große Mujeum das Municipio von
NKom, dem es gehürt, beneiden dürfte FJür die römiſche
Stadtgemeinde, deren Finanzen bekanntlich nicht zum
Beiten itehen, iſt das durch das noblesse oblige ihr
auferlegte Sammeln don Alterthümern mehr eine Laſt
al8 eine Luſt. Der Boden von Rom, der in
der zweiten Hüälfte dieſes Jahrhunderts mehr
durchwuhlt woͤrden iſt als in allen den Jahr-
Hunderten geſchehen iſt, die ſeit der Rückkehr der
aͤpſte aus der Gefangenſchaft von Avignon
verfloſſen ſind, iſt noch ſo ergibig an Funden,
die rein zufällig gemacht werden, daß die könig-
lichen und die ftädtiſchen Behörden mit dem
Goethe ſchen Zauberlehrling ausrufen könnten:
‚Herr, die Noth iſt großl Die ich rief, die Geiſ-
ter, werd ich nun nicht los!

Wo immer Erdarbeiten gemacht werden, iſt
der Unternehmer verpflichtet, ſobald die Arbei-
ler mit den Spaten auf Alterthümer ſtoßen,
der Behörde davon Anzeige zu machen; der
Munizipalkommiſſton für Alterthümer, wenn
die Arbeiten im Intereſſe der Kommune ge-
ſchehen, alſo heſonders bei der Aushebung von
Straßen, bei Kangliſirungsarbeiten 2c.; der kö-
niglichen Kommiſſion für Ausgrabungen, wenn
8 auf StaatS= oder Privatterrain gefchieht.
Die Privaten ſind verpflichtet, dem Staat das
Vorkaufsrecht zu überlaſſen; was Staat oder
Stadt ſelbſtſtändig finden, darf überhaupt nicht
veraͤußert werden, ſondern ſoll in Muſeen zur Aufſtel-
luug gelangen. Die päpſtlichen Muſeen im Vatikan
und Lateran könnten einen Zuwachs nur erfahren, wenn
auf päpſtlichem Gebiete etwas ausgegraben würde; der
Staat überlaͤßt ihnen von ſeinen nenen Funden nichts
mehr, hat aber ſelbſt in den Thermen des Diokletian
ein neues Muſeum eröffnet, das für eine Reihe von
‚Sahren noch Raum zur Aufnahme der bei Staatzar-
deiten gemachten Funde oder von Pribaten angekauften
Statuen 2c. bietet, bis das neue Monument Vitktor
SCmanuel8 fertig ſein wird, das den kapitoliniſchen Hügel
krönen ſoll und in deſſen unteren Stockwerken — das
Monument iſt kein ſiniples Denkmal aus Erz, ſondern
ein Bau, der mit dem Akropolis zu vergleichen ſein
wird — ein Muſeum von Alterthümern üntergebracht
werden wird.

Bis vor einigen Jahren hat der Staat noch vieles
angekauft, was voͤn Rrivaten ihm als Ausbeute der da-

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mals ſo rege geweſenen Bauthaͤtigkeit angeboten wurde.
Weil er aber bei dem großen Angebot au in jenen
guten Zahren immerhin nur mäßige Preiſe anlegen wollte,
ift damals vieles ſeiner ohnedies geringen Kauflujt ent-
zogen worden. Wenn der Spaten auf eine Kiſte {ticß,
in der man eine in alter Zeit den Augen der Barbaren
gefliffentlih entzogene jhöne Statue vermuthen durfte,
pder auf eine bloßliegende Marmorfigur, auf einen Sar-
fophag, auf einen AÄltar oder dergleichen, wurde die
Funditelle raſch mit Erde wieder zugedeckt, um. den ver-
meintlihen Schatz von Arbeitern, die ins Vertrauen
gezögen waren, in naͤchtlicher Stinde Heben zu laſſen,
ohne daß die knickeriſche Kommifjjion für Ausgrabungen
etwa8 davon erfuhr. Der vor den neugierigen Augen
der Berufsarchäalogen eiuſtweilen in Sicherheit gebrachte
Fund wurde dann an Händler perkauft, die es ſich nun
angelegen ſein ließen, ihn in KRom an den Mann zu
bringen oder ihn, oft noch auf Schleichwegen in’3 Aus-



Original in München.

land zu ſchaffen. Das iſt nun anders geworden. Das
MAusland, auf das immer in erſter Linie gerechnet wird,
ſcheint auch kaufmüde geworden zu ſein; acht mit ſcho-
nen Reliefs geſchmückte Sarkophage, die in der Villa
Albani gefunden worden ſind, werden ſchon ſeit Jahren
wie fauer Bier ausgeboten, und die Regierung ſteht
dieſen Berhandlungen, in deren Verlanf die Sarkophage
ſchoͤn auf ein Drittel des urſprünglichen geforderten
Vreiſes heruntergeſunken ſind, mit der gleichgiltigſten
Miene zu.

Die Stadt Rom hat niemals ein Stück von Pri-
vaten erworben; die auf dem Terrain, das dem Muni-
cipio gehört, gefundenen Alterthümer konnten aber den
fruͤdtiſchen Mufjeen auf dem Kapitol nicht mehr einver-
leibt werden, da dort einfach kein Platz mehr ift. Man
hHat mun ſedes ausgegrabene Stück, worauf die ſtädtiſche
Kommifjfion für Archuologie ſeine ſchützende Hand legte,
nach dem Caelius gebracht, wo in proviſoriſch errichteten

Schuppen die Dinger, groß und klein, kunterbunt durch-
einander lagen. Hier erhebt ſich alſp die neueſte Heim-
ſtätte der alten Kuͤnſt und antiken Gewerbefleißes, auf
der e& für die Axchäologen ſehr viel zu ſtudiren gibt.
Für den Laien, der nur naͤch Schönem, Vollendetem
ftrebt, iſt wenig Ausbeute da. Gleich der erſte Saal
empfängt ihn mit ausgeſuchter Nüchternheit. Materiali
Jaterizii lautet die erſtẽ Iuſchrift, die ihm aufſtößt. Es
iſt eine Sammlung von Baͤckſteinen, Mauerziegeln und
ſbnſtigem Baumaterial darunter zu verſtehen. Iscrizioni
doliari ſind ausgeſchnittene Stücken gebrannten Thons,
auf denen die Fikmenſtempel verſchiedener römiſcher
Töpfermeiſter oder Thonwaarenfabriken, wie wir heute
jagen würden, zu finden find. Es iſt eine ſo lange
Reihe, daß man es kaum glauben kann, daß ſich darunter
nicht zahlreiche Doubleiten und Tripletten hefinden
jollten. Unter Proben von architektoniſchem Schmuck
find Stücke von Gefimjen, Säulenkapitaͤle u. dergl. zu
verſtehen. Ein großer Schrank enthält opere
die Tarsia, eingelegte Marmorarbeiten und
Moſaiken, ferner die Handwerkszeuge u. Ddergl.
verſchiedener römiſcher Handwerker, Schloſſer,
Töpfer, Maurer, Bildhauer und Narmorarbeiter
Am intereffanteſten darunter iſt der Schurz und
das Streichholz eines Maurers, die ebenſo wie
ein Stück Rebjhnur von Travertin inkruſtirt
in den Salluſtianiſchen Gärten gefunden worden
ſind. Auszudenken, wie dieſe Gegenſtände wahr-
ſcheinlich zufällig unter einem Maurergerüſte
auf der Srde liegen blieben, wo ſie wohl von
dem ausſtrömenden Waſſer eines durch die Bar-
baren angehauenen Aquaͤduktes überrieſelt wur-
den, bis ſich eine Tufſchicht bildete, die ſich all-
maͤhlich zu Trabertin verhärtete intereſſirt den
Hiſtoriker beinahe in demſelben Maaße, wie den
Geologen. Eine Sammlung von Marmorproben
in demjelben Saale iſt erſt in der Entſtehung
begriffen. Platten, Säulenfragmente wechſeln
mit kleinen zurechtgefügten Stücken, wie man
ſie in Italien Häufig zu kaufen befommt, ab.
Die fellener vorfommenden Arten, wie Sumas
chello, Cipollin und die verſchiedenen Breccien
ſind ſchon vertreten; die Zahl der Marmorſorten reicht
aber bis jetzt noch nicht an diejenige hinan, die im Ban-
theon allein zur erwendung gelangt iſt. Dieſe Samm-
Iung jo weit zu bringen, daß nicht eine der auS dem
Alterthum bekannten Marmorarten fehlt, hält nicht ſchwer,
da mancher: Privatmann dies ſchon fertig gebracht hat.

Der zweite Saal enthält Gräberfunde, der dritte
nur ſoiche aus der Grabſtaͤtte auf dem Esquilin. In
beiden Saͤlen iſt vielleicht zu viel Minderwerthiges an-
gehäuft. Man ſollte doch in Rom, mo man Gräber-
fampen und die Thonköpfhen von Hausgöttern für
wenige Soldi auf der Straße kaufen kann, nicht jedes
Fragment der Aufbewahrung und Ausſtellung werth
Halten. Den Beſucher/ der aus dem Lateran und gus ande-
ren Muſeen praͤchtige Sarkophage kennt, in denen die
Leichen der Begüterken beigeſetzt wurden wird es inte-
reffiten, an zwei mit ihrem InhHalte vollſtändig konſer-
virten Thonfaͤrgen kenuen zu lernen, wie der „kleine
 
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