DER GLASPALAST IN MÜNCHEN
NYMPHENBURG
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Der Glaspalast wurde für die Industrie- und Gewerbeausstel-
lung von 1854 auf dem Gelände des ehemaligen Königlichen
Botanischen Gartens in München errichtet. Für die Entwick-
lung der bayerischen Industrie sollte ein Anreiz geschaffen wer-
den, sich gegenüber den Kunstgewerbeerzeugnissen Fran-
kreichs und den Industrieprodukten Englands durchzusetzen.
Da die Zeit zwischen dem Baubeschluß vom 10.8.1853 und der
Ausstellungseröffnung am 15.7.1854 äußerst knapp bemessen
war, schied eine konventionelle Bauweise aus. Der Entwurf des
Architekten von Voit sah deshalb eine Konstruktion aus Glas
und Eisen vor. Die technischen Details entwickelte Ludwig
Werder, der technische Leiter des mit der Durchführung des
Baus beauftragen Unternehmens Cramer-Klett aus Nürnberg.
Das Gebäude bestand aus einem Haupt- und je zwei Neben-
schiffen, einem ausgeschiedenen Querschiff in der Mitte und
zwei risalitartig ausgebildeten Flügelbauten an der Stirnseite.
Seine Gesamtlänge betrug 233,5 m. Zur Vereinfachung der
Konstruktion war das Gebäude auf einem Raster von 5,84 m
aufgebaut. Es folgte darin seinem Vorbild, dem Crystal Palace
in London von 1851. Durch weitere Vereinfachung im Sinne ei-
ner ökonomischen Bauweise und in seiner folgerichtigen
Durchbildung der Bauglieder löste er sich jedoch weitgehend
von seinem Vorbild. Rastersystem, tragende und nicht tragen-
de Glieder waren geschieden, die statische Struktur war — im
Gegensatz zum Crystal Palace — nach außen deutlich ablesbar.
Die Vermeidung klassischer Formelemente deutete einen weit-
gehenden Bruch mit der Tradition an. Die Sichtbarmachung
des konstruktiven Gefüges zeugt von einer modern anmuten-
den Baugesinnung, die ohne Nachfolge blieb und erst zu An-
fang unseres Jahrhunderts wieder aufgegriffen wurde. Der
Glaspalast als Ingenieurbau war eines der fortschrittlichsten
Bauwerke seiner Zeit.
Nach beendeter Ausstellung sollte das Gebäude niedergerissen
werden, was jedoch aus Kostengründen unterblieb. In den fol-
genden Jahren wurden neben anderen Veranstaltungen weiter
Industrieausstellungen abgehalten. Die Internationale
Elektricitäts-Ausstellung von 1882 trug nicht unwesentlich zur
Elektrifizierung Bayern bei. Kunstausstellungen, die seit 1889 in
der Überzahl abgehalten wurden, festigten Münchens Ruhm
als Kunstmetropole und förderte Kunsthandel und Kunstge-
werbe in wesentlichem Maße. Der Glaspalast wurde zu einem
Symbol für München als „Kunststadt".
In der Nacht zum 6. Juni 1932 brannte der Glaspalast nieder.
Brandstiftung war die Ursache der Katastrophe, bei der zahlrei-
che unersetzliche Werke der Romantiker und zeitgenössischer
Künstler zerstört wurden. Der von August von Voit zur Ausstel-
lungseröffnung entworfene Springbrunnen steht — als Über-
rest — seit 1975 auf dem Weißenburger Platz in Haidhausen.
V. H.
Abb. 1 Glaspalast, Innenansicht, Foto J. Albert
Abb. 2 Glaspalast, Außenansicht, zeitgen. Stahlstich
Abb. 3 während des Baus, Foto F. Hanfstaengl
Abb. 4 Glaspalast, Brunnen (jetzt Weißenburger Platz)
Abb. 5 Im Dörfchen, westlich hinter der Amalienburg, befin-
det sich das sog. Grüne Brunnhaus.
Südansicht mit Stichkanal zum Betreiben der Wasser-
räder, im Erdgeschoß die Pumpenanlagen, im Oberge-
schoß Wohnungen.
Das pavillonartige Bauwerk mit dreiachsigem Mittel-
risalit, einachsigen Seitenflügeln, Walmdach und
Ecklisenen wurde 1772 angelegt und 1803 neu erstellt.
Abb. 6 Pumpenanlage im Brunnhaus:
Die beiden Wassermaschinen, 1803/04 und 1817 von
Joseph Baader konstruiert und vom kgl. Hofbrunnmei-
ster Franz Höß ausgeführt, sind wahrscheinlich die äl-
testen erhaltenen, zum größten Teil in Metall ausge-
führten Maschinen Deutschlands.
Der glockenförmige Windkessel der Maschine von
1803/04 trägt die Inschrift: MAXIMILIANI IOSEPH IV
ELECTORIS IVSSV et AVSPICII construxit IOSEPHVS
BAADER inventor MDCCCIII.
Auf einem Meßinstrument der Maschine findet sich die
Inschrift: Frz. Höss kgl Hofbrunnen-Meister 1851.
Die beiden Wassermaschinen sind durch Druckrohre
mit der Fontäne im westlichen Parterre des Schlosses
verbunden. Die östliche Fontäne wird von einer Pum-
penanlage im sog. Johannisturm, dem nordöstlichen
Turm der Nymphenburger Schloßanlage, der sich öst-
lich an das Orangeriegebäude anschließt, betrieben.
Diese Pumpe (1807/08) stammt ebenfalls von J. Baa-
der und F. Höß, sie wurde 1835 erneuert.
Die vierte Pumpenanlage, die Baader für Nymphen-
burg erstellte, liegt in einem eigenen Gebäude, neben
dem Grünen Brunnhaus.
Abb. 7 Kastenschleuse im Schloßpark, nahe dem Dörfchen,
angelegt unter Max III. Joseph, 1763. Sie ist aus Natur-
stein (Nagelfluh) gemauert, die oberste Schicht der
Steinlage ist mit schmiedeeisernen Klammern verbun-
den, in der Schleuse sind Ringe zum Befestigen der
Boote.
Abb. 8 Zuflußkanal von der Würm nach Nymphenburg. Das
Kanalsystem Nymphenburg-Schleißheim-München ist
etwa 50 km lang, diente während der verschiedenen
Bauphasen der Schlösser als Transportweg, hatte aber
später nur geringe wirtschaftliche Bedeutung. Das Sy-
stem wird sowohl durch Würm- als auch durch Isar-
wassergespeist. L. F.
NYMPHENBURG
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Der Glaspalast wurde für die Industrie- und Gewerbeausstel-
lung von 1854 auf dem Gelände des ehemaligen Königlichen
Botanischen Gartens in München errichtet. Für die Entwick-
lung der bayerischen Industrie sollte ein Anreiz geschaffen wer-
den, sich gegenüber den Kunstgewerbeerzeugnissen Fran-
kreichs und den Industrieprodukten Englands durchzusetzen.
Da die Zeit zwischen dem Baubeschluß vom 10.8.1853 und der
Ausstellungseröffnung am 15.7.1854 äußerst knapp bemessen
war, schied eine konventionelle Bauweise aus. Der Entwurf des
Architekten von Voit sah deshalb eine Konstruktion aus Glas
und Eisen vor. Die technischen Details entwickelte Ludwig
Werder, der technische Leiter des mit der Durchführung des
Baus beauftragen Unternehmens Cramer-Klett aus Nürnberg.
Das Gebäude bestand aus einem Haupt- und je zwei Neben-
schiffen, einem ausgeschiedenen Querschiff in der Mitte und
zwei risalitartig ausgebildeten Flügelbauten an der Stirnseite.
Seine Gesamtlänge betrug 233,5 m. Zur Vereinfachung der
Konstruktion war das Gebäude auf einem Raster von 5,84 m
aufgebaut. Es folgte darin seinem Vorbild, dem Crystal Palace
in London von 1851. Durch weitere Vereinfachung im Sinne ei-
ner ökonomischen Bauweise und in seiner folgerichtigen
Durchbildung der Bauglieder löste er sich jedoch weitgehend
von seinem Vorbild. Rastersystem, tragende und nicht tragen-
de Glieder waren geschieden, die statische Struktur war — im
Gegensatz zum Crystal Palace — nach außen deutlich ablesbar.
Die Vermeidung klassischer Formelemente deutete einen weit-
gehenden Bruch mit der Tradition an. Die Sichtbarmachung
des konstruktiven Gefüges zeugt von einer modern anmuten-
den Baugesinnung, die ohne Nachfolge blieb und erst zu An-
fang unseres Jahrhunderts wieder aufgegriffen wurde. Der
Glaspalast als Ingenieurbau war eines der fortschrittlichsten
Bauwerke seiner Zeit.
Nach beendeter Ausstellung sollte das Gebäude niedergerissen
werden, was jedoch aus Kostengründen unterblieb. In den fol-
genden Jahren wurden neben anderen Veranstaltungen weiter
Industrieausstellungen abgehalten. Die Internationale
Elektricitäts-Ausstellung von 1882 trug nicht unwesentlich zur
Elektrifizierung Bayern bei. Kunstausstellungen, die seit 1889 in
der Überzahl abgehalten wurden, festigten Münchens Ruhm
als Kunstmetropole und förderte Kunsthandel und Kunstge-
werbe in wesentlichem Maße. Der Glaspalast wurde zu einem
Symbol für München als „Kunststadt".
In der Nacht zum 6. Juni 1932 brannte der Glaspalast nieder.
Brandstiftung war die Ursache der Katastrophe, bei der zahlrei-
che unersetzliche Werke der Romantiker und zeitgenössischer
Künstler zerstört wurden. Der von August von Voit zur Ausstel-
lungseröffnung entworfene Springbrunnen steht — als Über-
rest — seit 1975 auf dem Weißenburger Platz in Haidhausen.
V. H.
Abb. 1 Glaspalast, Innenansicht, Foto J. Albert
Abb. 2 Glaspalast, Außenansicht, zeitgen. Stahlstich
Abb. 3 während des Baus, Foto F. Hanfstaengl
Abb. 4 Glaspalast, Brunnen (jetzt Weißenburger Platz)
Abb. 5 Im Dörfchen, westlich hinter der Amalienburg, befin-
det sich das sog. Grüne Brunnhaus.
Südansicht mit Stichkanal zum Betreiben der Wasser-
räder, im Erdgeschoß die Pumpenanlagen, im Oberge-
schoß Wohnungen.
Das pavillonartige Bauwerk mit dreiachsigem Mittel-
risalit, einachsigen Seitenflügeln, Walmdach und
Ecklisenen wurde 1772 angelegt und 1803 neu erstellt.
Abb. 6 Pumpenanlage im Brunnhaus:
Die beiden Wassermaschinen, 1803/04 und 1817 von
Joseph Baader konstruiert und vom kgl. Hofbrunnmei-
ster Franz Höß ausgeführt, sind wahrscheinlich die äl-
testen erhaltenen, zum größten Teil in Metall ausge-
führten Maschinen Deutschlands.
Der glockenförmige Windkessel der Maschine von
1803/04 trägt die Inschrift: MAXIMILIANI IOSEPH IV
ELECTORIS IVSSV et AVSPICII construxit IOSEPHVS
BAADER inventor MDCCCIII.
Auf einem Meßinstrument der Maschine findet sich die
Inschrift: Frz. Höss kgl Hofbrunnen-Meister 1851.
Die beiden Wassermaschinen sind durch Druckrohre
mit der Fontäne im westlichen Parterre des Schlosses
verbunden. Die östliche Fontäne wird von einer Pum-
penanlage im sog. Johannisturm, dem nordöstlichen
Turm der Nymphenburger Schloßanlage, der sich öst-
lich an das Orangeriegebäude anschließt, betrieben.
Diese Pumpe (1807/08) stammt ebenfalls von J. Baa-
der und F. Höß, sie wurde 1835 erneuert.
Die vierte Pumpenanlage, die Baader für Nymphen-
burg erstellte, liegt in einem eigenen Gebäude, neben
dem Grünen Brunnhaus.
Abb. 7 Kastenschleuse im Schloßpark, nahe dem Dörfchen,
angelegt unter Max III. Joseph, 1763. Sie ist aus Natur-
stein (Nagelfluh) gemauert, die oberste Schicht der
Steinlage ist mit schmiedeeisernen Klammern verbun-
den, in der Schleuse sind Ringe zum Befestigen der
Boote.
Abb. 8 Zuflußkanal von der Würm nach Nymphenburg. Das
Kanalsystem Nymphenburg-Schleißheim-München ist
etwa 50 km lang, diente während der verschiedenen
Bauphasen der Schlösser als Transportweg, hatte aber
später nur geringe wirtschaftliche Bedeutung. Das Sy-
stem wird sowohl durch Würm- als auch durch Isar-
wassergespeist. L. F.