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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 7
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Högg, Emil: Hofarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0060
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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 7




es steht, es ist
auch ganz einer-
lei; es ist kein
Unikum, son-
dern ein Typus!
Die zugehörige
Straßenfassade
erhebt An-
spruch auf
künstlerischen
Wert. Denn
mancher Bau-
herr leistet sich
heutzutage eine
kunstvolle oder
doch wenig-
stens an-
spruchsvolle
Fassade nach
der Straße zu,
(3) Hof eines Wohnhauses in Berlin. Wobei er aller¬
dings zumeist Schönheit mit Reichtum verwechselt. Würde er
von der hier zu Reklamezwecken verschwendeten Fülle einiges
sparen und dafür seinen Architekten veranlassen, sich auch des
stiefmütterlich behandelten Hofes zu erbarmen, so könnte er
um dasselbe Geld eine vornehm ruhige Straßenfront und oben-
drein einen wohnlichen Hof haben. Die Schwierigkeiten, die
sich der harmonischen Ausbildung des letzteren entgegenstellen,
sollen nicht verkannt werden: denken wir nur an alle die prakti-
schen Bedürfnisse, welche hier an der engen Licht- und Luft-
quelle zusammen die Köpfe herausstrecken; denken wir an die
mysteriösen polizeilichen Vorschriften, die schwer zu erfassen,
schwerer zu befriedigen, am allerschwersten auf ihre tieferen
Gründe zu erforschen sind, Vorschriften, die möglicherweise zur
Feuersicherheit und Gesundheit, ganz gewiß aber nicht zur
Schönheit eines Bauwerks beitragen. Unbestritten ist es daher
viel schwieriger, gute Hofarchitektur zu schaffen als gute
Straßenarchitektur; auch verlangt die Aufgabe eine gemütvolle
individuelle Bauweise, und diese ist auch wieder schwerer
durchzuführen als eine prunkvolle. Darum drückt sich der Ar-
chitekt ganz gerne um die wenig dankbare Arbeit, die ihm ja
zudem keine Ehre bringt, denn den Hof sieht niemand, d. h.

(5) Hof der Burg Eltz.
niemand, der mit dem Kodak umhergeht und sucht, was er
publiziere, — also mag hier der Stukkateur neidlos schwelgen!
Einst in der guten alten Zeit, die wenigstens vom künst-
lerischen Standpunkt aus wirklich diesen Titel verdient, war
es anders und besser gewesen. Unsre Väter mit ihren durch
Jahrhunderte gefestigten Traditionen hätten sich wohl baß
verwundert, wenn man ihnen unsre moderne Weisheit vor-
getragen hätte, daß es nämlich Gebilde aus Menschenhand gibt,
die schön sein müssen, und solche, die nicht nötig haben,
schön zu sein, ad 1) Straßenfronten, Vestibüle und gute Stuben;
ad 2) Höfe, Nebentreppen und Berliner Zimmer. Was die Bauleute
jener alten Zeit uns hinterlassen haben, es mag noch so schlicht
und schmucklos sein, atmet alles Sachlichkeit, Gemüt, Schönheit.
Rufen wir uns zur Erholung von unsrer Wanderung durch
die modernen Höfe solche Anlagen vergangener Jahrhunderte
aus dem Norden und Süden unsres weiteren Vaterlandes ins
Gedächtnis zurück! Die Abbildungen 1 u. 2 mögen uns an
die wohlvertrauten erinnern. Ähnliche Architek-
turbilder finden wir ja noch allenthalben in den
entlegenen Winkeln unsrer Städte und Städtchen,
soweit sie nicht durch moderne Um- und An-
bauten entstellt sind. Diese Höfe sind nicht
etwa durch das Alter erst so malerisch gewor-
den, sondern sie waren in der Anlage und
Durchführung von Anfang an poesievoll. Unsre
modernen Normalhöfe werden nicht malerisch
und wenn sie 500 Jahre alt werden, was Gott
sei Dank nicht zu befürchten ist. Vielleicht
kommen wir unsern modernen Beispielen noch
näher, wenn wir die Burg- und Schloßanlagen
zum Vergleich heranziehen, welche mächtiger und
schwerfälliger im Aufbau als die Bürgerhäuser,
geschlossen, eng und zusammengezwängt oft
ganz ähnliche Aufgaben in mustergültiger Lösung
zeigen, vor denen die Künstler unsrer Miethäuser
hilflos stehen. Die Abbildungen 4—6 mögen
das Gesagte bestätigen, ebenso wie der pracht-
volle malerische Hof des Schlosses Tratzberg
(Tafel 41). Außerdem bringt dieses Heft auf
Tafel 49 eine der hervorragendsten und best-
erhaltenen Anlagen dieser Art, den reichbemalten
Schloßhof von Issogne im Aostatal.
Wohl jeder, Laie wie Fachmann, Bauherr
wie Baumeister, pflegt in ein »Ah!« des Ent-
zückens auszubrechen, wenn er auf seiner Reise
unvermutet einen solchen Hof betritt. Wie sich
die Massen übereinander auftürmen und wie sie

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