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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 18.1902

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Heft 9
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Die Wiederherstellung älterer Bauwerke
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Zetzsche, Carl: Fortschritte in der Kunsttischlerei, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.44900#0076
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1902

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 9

Thür mit Umbau. Entwurf: Professor H. E. von Berlepsch in München.
(Muster ges. geschützt!) Ausgeführt von Georg Schüttle in Stuttgart.


nung der verschiedenen Zeitabschnitte des Mittelalters oder der Renaissance
denselben Wert besitzen wie die verschiedene Gestaltung der Kunstformen,
dass daher mit einer Verbesserung oder einer Modernisierung irgend einer
etwa recht primitiven Konstruktion die beiden, den Baustil bestimmenden
Faktoren auseinander gerissen und die Einheitlichkeit zerstört werden
müsste. — Zur zweiten Frage wurde betont, dass es unter Umständen
gestattet sei zu ergänzen, vorausgesetzt, dass die Elemente des Bauwerks
einfach, wenig zahlreich und so wohlerhalten seien, dass kein Zweifel
möglich sei, im anderen Fall jedoch Ergänzungen zu unterbleiben hätten.
Die dritte Frage wurde glattweg verneint. Uebereinstimmend war man
der Ansicht, dass grundsätzlich so wenig als nur überhaupt möglich wieder-
hergestellt werden sollte.
Hieran anschliessend äussert sich J. Caluwaers in VEmulation, dem
Organ des Centralvereins belgischer Architekten, im wesentlichen wie folgt:
Angesichts der dargelegten, allseitig als massgebend anerkannten
Grundsätze ist es auffallend, wie häufig in der Praxis gegen dieselben ver-
stossen wird.
An der Mehrzahl der älteren Dorfkirchen sind die im Laufe der Zeiten
entstandenen kleinen Anbauten: Sakristeien, Aufbewahrungsräume u. dergk,
die jeder für sich der Bauweise seiner Zeit entsprachen, weggerissen und
durch andere im Stile des Hauptgebäudes ersetzt. Man kratzt die Steine
der Aussenseite sauber ab, füllt etwas erweiterte Fugen und Verwitterungs-
stellen mit Kitt und Mörtel aus und gewinnt auf diese Weise eine recht
saubere einfarbige Kirche, aber man zerstört den Zauber jener alten Ge-
bäude, denen der Stempel der Baustile aufgeprägt war, die während ihres
Bestehens im Verlaufe der Jahrhunderte aufeinander gefolgt waren. So
haben denn auch die Arbeiten, die in neuerer Zeit an wichtigen Bauwerken
ausgeführt wurden, wie am Steen in Antwerpen, an der St. Gudulakirche
in Brüssel und an den hauptsächlichsten Bauwerken in Antwerpen, Gent,
Brügge, Löwen etc., eine herbe Kritik erfahren, die sich auch auf die Art
und Weise der Verwendung des Materials erstrecken könnte. Kommt es
doch vor, dass für die Instandsetzung Steine aus ganz anderen Brüchen
verwendet werden als die, aus denen die Steine des Bauwerks stammen,
und dass nun die neuen Steine frisch und weiss bleiben, während die
alten immer weiter verwittern und schwärzer werden. Der Gesamteindruck
ist in hohem Masse störend; man betrachte nur die Fassaden der Stadt-
häuser in Brügge und Löwen und die der St. Gudulakirche. Wäre es nicht
ratsamer, die Millionen, die auf derartige Wiederherstellungen verwendet
werden, lieber zur Erbauung eines ganz modernen im Geiste unserer Zeit
errichteten Bauwerks zu benutzen?
Aber weiter: Was geschieht an den Fassaden des Stadthauses in Löwen
und der St. Rombantkirche in Mecheln! Da wird ohne weitere Umschweife
einfach von neuem gebaut. Kirchen und bürgerliche Gebäude sollen wohl
in stand gehalten werden, aber man sollte doch nicht ganze Fassaden unter
dem Vorwande neu bauen, dass einige Steine verwittern und die Mauern
Risse zeigen.
Und wie verfährt man mit altehrwürdigen Ruinen! Immer nach dem-
selben Irrtum. Wird doch in Villers-la-Ville ein Nebensaal völlig ausgebaut,
Gewölbe, Fensterpfeiler, Strebepfeiler, Säulen ganz neu hingestellt. Und
wozu denn eigentlich? Statt der Ruinen, die so beredt von altentschwundenen

Zeiten zu uns sprachen, haben
wir nun einige nach alten Doku-
menten mehr oder minder treu
wiedererstandene Gebäude. Was
bringt uns ein solcher Wechsel
wohl ein? — Dasselbe gilt für
die Arbeiten am Grafenschloss,
dem Gravenkasteel in Gent. Auch
hier kann man nur sagen: Ruinen
soll man in Ruhe lassen und nur
dran rühren, insoweit es gilt, den
gänzlichen Verfall zu hindern.
Darüber hinauszugehen ist Van-
dalismus.«
Aehnliches trifft auch für
Wiederherstellung des Inneren
der Kirchen zu. Ueberall sind
die Steinmetzen, Maler, Glaser,
Schnitzer und Paramentenfabri-
kanten dabei, ausnahmslos gotisch
und romanisch zu arbeiten; sie
schalten als Herren in der christ-
lichen Kunst.
Hoffentlich geht man bald
von dem ganzen verkehrten Sy-
stem ab und wendet sich an
tüchtige moderne Architekten,
wenn es sich um Erweiterung
bürgerlicher oder kirchlicher Bau-
ten handelt, um den Anbau eines
Seitenflügels an ein altes Rat-



Thür. Ausgeführt von B. Harrass
in Böhlen.
haus, einer Sakristei oder Kapelle an eine romanische oder gotische 'oder
Renaissancekirche. Diese Architekten werden eigenartige Werke schaffen,
wertvoller als mangelhafte Kopieen vergangener Kunst. Die Innendekoration
aber überlasse man anerkannt befähigten Künstlern, die dann schon dafür
sorgen werden, dass gerade unsere Zeit in den Annalen der Kunst der-
einst glanzvoll dastehen wird.
Diesen von J. Caluwaers zum Ausdruck gebrachten Anschauungen
können wir rückhaltlos zustimmen und nur wünschen, dass gleichgestimmte
Bestrebungen und Ansichten auch in Deutschland bei der Wiederherstellung
und dem Ausbau älterer Baudenkmäler die ihnen gebührende Anerkennung
und Berücksichtigung fänden.

Fortschritte in der Kunsttischlerei.
(Schluss.)
■ as Koptoxyl wird von der Firma B. Harrass in Böhlen i.Th.
nach patentiertem Verfahren in dünnen Platten hergestellt,
welche aus mehreren in der Faserrichtung kreuzweise über-
einandergelegten Fournieren bestehen. Diese Fourniere werden
in Stärken von 1 5 mm von Klötzen abgeschält, »gemessert«,
welche zuvor längere Zeit starkem Dampfdruck ausgesetzt
waren, um sie geschmeidig zu machen. Darauf werden sie
mit wasserfestem Leim aufeinandergeleimt und nach dem
Trocknen zwischen heissen Eisenplatten einem gewaltigen
Druck (bis zu 500 Atm.) ausgesetzt. Dadurch wird die ver-
leimte Platte etwa auf ein Drittel ihrer Stärke zusammengepresst,
wobei natürlich das Gefüge entsprechend verdichtet und das
Gewicht verringert wird. Die Widerstandsfähigkeit gegen
mechanische Angriffe wird bedeutend erhöht, vor allem aber
wird das Holz durch das Verfahren völlig unempfindlich gegen
die spätere schädliche Einwirkung von Hitze und Feuchtigkeit
gemacht, welche sonst im Quellen, Reissen und Verwerfen des
Holzes bemerkbar wird. Somit sind die Vorteile einer sorg-
fältigen »Absperrung«, wie sie der Tischler vorzunehmen pflegt,

Zimmer. Ausgeführt von B. Harrass in Böhlen.


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