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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 8
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Schwindrazheim, Oskar: Der äußere Schmuck des Sylter Bauernhauses
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Neue Schmiedearbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0071

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 8


Fig.12. Fensterund Luke.
1. Empirefenster (weifs
bemalt).
2. Bodenfenster (Blei¬
fassung).
3. Luke (rot), Wester¬
land.

Fig. 11. Türklopfer.
1. Eiserner Klopfer,
zugleich nach rechts
beweglich als Tür-
drücker dienend
(Braderup).
2. Messing - Klopfer
(Alt Westerland).

Nach Zeichnung von O. Stollberg
ausgeführt von Hofkunstschlosser
Paul Marcus in Berlin.

Abschlußgitter'vor einer Laden-
eingangstür.

/. 2.

Neue Schmiedearbeiten.
|s wird oft genug — klagend oder mit Genugtuung,
| je nach dem Standpunkte des Sprechenden — betont,
I daß das große Publikum dem Kunstgewerbe näher
stehe als der Architektur und sich deshalb mit seinem Schaffen
und seinen Erzeugnissen lieber und eingehender beschäftige.
Aber nicht, ob eine Arbeit gut oder minderwertig ist, ob sie ihrem
Zweck und ihrer Umgebung entspricht, ist die übliche erste
Frage der weitaus meisten von diesen Freunden des Kunstge-
werbes, sondern ob sie neu oder alt ist. Wie eine erbliche Be-

Die großen Einfahrttüren, von
Halbkreis- oder flachem Bogen über-
spannt, sind zweiflügelig; bisweilen
finden sich oben zwei meist geschlossen
bleibende schmale Sonderflügel. Ein-
fahrt- und halbrund geschlossene Ne-
bentüren sind oft streng ornamental
gruppiert (Abb. 5, <).
Kleinere Fenster bilden öfters mit
der Tür eine Gruppe, am wirkungsvoll-
sten in dem Beispiel Abb. 9, wo die
kleinen ovalen Butzenscheiben, von schwarz-weißen
Ziegelrahmen umgeben, gewissermaßen Seitenaus-
läufer der Türkrönung sind.
Halbkreisförmige und ovale kleine Fenster sind
in der Weise der Türbekrönungen umrahmt, auch
ebenso farbig behandelt. Die größeren Fenster zieren
dekorative Entlastungsbögen (Abb.6, 5-0) wie bei der
Tür, meist nur Scheinbögen aus einer nach beiden
Seiten abfallenden Wagrechten, oder man hat die Steine
über den Fenstern nur schräg gestellt, links und rechts
entgegengesetzt — ein sehr anmutig wirkendes einfaches
Motiv (Abb. 6,4). Die Farben wechseln auch hier wie bei
den Türen; nur in einem Falle habe ich die abweichende Gegen-
überstellung von Schwarz-Weiß mit Dunkelrot-Gelb gesehen.
Die älteren Fenster sind einfach, mit weiß und grün be-
maltem Holzwerk. Aus der Empirezeit finden sich anmutig
geteilte (Abb. 12,1) mit einer Bekrönung in Art der erwähnten
flachen Türbekrönungen. Die kleinsten Fensterchen bestehen,
wie gesagt, nur aus einer Butzenscheibe; andere sind in Blei-
fassung sternförmig oder gerautet zusammengesetzt (Abb. 12,2).
Die Luken im Dachgeschoß, in den Seitengiebeln oder im Zier-
giebel sind meist nur einfach zusammengenagelt und grün oder
rot gemalt (auch wohl außen grün, innen rot); vereinzelt finden
sich aber auch hübsche Formen, erinnernd an einfache Ver-
täfelungen in den Stuben, in einfachsten, altertümlichen kleinen
hakenförmigen Hängen beweglich (s. Abb. 12,3).
Die eisernen Maueranker (Abb. 13), die zu einem bedeut-
samen Schmuck des Hauses ausgebildet sind, beleben alle Seiten.
Die schönsten trägt der Ziergiebel. Da sehen wir meist in flotter
lateinischer Schreibschrift geschmiedete Monogramme und
Jahreszahlen (Abb. 7,1, 9 u. a.), sowie an der Spitze des Giebels
ein besonders reiches, aus Spiralen kreuz-, ankerförmig oder
anderswie zusammengesetztes Ornament. Die sonst am Hause
vorkommenden Anker sind stets einfacher, stabförmig, oft
oben oder oben und unten in leichte Spiralen auslaufend.
Die beiden neben der Tür befindlichen laufen unten bisweilen
in einen Haken aus. Die Oberfläche ist gelegentlich mit ein-
fachen eingehauenen Ornamenten verziert.
Hie und da prangen auch geschnitzte Schmuckstücke von
alten Schiffen über den Türen. —
Das Schmuckmaterial ist also nicht gerade reichhaltig: da
ist kein Fachwerk mit geschnitzten Balken, da sind keine vor-
springenden Obergeschosse, keine Bildhauerarbeiten in Stein,
die Giebelaufsätze, die Bemalung und das Ziegelmosaik sind
auch nicht besonders bedeutend — und doch ist mit dem
Wenigen, das als Schmuck benützt wurde, ein ganz prächtiges
Haus geschaffen, von dem wir viel, sehr viel lernen können.
Zunächst beweist es jedenfalls, daß auch ohne Fachwerk ein
modernes Bauernhaus, wie wir Bauernkunstfreunde uns eines
wünschen, ein Haus, ebenso traulich-anmutig, ebenso heimatlich,
echt ländlich und deutsch wie die alten, recht wohl denkbar
ist. Aber es lehrt noch mehr, was für das moderne Bauern-
haus, das alle Tugenden des alten mit den tatsächlichen Ver-
besserungen von heute vereinen soll, von Wichtigkeit ist.
Wir erkennen die Eigenart, welche aus dem Kampf gegen
Wind und Wetter demSylter Hause in Mauer, Hausform, Wind-
fang u. a. erwuchs, wir sehen, wie die sinngemäße Anordnung
der einzelnen Hausteile und ihre den Zweck klar ausdrückende
Gestalt schon genügt, um selbst das sonst völlig schmucklose
Haus anmutig erscheinen zu lassen.
Wir sehen, wie die Benützung des einfachen heimischen

Materials Haus und Landschaft ohne weiteres
zusammenstimmen läßt und wie ein urwüch-
siges Empfinden aus diesem einfachen Material
Schmuckwirkungen herausholt, die staunens-
wert sind, die sich wie von selbst einstellten,
sowie das Material zweckentsprechend, in
ehrlicher Technik verwendet wurde.
Ohne weiteres werden ihre Gebilde zu
charaktervollem Schmuck: die Mauerfugen,
Entlastungsbögen, die Anker, die Stäbe
dem First u. s. w.
Auch allerlei beachtenswerte Fingerzeige
gute Wirkungen ergeben sich. Wie da die bunt-
bemalten Teile dem roten Mauerwerk gegenübergesetzt
sind, Grün, Schwarz-Weiß oder ununterbrochenes Rot
gegen rot-gelbes Mauerwerk; wie das alsdann verteilt
ist — wie der Schmuck abgestuft ist, die Tür der stark
betonte Mittelpunkt, dem Fenster und andre Öffnungen
des Giebels und der Seiten untergeordnet sind, in
ihrer Form und ihrem Schmuck die der Tür leicht
variierend, sie ausklingen lassend oder sich ihr ent-
gegensetzend, das ist wahrhaft vorbildlich. Ebenso
das wenige, aber gut verteilte Ornament, die einfachen
Ziegelmuster, die Buchstaben und Ziffern, die Schnörkel der
Anker, die Schnitzereien u. a. der Tür. Und ebenso vorbildlich
ist endlich die starke individuelle Abwechslung von Haus zu
Haus, die mit den einfachsten Mitteln erreicht ist.
Und zum Schlüsse: hier war von dem Hause einer einzigen
Insel und nur von seinem Äußeren die Rede! — Ist es nicht
erstaunlich, welche Fülle von Beobachtungen sich an diesem
dazu noch so einfachen Hause aufstellen läßt — ist es nicht
ein wunderbar beredtes Beispiel für den ungeheuren Reichtum
unsrer deutschen Bauernkunst an Lehren für unsre neueren
Bestrebungen in der Richtung einer volkstümlichen deutschen
Kunst der Zukunft?

Jw
Fig. 13.
Maueranker.
1. 2. Neben
der Tür.
3. An der
Spitze.






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