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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 7
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Högg, Emil: Hofarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0059

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 7


Gutshaus Mühlburg bei Gnesen.

Architekten: Erdmann & Spindler in Berlin,

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Hofarchitektur.

Von Emil Högg in Charlottenburg.


icht von jener Baukunst soll die Rede sein, die
hoch von oben her ihre Inspiration empfängt
und die daher tiefer unten im Tale des Lebens
ohnehin schon genügend Aufsehen zu erregen
pflegt, — sondern nur von der Architektur

unsrer Miethaushöfe, um welche sich bisher niemand viel ge-

kümmert hat. Im besonderen soll von Berliner Höfen die Rede

sein, denn wenn sich auch in unsern modernen Städten zum Teil
sehr verschiedenartige Wohnhaustypen herausgebildet haben,
— ich erinnere unter vielen an Bremen mit seinem reizenden

Einfamilienhaus, an Stuttgart mit seinem häßlichen Hinterhaus-
unwesen,— so ist doch jedenfalls der von vier Flügeln umfaßte,

in sich abgeschlossene Berliner Hof eine der interessantesten
und am konsequentesten durchgeführten — zugleich aber
ästhetisch am meisten vernachlässigten Lösungen des Problems.
Machen wir also eine kleine Wanderung durch die uns
kühl anhauchenden Höfe eines Berliner Miethausquartiers. Wer
sich dort auskennt, wird schaudernd sagen: »Wie? dritter Hof
Quergebäude links bitte, ich warte lieber hier außen.« Damit
gibt der moderne Großstädter der instinktiven Empfindung
Ausdruck, die sich in jedem Menschen je nach seinem Naturell
mehr oder weniger kräftig regt, wenn er — ganz allgemein
gesprochen auf krasse Gegensätze zwischen Zweck und
Mittel stößt. Sind diese Zweckwidrigkeiten jedoch durch lang-
jährige Übung geheiligt, so nimmt er sie als notwendiges Übel
geduldig hin. So hat er sich auch längst daran gewöhnt, daß
die Wohn-

(1) Knebelscher Hof in Mainz, um 1598 erbaut.


haushöfe
unwohn¬
lich, öde, ge-
schmacklos
sind, eben
weil es Höfe
sind. Und
somit
scheint es
ihm ganz in
der Ord-
nung zu
sein,daß die
hochragen-
den Mauern
von unschön
geformten
und sinnlos
gruppierten
Fenstern
zerrissen
werden, daß

Vorsprünge ein Fenster halb verdecken und ein andres in der
Mitte durchschneiden, und daß trotz allem Mangel an Kunst
ein aufdringlicher Apparat von Fensterverdachungen oder ent-
setzlicher Putzornamentik eines wildgewordenen Stuckkünst-
lers den letzten ruhigen Wandfleck bedeckt, und daß alles das
grau in grau gehalten ist, ohne Farbe, ohne Freude. Wenn
das Haus für feine Partieen — etwa von 1800 M. aufwärts
— berechnet ist, so pflegt sich neuerdings auf dem Boden des
Hofes ein sogenannter Garten auszudehnen, d.h. gelbgepflasterte
Wege ziehen sich um einige mit weißen glasierten Steinen ein-
gefaßte Grasbeete, in denen Rosenbäume oder dergleichen
trauern. So ist’s kein Hof mehr und alles eher denn ein Garten,
eine Unwahrheit, die den Eindruck des Unbehagens nur noch
steigert. Und die Dächer! Welche Mißgeburten, welche Hilf-
losigkeiten in diesen »Lösungen«! Da ein Stück, das auf
einen Meter Länge dreimal geknickt ist, nur um sämtlichen
Risaliten darunter gerecht zu werden; daneben ein Holzzement-
dach, unmotiviert abgeschnitten, um einem scheußlich geformten
Kegeldach mit dicken Graten Platz zu machen; das Ganze um-
starrt von klobigen Schornsteinen, zerschnitten von gelegent-
lichen Brandmauern, umsäumt von Dachrinnen und Schnee-
fängen übermäßigen Kalibers — ein entsetzlicher Anblick, der
zudem keinem Hofbewohner erspart bleibt, weil er ja des
öfteren schmachtend nach dem schmalen Streifen Himmel
hinaufblicken muß, der zwischen diesen Dächern noch sichtbar
bleibt. Hier erkennt man so recht das Oberflächliche, Herzlose
unsrer Bau¬
weise, die an¬
statt das Not¬
wendige liebe¬
voll zum Motiv
zu erheben, die
Lösung dieser
wichtigen Klei¬
nigkeiten acht¬
los dem gleich¬
gültigen Arbei¬
ter überläßt.
Abbildung 3
zeigt einen Ber¬
liner Normal¬
hof in seiner
ganzen durch¬
geistigten
Herrlichkeit. Es
isteinGebäude
aus dem Jahre
1903. Ich ver¬
rate nicht, wo


(2) Winkelhof in Nürnberg.

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