Religionszustand. i6i
London und Paris herrscht, und sich imPhysikali.
schm sowohl als Moralischen bis ins Unendliche cr-
strckt, mußte ein Mann, der in Dario Menschen
von jedem Alter, Geschlecht und Stande ausserordent-
lich beschäftigt hatte, in London, troz seiner kühnen
Schreibart, in der äußersten Dunkelheit leben, wo-
von der auffallendste Beweis war, daß in der großen
Menge Loudner Zeitungen, ungeachtet man darinn
alle Gegenstände behandelt, die nur einigermaßen
England interessiren, seiner Annalen mit keinem
Worte gedacht wurde. Daher war Linguct, nach
einem zwölfmonatlichen Aufenthalt in London, da-
selbst nur sehr wenigen Personen bekannt, viele wür-
dige englische Gelehrte, die sich um die litterarischen
Kriege in Frankreich gar nicht bekümmert hatten,
wußten sogar von feiner Existenz nichts. Die An-
nalen wurden zwar in London gedrukt, allein man
las sic nicht. Diefcs mußte die tolle Eigenliebe ei-
nes Mannes aufs empfindlichste kränken, der seinem
eignen Ausdruk zufolge den Vorfaz hatte, England
zu erleuchten. Er beschloß daher sich zu rächen.
Schon einige Jahre vorher hatte Linguct, durch
Rousseau's Beyfpiel aufgcmuntert, den Grundfaz
angenommen,sich durchParadoxe berühmt zu machen.
War er gleich unendlich tief an Kenntnissen unter
diesem großen Manne, so verließ er sich doch auf seine
Beredsamkeit, auf fein großes Talent beym Vortrag,
auf feine Sophistereyen, auf seine dreisten Behaup-
tungen, und auf feinen schönen Styl, der allein fähi-
war, ihm eine Menge Leser zu verschaffen.
Die Behauptung paradoxer Satze ward bey ihm
zur Leidenschaft. Er schmeichelte feiner grossen Ei,
L gen«
London und Paris herrscht, und sich imPhysikali.
schm sowohl als Moralischen bis ins Unendliche cr-
strckt, mußte ein Mann, der in Dario Menschen
von jedem Alter, Geschlecht und Stande ausserordent-
lich beschäftigt hatte, in London, troz seiner kühnen
Schreibart, in der äußersten Dunkelheit leben, wo-
von der auffallendste Beweis war, daß in der großen
Menge Loudner Zeitungen, ungeachtet man darinn
alle Gegenstände behandelt, die nur einigermaßen
England interessiren, seiner Annalen mit keinem
Worte gedacht wurde. Daher war Linguct, nach
einem zwölfmonatlichen Aufenthalt in London, da-
selbst nur sehr wenigen Personen bekannt, viele wür-
dige englische Gelehrte, die sich um die litterarischen
Kriege in Frankreich gar nicht bekümmert hatten,
wußten sogar von feiner Existenz nichts. Die An-
nalen wurden zwar in London gedrukt, allein man
las sic nicht. Diefcs mußte die tolle Eigenliebe ei-
nes Mannes aufs empfindlichste kränken, der seinem
eignen Ausdruk zufolge den Vorfaz hatte, England
zu erleuchten. Er beschloß daher sich zu rächen.
Schon einige Jahre vorher hatte Linguct, durch
Rousseau's Beyfpiel aufgcmuntert, den Grundfaz
angenommen,sich durchParadoxe berühmt zu machen.
War er gleich unendlich tief an Kenntnissen unter
diesem großen Manne, so verließ er sich doch auf seine
Beredsamkeit, auf fein großes Talent beym Vortrag,
auf feine Sophistereyen, auf seine dreisten Behaup-
tungen, und auf feinen schönen Styl, der allein fähi-
war, ihm eine Menge Leser zu verschaffen.
Die Behauptung paradoxer Satze ward bey ihm
zur Leidenschaft. Er schmeichelte feiner grossen Ei,
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