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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 3
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Högg, Emil: Moderne Rathäuser
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Das ehemals Gräfl. Coselsche Palais in Dresden
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Das "Handbuch der Architektur"
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0031

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1Q04

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 3


Das ehemals Gräfi. Coselsche Palais in Dresden.
Blick in den Ehrenhof.
stellt zu sehen. Was weiter hierüber zu sagen wäre, gehört
in das Kapitel vom Städtebau.
Der dritte Fehler pflegt in der stilistischen Auffassung zu
liegen. Groß ist hier die Ratlosigkeit der Architekten, schwer
und unsicher wird ihnen und ihren Bauherren, den Stadtvätern,
die bange Wahl. Aber gefährlich und dem Mißverständnis
ausgesetzt ist hier auch jedes kritisierende Wort, solange
unsre Künstler sich so schroff in zwei Lager gespalten gegen-
überstehen, solange so gereizt wie heut noch der Schlachtruf
erschallt: »Hie historische Nachempfindung — hie moderne
Entwicklung!« Das aber müssen wohl beide Parteien aner-
kennen, daß es eine schwere Versündigung gegen den Genius
loci bedeutet, wenn der Schöpfer eines Rathauses, wie es
so vielfach geschieht, das ausgesprochene kunstgeschichtliche
Gepräge einer Stadt ignorieren zu dürfen glaubt, wenn er ver-
säumt, die Fäden der Überlieferung sorgfältig aufzunehmen
und pietätvoll weiter zu spinnen, — mit andern Worten die
Brücke zu bauen, die von seiner Kunstauffassung hinüber-
führt zum Bewußtsein der Bürgerschaft; und er darf sich nicht
wundern und nicht beklagen, wenn diese gleichgültig an einem
Rathaus vorübereilt, das ihr nichts von der Väter Weise er-
zählt, das ihr kein Ausdruck ihrer Eigenart ist, kein Sinnbild
ihrer modernen Entwicklung, nichts als ein Fremdling, den sie
zwar in ihren Mauern dulden muß, der aber nie das Heimat-
recht darin erhalten wird.


Das ehemals Gräfi. Coselsche Palais in Dresden.
Manch alter Dresdener Studio hat wohl in seiner flotten Studentenzeit den
Räumen des früheren Palais Cosel, damaligen Hauptpolizeigebäudes
nolens volens einen Besuch abgestattet; wenn er aber geglaubt hat, in
dem ehemaligen Heim der glücklich-unglücklichen Gräfin sich zu befinden,
so hat er sich geirrt: denn das Palais hat seiner Zeit nicht der Gräfin
Cosel, sondern deren Sohne, dem Grafen Friedr. August Cosel, gehört.
An Stelle eines alten Pulverturmes, den 1744 der damalige Oberland-
baumeister Knöffel geschenkt erhielt, wurden von diesem zwei fünf Stock hohe
Häuser errichtet, in welche 1746 die Niederlage der Meißener Porzellan-
manufaktur verlegt wurde. Im Jahre 1760 bei der Belagerung mit in Brand
geschossen, wurden die Baulichkeiten durch den obengenannten Grafen
Cosel wieder aufgebaut; der Amtsbaumeister Schwartze und der Kammer-
kondukteur Hahmann werden als Bauleitende genannt*).
Durch Hinzufügen der beiden niedrigen Flügel nach der Frauenkirche
entstand der schöne Ehrenhof; das fünfgeschossige Hauptgebäude gibt im
wesentlichen den Knöffelschen Bau wieder. Es ist durch Lisenenwerk an-
mutig gegliedert, mit Giebelschmuck, Putten und Vasen an der Attika,
Baikonen mit Oitterwerk vor den Fenstern des durch das erste und zweite
Obergeschoß reichenden Festsaales verziert und besitzt zwei schöne Brunnen
im inneren Hofe und im Ehrenhofe. — Die Flügelbauten sind lebhafter
gegliedert, über dem Rundbogenmotiv der Mittelachsen mit bewegten Trophäen
gekrönt; den schönsten Schmuck aber bilden die zum Teil mit Helm und
Waffen spielenden, zum Teil Laternen tragenden reizenden Puttengruppen
der Torpfeiler, die ebenso wie die Bildwerke der Attika und des Brunnens
des Hauptgebäudes als Werke des Bildhauers Gottfried Knöffler bezeichnet
werden. Das Innere bietet außer dem großen Saale nichts Bemerkenswertes.
Das Palais wurde Mitte der vierziger Jahre als Hotel eingerichtet,
diente 1853 1901 der Königlichen Polizeidirektion als Sitz und birgt nach
Übersiedelung der letzteren und einem umfangreichen Umbau die General-
direktion der Königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft sowie
die Dresdener Landbauämter und Bauverwaltereien.
*) Gurlitt, Die Kunstdenkmäler Dresdens.

Das „Handbuch der Architektur“.
Unter Mitwirkung von Prof. Dr. J. Durtn, Geh. Rat in Karlsruhe und Prof. Dr. H. Ende,
Geh. Regierungs- und Baurat, Präsident der Kunstakademie in Berlin,
herausgegeben von Prof. Dr. Ed. Schmitt, Geh. Baurat in Darmstadt,
s war in den Siebzigerjahren des verflossenen Jahr-
hunderts, als ich bei dem alljährlich stattfindenden
Feste süddeutscher Buchhänder in Stuttgart mit dem
Darmstädter Buchhändler Arnold Bergsträßer bekannt wurde.
Wir unterhielten uns über architektonische Publikationen, ins-
besondere über das Werk von Viollet-le-Duc, das ich wenige
Jahre früher gründlich studiert hatte und das damals das Vade-
mekum aller derer war, die in einem mittelalterlichen Stil zu
bauen hatten. Ich sprach mein Bedauern darüber aus, daß wir
in Deutschland kein Werk besitzen, das demselben an die Seite
zu stellen wäre, daß es eine hervorragende Aufgabe für einen
deutschen Buchhändler wäre, ein Werk zu gründen, das dem
ähnlich, jedoch viel umfassender als jenes wäre, es müßte sich
auf das gesamte Gebiet der Baukunst erstrecken und von den
berufensten Fachmännern verfaßt sein. Man hatte damals den
»Letarouilly« und die eigenen italienischen Studien für Monu-
mentalbauten, »Ortweins deutsche Renaissance« für den neu-
gepflegten und von München aus verbreiteten Stil der deutschen
Renaissance und das Lehrbuch von »Breymann« für die Kon-
struktionen. Die Kunstgeschichte war durch die Lübkeschen
Werke vertreten, die aber den schaffenden Architekten unbe-
friedigt ließen. Die Illustrationen waren ungenügend, die Kon-
struktion zu wenig berücksichtigt. Gewiß gab es noch eine
Menge gediegener Werke über einzelne Teile der Baukunst,
aber es gab keines, das das ganze Gebiet umfaßte, in welchem
der Architekt dem Architekten das Wissenswerte seines Faches
dargelegt hätte.
Mit steigendem Interesse hatte Herr Bergsträßer diesen
Wünschen eines Architekten zugehört, dabei das feine be-
friedigte Lächeln dessen kaum unterdrückend, der sich bewußt
ist, eine Überraschung bereit zu haben. Wie erstaunt war ich,
als er am Schlüsse mir mit Stolz verkündigte, er selbst sei
im Begriff, gerade so ein Werk herauszugeben und er hoffe
damit die deutsche Architektenschaft zu befriedigen. Nachdem
er noch die Disposition des Werkes vorgetragen und die Mit-
arbeiter genannt hatte, blieb mir nur übrig, ihm von Herzen
Glück und Erfolg zu wünschen.
Nun erschien von 1881 an Band auf Band des in riesen-
hafter Ausdehnung angelegten Werkes und jeder brachte neue
Überraschungen, jeder Band war eine neue Freude für den
schaffenden Architekten. Voran das wunderbare Werk Durms
über die Bau¬
kunst der Grie¬
chen. Was war
dagegen all das,
was man bisher
aus Lübke und
den Kollegien-
heften gelernt
hatte. Hier
schilderte zum
erstenmal ein
Architekt an der
Hand eigener,
mustergültiger
Aufnahmen
und eigenen
Studiums an
Ort und Stelle
eine Baukunst,
die bisher dem
Gros der jungen
Architekten nur
ziemlich nebel¬
haft bekannt
war. Zum'
Flügelbau.

Das ehemals Gräfi. Coselsche Palais in Dresden.





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