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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 20.1904

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Heft 12
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Osterrieth, Albert: Der Urherberschutz für Werke der Baukunst und der Entwurf eines Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.44901#0099

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1904

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 12


Villenkolonie für Zehlendorf-West.

Architekten: Alfred J. Balcke und Carl Sickel in Berlin.

Zum Artikel: »Die Architektur auf der Grofsen Berliner Kunstausstellung X904«.

Der Urheberschutz für Werke der Baukunst und der Entwurf eines Gesetzes be-
treffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie.

Von Dr. Albert Osterrieth, Berlin.

ie in den letzten Jahren immer lauter werdenden
Klagen über den Mangel eines Urheberschutzes
für die Werke der Baukunst haben die Auf-
merksamkeit der Reichsregierung auf diese Frage
gelenkt. Nach eingehender Prüfung ist sie zu
der Überzeugung gelangt, daß der Standpunkt des geltenden
Kunstschutzgesetzes, wonach die Werke der Baukunst von
dem Urheberschutz ausgeschlossen sind, nicht mehr haltbar ist.
Vor wenigen Wochen ist im Reichsanzeiger der im Reichs-
amt des Inneren ausgearbeitete Entwurf eines Gesetzes, be-
treffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste
und der Photographie, veröffentlicht worden.
Dieser Entwurf, der eine Umgestaltung und Erweiterung
des Urheberrechts an den Werken der bildenden Künste und
der Photographie bezweckt, enthält in § 2 (Absatz 1) folgende
Bestimmung:
»Bauwerke und Entwürfe für diese gehören, sofern sie künstlerische
Zwecke verfolgen, zu den Werken der bildenden Künste im Sinne dieses
Gesetzes.«
Es sei gleich bemerkt, daß der Entwurf die Werke der
Baukunst in jeder Beziehung den übrigen Werken der bildenden
Künste gleichstellt.
In der amtlichen Begründung des Entwurfs findet sich
folgende beachtenswerte Stelle:
»Auf die Baukunst findet das Gesetz vom 9. Januar 1876, wie § 3
desselben bestimmt, keine Anwendung. Diese Bestimmung ist lebhaft
angefochten worden. Es wird geltend gemacht, daß gegenüber der Aus-
dehnung, die der Schutz des gewerblichen und geistigen Eigentums über-
haupt erfahren habe, die Sonderstellung des Architekten nicht mehr be-
gründet sei. In der baukünstlerischen Konzeption betätige sich ein gleich
hohes Maß geistiger Schaffenskraft, wie in den besten Leistungen der
übrigen bildenden Künste. Auch wird darauf hingewiesen, daß Baukunst
und Bildhauerarbeit nahe verwandt sind und zum Teil, z. B. bei den
Arbeiten der architektonischen Ornamentik, ineinander übergehen.«
Alle Interessenten Deutschlands werden diese Ausfüh-
rungen mit dankbarer Freude begrüßen. Denn einerseits wird
der alte Standpunkt, daß die Baukunst in ihrem Werte und in
ihrer wirtschaftlichen Bedeutung den andern Künsten nach-
stehe, endgültig beseitigt, und anderseits wird dem Architekten
eine reichere Verwertung seiner Arbeit ermöglicht, und ihm
ein neuer Antrieb zu selbständigem künstlerischen Schaffen
gegeben.
Ein Blick auf den oben zitierten § 2 wird vielleicht ein
gewisses Befremden erregen. Warum werden nur solche Bau-
werke und Entwürfe, die künstlerische Zwecke verfolgen, zu
den Werken der bildenden Künste gerechnet? Der Verfasser des
Entwurfs spricht sich über diesen Punkt folgendermaßen aus:

»Hier spielt in erster Linie die Erwägung eine Rolle, daß das Bau-
werk nicht lediglich zur Befriedigung des Schönheitsgefühls oder zur Ver-
mittlung eines künstlerischen Gedankens, sondern zugleich, meist sogar
allein, einem Gebrauchszwecke dient. Dieser Gesichtspunkt trifft auch
heute noch zu. Sobald aber die künstlerische Zweckbestimmung nicht
mehr die ausschließliche oder wesentliche Voraussetzung für den Rechts-
schutz bildet, kann der Kunstschutz für die Ordnung eines Rechtsschutzes
der Baukunst nicht in Betracht kommen.«
Und ferner:
»Bei der Revision des Gesetzes vom 9. Januar 1876 kann es sich nur
darum handeln, die Bedingungen zu bestimmen, unter denen der Baukunst
für ihre ästhetisch wirksamen Leistungen ein Schutz zu teil werden soll.
Der Entwurf hat das Bedürfnis eines derartigen Schutzes anerkannt. Er
geht dabei von der Voraussetzung aus, daß zwischen der baukünstlerischen
und der bautechnischen Seite eine rechtlich bestimmbare Grenze besteht,
so daß der Richter im einzelnen Falle zu entscheiden in der Lage ist, ob
eine Nachbildung die künstlerische Seite des Werkes in dem hier in Frage
stehenden Sinne ergreift. Demgemäß ist im § 2 zunächst ausdrücklich
ausgesprochen, daß Bauwerke, sofern sie künstlerische Zwecke verfolgen,
zu den Werken der bildenden Künste im Sinne des vorliegenden Gesetzes
gehören.«
Der Tendenz dieser Ausführung kann durchaus zugestimmt
werden. Doch treten darin auch unrichtige Vorstellungen zu
Tage, die wohl jedenfalls auch die nicht glückliche Fassung
des § 2 (Absatz 1) veranlaßt haben. Bedenklich scheint mir
vor allem, das Moment des künstlerischen Zwecks, im
Gegensatz zu der Gebrauchsbestimmung, als die wesentliche
Voraussetzung der Gleichstellung der Bauwerke mit den
Werken der bildenden Künste aufzustellen. Die Bestimmung
eines Werkes ist etwas Äußerliches und Zufälliges, das auf
sein inneres Wesen ohne Einfluß ist und auch für seinen
Urheberschutz ohne Bedeutung sein sollte. Glücklicher ist
die Unterscheidung zwischen der baukünstlerischen und der
bautechnischen Schöpfung. Letztere stellt sich als die Lösung
eines technischen Problems dar, und ist einerseits durch
wissenschaftliche Gesetze, anderseits durch die Anwendung
technischer Methoden bedingt. Die technischen Schöpfungen,
zu denen auch die durch Patent zu schützenden Erfindungen
gehören, sind daher unpersönlich. Die gleiche Aufgabe kann
unter Anwendung der gleichen Methode nach ihrer tech-
nischen Seite hin von verschiedenen in identischer Weise
gelöst werden. Denn bei dem Vorliegen der gleichen objek-
tiven Voraussetzungen wird sich bei Beachtung der gleichen
Gesetze und Anwendung der gleichen Methoden dasselbe tech-
nische Resultat ergeben. Eine solche Leistung ist aber, auch
wenn sie von dem höchsten Wissen und Können eines Meisters
zeugt, niemals eine künstlerische. Denn eine künstlerische
Betätigung ist nur da möglich, wo der freien Willkür Raum
gelassen ist. Künstlerisch ist die Leistung, die nicht zwangs-
läufig als Wirkung gegebener Ursachen eintritt, sondern die als


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