Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kühlenthal, Michael; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege
Irsee: Geschichte und Instandsetzung des ehem. Benediktinerreichsstifts — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 20: München: Lipp, 1984

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.75213#0079
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

97 Südansicht des Konventgebäudes vor der Instandset-
zung in seiner Funktion als Schwäbische Kreisirrenanstalt.

98 Südansicht des Konventgebäudes nach der Instandset-
zung mit Rekonstruktion der ursprünglichen Außenerschei-
nung.

Substanz vorgenommen werden mußten. Die großräumigen
Zellen der Konventualen konnten als Bettenzimmer für die
Kursteilnehmer eingerichtet, die Funktion der Gemein-
schaftsräume als Vortrags- und Seminarräume beibehalten
werden. Außerdem schloß die neue Bestimmung seit dem Er-
löschen des monastischen Lebens zum erstenmal wieder an
die einstige Bedeutung des Klosters als Stätte der Besin-
nung und der Bildung an.
Da nur mehr ein Bruchteil der ursprünglichen Innenausstat-
tung erhalten war, boten sich in denkmalpflegerischer Hin-
sicht keine nennenswerten Adaptierungsschwierigkeiten.
Gerade deswegen waren aber andererseits ungewöhnlich
viele Gestaltungsaufgaben zu lösen, denen sich auch der
Denkmalpfleger stellen mußte. Die Reste der noch vorhande-
nen historischen Ausstattung waren über das ganze Gebäu-
de verstreut (Abb. 55, 65, 75). Räumlichkeiten, in denen die
künstlerische Ausgestaltung noch vorhanden war, standen
zusammenhanglos in großen, leeren Bereichen, welche ihre
historische Aussage fast vollständig verloren hatten und in
denen nur noch die Spürbarkeit der Bausubstanz selbst ei-
nen sehr verdünnten Erlebniswert vermittelte. So mußten die
noch vorhandenen aussagekräftigen Fragmente sozusagen
durch „vorsichtiges Einstimmen der Fehlstellen" wieder zu
einem ablesbaren Gesamtbild zusammengeführt werden.
Dabei war grundsätzlich darauf zu achten, daß der Charakter
des Baudenkmals erlebbar blieb. Das bedeutete, daß die

Neunutzung möglichst störungsfrei und ohne Bruch einzu-
bringen war. Um dies zu bewerkstelligen wurde in Irsee nach
drei Grundsätzen verfahren:
1. Durch die Entfernung aller störenden An- und Einbauten
des 19. und 20. Jahrhunderts wurde, wo es möglich war,
die barocke Bausituation wieder freigelegt und geklärt;
die neuen Eingriffe veränderten an dieser Situation nichts
und wurden nur im absolut notwendigen Mindestumfang
durchgeführt.
2. Die Gestaltungsaufgaben hatten sich an den barocken
Grundstrukturen zu orientieren.
3. Die neu zu beschaffende Inneneinrichtung sollte in Eigen-
art, Material und Form den Rahmen des historisch Mögli-
chen nicht sprengen.
Die denkmalpflegerische Aufgabe bestand somit darin, alle
historischen Informationen, welche das Bauwerk noch zu
bieten hatte, festzustellen und zu dokumentieren, den noch
vorhandenen historischen Bestand zu sichern und zu restau-
rieren und, wo es eine ausreichende Befundsituation erlaub-
te, in Teilbereichen (wie zum Beispiel bei den Bodenbelägen,
Fenstern und farbigen Fassungen) das ursprüngliche Er-
scheinungsbild wieder herzustellen. Alles übrige war eine
Gestaltungsaufgabe, welche dem historischen Rahmen
Rechnung zu tragen hatte. Die Spannweite der Neugestal-
tung reichte von reiner Kopie, nämlich dort wo der historische
Bestand noch dominierend war, bis hin zur Neuschöpfung,

77
 
Annotationen