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Marschner, Hannelore; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Contr.]
Glaskonservierung: historische Glasfenster und ihre Erhaltung; internationales Kolloquium, München und Nürnberg, 29./30. Oktober 1984 — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 32: München: Lipp, 1985

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Gottfried Frenzel

Historischer Abriß der Glasgemälderestaurierung in Nürnberg

Mehrmals in der Geschichte zwischen 1250 und 1601 erlebte die
Freie Reichsstadt Nürnberg eine Blütezeit der Glasmalerei, de-
ren Ausstrahlungskraft weit über die Grenzen Frankens hinaus
wirksam wurde. Stifter dieser Farbverglasungen waren Kaiser
Könige, Burggrafen, Klerus und das ratsfähige Patriziat. Der
Rat der Stadt war sich dieses wertvollen Kunstbesitzes, der sich
im Laufe der Jahrhunderte angesammelt hatte, durchaus be-
wußt und wachte streng darüber. Zur Wartung und Pflege des
Kunstgutes wurde im 15. Jahrhundert die Stelle eines Stadtgla-
sers eingerichtet, die bis in das späte 16. Jahrhundert von dem
Geschlecht der Hirsvogel (Abb. 1) wahrgenommen wurde. Ihre
Aufgabe war es, bei auftretenden Schäden diese dem Rat zu
melden und für deren alsbaldige Behebung Sorge zu tragen. Ne-
ben diesen «Besserungsarbeiten» mußten die Glasgemälde tur-
nusgemäß laufend gereinigt werden, was mit Hilfe von Wasser,
Soda und Schwämmen geschah («Wartungsvertrag»).
Die Kosten für diese Arbeiten hatte der jeweilige Stifter zu tra-
gen. Weigerte er sich, sein Fenster instandhalten zu lassen, dann
wurde ihm vom Rat der Stadt das «Fensterrecht» entzogen und
dieses an einen anderen Stifter vergeben mit der einzigen Aufla-
ge, zur Wahrung des Vorgängerstifters dessen Wappenschildlein
klein im Maßwerk anzubringen (Beispiel: St. Sebald, Fenster-
stiftung der Vorchtel, die um 1510 nach Wien auswanderten und
daher kein Interesse mehr an ihrem Fenster hatten. Im Jahre
1515 schuf hier Veit Hirsvogel d. Ä. nach maßstäblichen Kar-
tonzeichnungen (Eremitage Leningrad) Albrecht Dürers das
Stiftungsfenster für Probst S. Pfinzing.
Wie wir aus den Rechnungsbüchern der Patrieziergeschlechter
und im Fenster selbst eingeritzten Inschriften wissen, wurde an
den Glasgemälden auch in den späteren Jahrhunderten immer
wieder «gebessert», «gereinigt», «verneut», oder «neu in das
Blei geschlahen». Im Verhältnis zu dem enorm großen Gesamt-
bestand Nürnberger Glasmalerei fallen diese minimalen Ein-
griffe nicht ins Gewicht; nur ein sehr geübtes Auge vermag sie
zu erkennen. Selbst in der Zeit des Barock hat man sich in
Nürnberg mit Restaurierungseingriffen äußerst zurückgehalten,
und es zählt zu den seltenen Fällen (Beispiel: St. Lorenz,
Hirsvogel-Fenster 1456), daß die Archivalien berichten: «das
unnütz gemäl hinweg tun, da es nur den Raum verdüstert».
Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts ändert sich die Situation
schlagartig. Die Ära des privaten Mäzenatentums der Patrizier
war erloschen. Reine Willkür und Vernunft seitens der zuständi-
gen Kirchenbehörden beschworen eine Zerstörungswelle
schlimmsten Ausmaßes herauf.
Im Sommer 1831 wurde die Rosenverglasung der St. Lorenzkir-
che unter der Leitung des für die Wiederentdeckung der Kunst
der Glasmalerei hochverdienten Porzellan- und Glasmalers J.
Sauterleute (1796-1843) von dem Nürnberger Glaser Adamer für
22 Gulden repariert. Vorhandene Löcher, vor allem an den Rä-
dern - wohl durch einen recht sorglosen Ausbau bedingt - wur-
den mit emaillierten Weißgläsern ergänzt, eine Technik, die Sau-
terlaute von der Porzellanmalerei seines Lehrers Antonio Isopi


Abb. 1. Nürnberg, Pfarrhauschörlein St. Sebald: Selbstbildnis von
Veit Hirsvogel d. Ä., 1515.

in Ludwigsburg mitbrachte. Einzelne Felder wurden von Ada-
mer ausgebaut und in der Werkstatt gründlich gereinigt «mit al-
ler Sorgfalt», wie er betont, «aber sie seien auch nicht schöner
geworden, als die nur von innen gesäuberten, ebenso gut würde
sie der Regen von Staub und Schmutz befreien».
Sauterleute meinte, «übrigens haben die Gläser gar keinen Wert
und sind nur als altertümliches Kunstwerk zu schätzen».
Kurz darauf, 1836, wurde der Nürnberger Porzellan- und Glas-
maler und Kupferstecher Johann Jakob Kellner (1788-1873) mit
seinen Söhnen Georg I, Stephan I, Hermann I und Johann Ge-
org Michael mit der Restaurierung sämtlicher Kirchenfenster
der St. Lorenzkirche beauftragt. Die Arbeiten zogen sich bis
nach 1839 hin.
Die Kellner nahmen jeden Sprung, jeden leisesten Defekt eines
Stückes zum Anlaß, um das Original zu entfernen und es durch
eine eigens gemalte, mehr oder minder freie Kopie zu ersetzen.
Durch diese unheilvolle Tätigkeit wurde der Originalbestand
der St. Lorenzkirche um ein Drittel dezimiert, darunter das Ho-
stienmühlenfenster (Abb. 2, 3) nahezu vollständig, das Stif-
tungsfenster Kaiser Friedrichs III. von 1477 (Michael Wolge-

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