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Klein, Dieter; Dülfer, Martin; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Dülfer, Martin [Ill.]
Martin Dülfer: Wegbereiter der deutschen Jugendstilarchitektur — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 8: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.63235#0079
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Abb. 60 Dortmund: Kassenhalle

In ähnlicher Weise präsentierten sich die Decken über den
beiden Haupttreppenhäusern zum ersten Rang: frei herab-
hängende Luster markierten den Mittelpunkt konzentrisch
angebrachter Ovale; weitere dekorative Effekte ergaben
sich durch die schmiedeeisernen Treppengeländer und die
Bleiverglasung der großen, dreiteiligen Fenster.
Die Garderobenbereiche der Umgänge waren in Tudor-
bogenstellungen gegliedert und mit Stoff-Dekorationen
versehen912); die Decken zeigten konstruktiv bedingte Rip-
pengliederung.
Fast alle dem Publikum sichtbaren Türen wiesen entweder
quadratische Täfelungen auf oder waren mit Kunstlederbe-
spannung und Nägelmusterung dekoriert. Wie sehr sich
Dülfer auch um scheinbar unwichtige Details kümmerte,
beweist die Tatsache, daß sogar die Buchstaben der Türin-
schriften von ihm selbst entworfen worden waren.913)
Fassadengestaltung
Stilelemente und Wirkung im Stadtbild
„Es ist ein Bauwerk, das in seinem ganzen äußeren Ge-
präge der erste selbständige moderne Ausdruck der Thea-
terarchitektur war“, hieß es 1912.914) Dülfers „verblüffendes
Verhältnis zur Antike“ wurde allgemein bewundert915), wenn
auch gesagt werden muß, daß sich die unmittelbarsten Vor-
bilder weniger in der Antike als in Richardsons Bauten fin-
den lassen. Jedenfalls erregte die unkonventionelle Fassa-
de einiges Aufsehen, weil Dülfer mit „ganz modernen Mit-
teln dem feierlichen Pathos eines repräsentativen Monu-
mentalbaues“ gerecht wurde (Abb. 48).
„Das eigentlich frappierende Artistische in... diesem Ent-
wurf ist die sichere Freiheit, mit der die Massen disponiert
sind. Scheinbar nur vom Zweckgedanken ausgehend ent-
faltet sich eine schwungvolle Raumpoesie...“916)
Beschreibung der Fassaden
Das äußere Erscheinungsbild des stark durchgegliederten
Baukörpers ergab sich tatsächlich durch die Funktion und
die dadurch bedingte Aneinanderfügung der einzelnen Räu-
me. Dülfer ging beim Entwurf von dem Gedanken aus, daß
ein Theater vorwiegend nur in den Abendstunden seinen
Zweck zu erfüllen habe. Aus diesem Grund beschränkte er

die Fensteröffnungen auf das Notwendigste, um möglichst
große, monumental wirkende Mauerflächen zu erzielen917).
Daß er diesen Gesichtspunkt vielleicht doch etwas überbe-
wertete, ging bereits aus den anfangs zitierten Gutachten
hervor918).
Vorderfront
Im wesentlichen dominierte die Vertikale; über einem nied-
rigen Basaltlavasockel folgte das in roh behauenen Tuff-
steinquadern ausgeführte Erdgeschoß, aus dem sich im
gleichen Material die etwas glatter gearbeiteten Pylonen
entwickelten919); ihr geschlossenes Mauerwerk war nur im
oberen Bereich durch sehr schmale, hochgezogene Fen-
sterbänder mit Lisenengliederung unterbrochen. Den Ab-
schluß bildeten mit Widderköpfen und Gehängen ge-
schmückte Pyradmidenstümpfe, die als Sockel für zwei in
Ortbeton hergestellte Pantherquadringen dienten.920)
Die Quadrigen bestanden aus fast zwei Meter hohen „ägyp-
tischen Streitwagen“ und „ägyptischen Wagenlenkern“ von
immerhin fünf Metern Höhe.
Neben den Tuffquadern fand Sandstein für die Türgewände
Verwendung; Basaltlava wurde auch für Gesimse genom-
men. An einigen nicht näher bezeichneten Stellen waren
die Ornamente vergoldet, auch eine „gewisse Farbigkeit“
wurde erwähnt.921)
Von außen schlossen sich an die Türme die mit abgerunde-
ten Dächern versehenen Treppenhausblöcke für die oberen
Ränge an; sie erfuhren durch ihre schmalen Fenster und die
durchlaufende Fensterpfeilergliederung eine zusätzliche
vertikale Betonung.


Abb. 61 Dortmund: Stadttheater vor 1909

Zwischen die Pylonen war der mit geradem Dach und Balu-
strade abschließende Mittelbau der Foyerräume gesetzt,
der in seinem oberen Bereich zum größten Teil in das zwei-
geschossige Fensterband des Dritten-Rang-Foyers aufge-
löst erschien; die einzelnen Fensterfelder trugen Roset-
tenschmuck mit Gehängen.
Unterhalb dieses Fensterbereiches trat, von einem leicht
gerundeten Giebeldach abgeschlossen, der einstöckige
Portikus vor, bis in Fenstersturzhöhe der Foyerfenster vor-
wiegend mit grob bossierter Rustika verkleidet. Nur Ein-
gangszone, Abschlußsims und Giebelfeld zeigten glatte

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