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men zu können, und zweitens über den Gewölben der
Seitenkapellen in Höhe der Auflagerpunkte der Hauptgewöl-
be Betondecken eingezogen, welche durch Querverstrebun-
gen mit dem Trägerrost über der Hauptschiff- und
Apsiswölbung in Verbindung stehen. Außerdem wurden die
Außenmauern der Westseite und der beiden Querhäuser mit
Ankern am Trägerrost befestigt, sowie eine aussteifende Kon-
struktion im Emporenboden zwischen Hauptschiffpfeilern
und Außenwänden verlegt. Zur Aussteifung der Türme wur-
den Stahlbetondecken in Höhe der Emporen und unterhalb
der Glockenstühle eingebaut. Der alte Glockenstuhl im Süd-
turm war nicht mehr zu sanieren und mußte durch eine Stahl-
konstruktion ersetzt werden. Diese 1974 begonnenen
Sanierungsmaßnahmen wurden vier Jahre später mit dem
Verpressen der Risse abgeschlossen.

Außeninstandsetzung
Die Eindeckung von Chor und Mittelschiff erfolgte wie üblich
mit naturroten Kirchenbibern. Diese Deckungsart dürfte
auch der ursprünglichen entsprechen, wenn man der Dar-
stellung des Klosters auf dem Schutzpatronfresko der ehe-
maligen Pfarrkirche von Irsee aus dem Jahre 1771 Glauben
schenken darf (Abb. 28). Dieser Darstellung ist zu entneh-
men, daß ursprünglich auch die Turmhelme wahrscheinlich
mit Ziegeln eingedeckt gewesen sind. Die Kupfereindeckung
neuerer Zeit war jedoch in so gutem Zustand, daß sie erhal-
ten werden konnte.
Die Befunduntersuchung am Außenbau führte zu einem
überraschenden und seltenen Ergebnis. Sie wurde mit wenig
Aussicht auf Erfolg begonnen, da der Bau anläßlich der Au-
ßenrenovierung im Jahre 1913 mit einem eingefärbten Terra-
novaverputz (Gliederungen in nach Grau gebrochenem
Weiß, Wandfond in bräunlichem Ockergelb) versehen worden
war. An der West- und Nordfassade war der Barockputz
gründlich entfernt worden, so daß außer Resten von Kalkmör-
tel unter dem Terranovaputz keine Spuren der ursprünglichen
Fassung mehr festgestellt werden konnten. An der dem Klo-
ster zugewendeten Südfassade des Langhauses wurden je-
doch auf dem unter dem Terranovaputz von 1913 erhaltenen
originalen Barockputz drei verschiedene Anstrichmuster aus
der Erbauungszeit gefunden. Die erste (westlichste) Fenster-
achse war einheitlich ockergelb gestrichen und wies keine
Ritzungen auf. Die zweite Achse war Weiß, mit eingeritzten,
geohrten Fensterfaschen. Die Fensterumrahmungen und
Gliederungen waren durch mehrmaliges Tünchen in einem
härteren Weiß gegen den Wandfond abgesetzt, bei dessen
weißer Fassung der Putzuntergrund noch dämpfend mitge-
wirkt hat. Die dritte (östlichste) Achse schließlich war eben-
falls weiß gestrichen, aber einheitlich und ohne gliedernde
Ritzungen. Der Kalkanstrich der zweiten Fensterachse war
stark versintert, mit Krakelees versehen und verschmutzt, ein
sicheres Anzeichen dafür, daß dieser Anstrich längere Zeit
der Witterung ausgesetzt gewesen war. Auf der Lisene und
dem darüber befindlichen Gesimsband dieser Fensterachse
wurde als Zweitfassung ein heller Ocker gefunden, welcher,
offensichtlich später aufgebracht, einmal zu dem weißen An-
strich des zweiten Wandfeldes gestanden hatte. Am Chor

wurde derselbe Befund festgestellt: Wand und Gesims waren
weiß, versintert und stark verschmutzt, auf dem Gesims lag
als Zweitfassung derselbe Ocker, welcher auf der Lisene und
dem Gesims der zweiten Fensterachse der Südfassade fest-
gestellt worden war.
Diese Befundlage führte zu dem Schluß, daß die Fassung der
zweiten Fensterachse mit den zwei differenzierten Weißtönen
die ursprüngliche Fassung der Kirche aus der Zeit um
1702-1704 gewesen sein muß und zu einem späteren, nicht
bestimmbaren Zeitpunkt, — vielleicht als das Konventgebäu-
de nach Errichtung des Westtraktes 1729 seine Außenfas-
sung erhielt, — durch die Gelbfassung der Gliederungsele-
mente zu einer zweifarbigen Fassung abgewandelt worden
ist. Der Befund der geohrten Fensterfaschen stimmt außer-
dem mit dem von Gabriele Dischinger in der Chronik Placi-
dus Emers gefundenen Aufriß der Nordfassade der Kloster-
kirche überein (Abb. 10). Dieses Motiv der oben und unten
ausspringenden Rahmungen der Langhausfenster ist, wie
schon ausgeführt, auch an anderen Kirchenbauten Franz
Beers, — den Klosterkirchen von Holzen und Oberschönen-
feld, — nachzuweisen. Der Unterschied zu diesen Kirchen-
bauten liegt nur darin, daß die Fensterfaschen in Irsee nicht
plastisch profiliert, sondern lediglich durch Ritzung und
Farbtönung vom Wandfond abgehoben sind. Daß solche
Weiß-in-Weiß-Fassungen in dieser Zeit nicht ungewöhnlich
gewesen sind, zeigt die sehr dezent in zwei Weißabstufun-
gen spielende Fassung, welche an der aus dem letzten Vier-
tel des 17. Jahrhunderts stammenden Wallfahrtskirche St.
Coloman in der Gemeinde Schwangau bei Füssen nachge-
wiesen wurde91).
Natürlich hätte es nahegelegen, die sehr gut dokumentierte
Erstfassung nachzuvollziehen. Einer Rekonstruktion stand
lediglich der Umstand im Wege, daß der dem Gebäude an
und für sich nicht angemessene Terranovaverputz noch in ei-
nem so guten Zustand war, daß er erhalten werden konnte.
Ein nachträgliches Einritzen der Fensterfaschen in die Putz-
oberfläche schied aus technischen Gründen aus. So wurde in
diesem Fall für eine reine Weißfassung entschieden und die
Rekonstruktion der ursprünglich zum Bau gehörenden diffe-
renzierten Weißfassung auf eine spätere Außenrenovierung
verschoben, bei welcher der Putz erneuert werden muß. Die
bei der Befunduntersuchung durchgeführten Sondagen wur-
den wieder geschlossen, so daß der gesamte Originalbefund
einer späteren Renovierung zur Verfügung steht.
Das Gutachtergremium hat sich die Entscheidung für eine
reine Weißfassung, die inzwischen verschiedentlich kritisiert
worden ist, nicht leicht gemacht. Es wurden probeweise
aquarellierte Skizzen angefertigt, in welchen alle Gliederungs-
elemente im Sinne der ersten Teilüberfassung in Ocker an-
gelegt worden sind. Dabei hat sich gezeigt, daß die
Fassadengestaltung Franz Beers nicht auf Zweifarbigkeit
ausgerichtet gewesen sein kann. Eine farbige Fassung aller
Gliederungselemente ergibt durch die breiten Lisenen und
relativ schmalen Gesimse der Langhausseiten (Abb. 11) eine
überaus schwerfällige Außenerscheinung und führt gleich-
zeitig zu einer Verfälschung des Gliederungssystems, wel-
ches nicht in Schichten interpretierbar, sondern als
Differenzierung der Wandflächen aufzufassen ist. Besonders
an der Westfassade (Abb. 7) wurde deutlich, daß eine zwei-
farbige Fassung mit der vorhandenen Struktur kaum verein-
bar ist. Die beiden Türme und die Westfront des

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